Zur Kieler Woche 2018 faszinierte Gisbert zu Knyphausen das Publikum der gewaltig-leise-Bühne mit seiner gefühlvollen Musik. Welche prägenden Erlebnisse und persönlichen Gedanken hinter seinen bewegenden Songs stecken, verriet uns der Liedermacher vor seinem Auftritt auf der Krusenkoppel im Interview
KIELerleben: Zwischen deinem letzten Album und der Veröffentlichung von „Das Licht dieser Welt“ in 2017 lagen fünf Jahre. Was hast du in dieser Zeit erlebt, das dich und deine Musik geprägt hat?
Gisbert zu Knyphausen: Wie ja auch hörbar ist, geht es auf dem Album unter anderem um den Tod. Das liegt daran, dass mein damaliger Bandkollege von Kid Kopphausen, Nils Koppruch, gestorben ist. Danach hatte ich mir etwas Zeit genommen, Abstand zu nehmen vom öffentlichen Musikerleben, ein bisschen zu mir zu kommen. Nachdem ich eine Zeitlang Bühnenabstand hatte, bin ich mit Olli Schulz und auch Musikern von Kid Kopphausen getourt und habe bei ein paar Konzerten Bass gespielt. Vor zwei Jahren habe ich dann durch die Live-Auftritte wieder Lust aufs Musikerleben bekommen und begonnen, wieder Songs zu schreiben.
Wie kam deine Zusammenarbeit mit Olli Schulz zu Stande? Persönliches Interesse oder eine Empfehlung vom Management?
Olli und ich sind befreundet, dadurch hat es sich 2006/2007 ergeben. Haben uns eh oft gesehen, wobei ich ihm erzählt habe, dass ich mal wieder Lust hätte, in einer Band zu spielen – ohne die Hauptfigur zu sein. Daran hat er sich erinnert und mich schließlich gefragt, ob ich für ihn Bass spielen würde.
Schon zuvor bist du nicht nur als Solokünstler, sondern auch als Bandmitglied aufgetreten. In welcher Rolle fühlst du dich wohler?
Solokonzerte sind spannend, weil sie so sparsam sind. Wenn nur ein Künstler Gitarre spielt und singt, kann eine große Intensität aufgebaut werden. Aber ich bin schon ein Bandmusiker, liebe es einfach, mit anderen Leuten aufzutreten. Wenn ich ein Lied geschrieben habe, will ich das nie so lassen, sondern mit anderen Leuten herausfinden, was soundlich noch dazu kommen kann – wohin einen die Musik trägt. Ich finde es geil, wie aus leise dann plötzlich richtig laut werden kann, und mag es, auch mal richtig Krach zu machen.
Einen ganz besonderen Eindruck von deinem Zusammenspiel mit anderen Musikern vermittelt dein Song „Etwas Besseres als den Tod findet man überall“. Würdest du erzählen, inwiefern dieser Song von Nils Koppruch erzählt?
Einen Großteil der Strophen und den Refrain hat er sogar vor seinem Tod noch selbst geschrieben, für unser Kid Kopphausen-Projekt. Ich habe das Lied nur erweitert. Am Ende des Songs habe ich eine Proberaumaufnahme reingesamplet, wo Nils ein paar Textzeilen singt. Ich wollte nicht einfach einen Song über sein Ableben schreiben, sondern seinen Spirit mit auf das Album nehmen. Wirklich schön, dass man mit Tonaufnahmen einen Teil eines Menschens so bewahren kann.
Gibt es auf „Das Licht dieser Welt“ noch andere Songs, die so ein emotionales Gewicht haben?
„Kommen und Gehen“ ist das traurigste Lied, das ich bisher geschrieben habe. Das persönlichste ist „Dich zu lieben ist einfach“. Es handelt von meiner Freundin, ihrer Tochter und meiner Liebe zu den beiden. „Teheran Smiles“ markiert für mich einen Weckruf. Nach einer ziemlich beschissenen Zeit bin ich erst durch Moskau und St. Petersburg gereist, dann in den Iran. Dabei hat sich etwas gelöst. Ich habe gemerkt: Die Zeit der Trauer ist vorbei, jetzt kannst du wieder nach vorne gehen. Das Leben wurde wieder vorwärtsgerichteter als im Jahr zuvor.
Eigentlich kann man jedem deiner Songs einen sehr emotionalen Charakter zuschreiben. Nutzt du die Musik, um Themen zu verarbeiten? Oder möchtest du eher die Menschen zum Nachdenken anregen?
Bei vielen Songs habe ich erstmal an mich gedacht, meiner eigenen Emotionalität Ausdruck verliehen, meinem eigenen Erleben. Sie enthalten, was ich verarbeiten muss und im Musikkosmos loswerden möchte. Der Gedanke, was ich meinem Publikum davon überhaupt antun möchte, kommt erst später. Klare Botschaften oder diese moralischen Zeigefinger-Momente kommen in meinen Songs kaum vor. Ich möchte niemanden belehren.
Inwiefern hängt dein Studium der Musiktherapie damit zusammen, dass das Songschreiben für dich einen Verarbeitungsprozess bedeutet?
Im Studium war man sehr introspektiv beschäftigt, probierte alle Erforschungen an sich selbst aus – schließlich werden keine Studenten auf Patienten losgelassen. Ich war gerade in einer ziemlich depressiven Phase, dazu habe ich sowieso einen Hang. Also kam bei mir sehr viel hoch, von dem ich gar nicht wusste, dass es da war. Das habe ich mit der Musik ausgekotzt. Wenn ich BWL studiert hätte, wäre ich vielleicht nicht so schnell auf die Idee gekommen, derartig emotionale Songs auf der Bühne aufzuführen. Aber so hatte ich da keine Hemmschwelle.
Und dennoch gibst du als Musiker mit emotionalen Botschaften ja nicht deine Seele preis. Du machst dem Zuhörer nur einen Vorschlag, auf dessen Grundlage er sich sein eigenes Bild macht, oder?
Ja, es ist wirklich nur ein Vorschlag. Jeder bring da sein eigenes Leben mit ein, seine eigenen Erfahrungen. Und das, finde ich, ist auch das Schöne an vielen Songs. Wenn die nicht zu direkt getextet sind, kann jeder dazu seine eigene Geschichte ausmalen.
Warst du tatsächlich mal als Therapeut tätig oder hast du dein Studium direkt als Inspiration für die Musik genutzt?
Ich habe das Studium abgebrochen und entschieden, dass ich nur Musik machen will. Also habe ich angefangen, in Kneipen zu jobben, Lieder zu schreiben und aufzutreten. Und dann klappte recht schnell ganz gut (lacht).
Und war dein eigener Anspruch an die Musik damals schon derselbe wie heute?
Der hat sich schon ein bisschen geändert. Vielleicht auch durch meine lange Pause, aber wahrscheinlich eher, weil ich einfach älter geworden bin. Damals war mein Anspruch, alles so direkt wie möglich auszukotzen. Im Moment hab ich eher Lust, auch ein paar Geschichten einzubringen, die nicht meine sind, ein bisschen Distanz aufzubauen. Ich will einfach mal andere Dinge ausprobieren.