Sebastian Schack begegnete einem echten Phänomen der derzeit an Phänomenen nicht armen Podcast-Szene: Radio Nukular. Sie präsentieren einen Podcast, in dem drei Männer sich in den Kampf gegen das Vergessen der Kindheit stürzen. Live sind sie am 7. Oktober auch im MAX NACHTTHEATER in Kiel zu sehen.
Die drei Protagonisten, Christian Gürnth (Gameswelt.TV), Dominik Hammes (MedienKuH) und Max Nachtsheim (a.k.a. Rockstah) haben sich innerhalb kürzester Zeit eine derart große und treue Fangemeinde aufgebaut, dass es sich für das Podcast-Projekt lohnt auf eine Live-Tour zu gehen. 2016 passiert das sogar schon zum zweiten Mal. Nach der erfolgreichen Erstauflage 2015 führt die „Zurückgespult“-Tour die drei dieses Mal durch 14 deutsche Städte von Kiel bis München, von Frankfurt am Main bis Leipzig. Los geht's bereits am 29. September. Das Finale steigt am 20. Oktober in Leipzig. Für viele Veranstaltungsorte gibt es noch Restkarten, der Touraufakt in Köln ist allerdings ausverkauft. Erweitert wird das Bühnenprogramm um Aftershow-Partys nach den Auftritten in Köln, München, Berlin und Hamburg, wo Rockstah gemeinsam mit Larissa Rieß und Nanoo auftreten wird.
Für alle, die Radio Nukular bislang noch nicht kennen, haben wir uns mit Christian Gürnth von Radio Nukular zum Interview verabredet.
KIELerLEBEN: Radio Nukular ist der Kampf dreier Männer gegen das Vergessen der Kindheit. Das kann alles und nichts bedeuten. Was bedeutet Radio Nukular für dich?
Christian Gürnth: Persönlich: Radio Nukular ist für mich mittlerweile nicht mehr aus meinem Leben wegzudenken. Was will ich mir auch mehr wünschen? Menschen mögen uns dafür, dass wir sind, wie wir sind - ein bisschen verplant, ein bisschen witzig, ein bisschen rüde aber immer mit offenem Herzen bei dem besprochenen Thema. Radio Nukular bedeutet aber auch extrem viel Arbeit, da wir von Beginn an gesagt haben, dass wir, wenn wir das Thema Radio Nukular angehen, versuchen das Ganze auf ein hohes Level zu hieven, sei es inhaltlich oder technisch. Natürlich ist das auch mit mehr Zeitaufwand möglich, in Sachen Umfang und Umfeld, zum Beispiel durch weitere dazugekommene Podcasts.
Radio Nukular ist für mich nicht groß anders als für viele unserer Hörer: Es sind die paar Stunden im Monat in denen man sich in seine Jugend reinversetzt, anderen „Dullis“ dabei zuhört wie sie groß geworden sind und Parallelen zu Geschichten erkennt, die man selbst so erlebt hat.
Es klingt abgedroschen in Zeiten, in denen jeder noch so kleine Youtuber oder „Künstler“ seine Zuschauer als Fans betitelt und versucht sich selbst als Marke zu profilieren, aber ich glaube fest daran und bin stolz drauf, dass wir mit Radio Nukular einen Anlaufpunkt für Leute geschaffen haben, die zu 99,98 Prozent „cool“ sind. Also nicht „cool cool“ sondern cool nach unserer Definition.
Wie habt ihr drei, auf den ersten Blick recht unterschiedliche Charaktere zusammengefunden?
So extrem unterschiedlich sind wir gar nicht, was man in vielen Casts dann auch merkt. Klar haben wir alle andere Lebenswege bestritten, aber jeder von uns musste mit „Ablehnung von der Norm“ klarkommen. Max und ich kennen uns schon was länger, ich habe ihn aufgrund seiner Musik angeschrieben, als ich noch in der Leitung von MTV Game One aktiv war. Damals entstanden die ersten Ideen für eine sehr anachronistisch-anarchische TV-Show, die irgendwann ja vielleicht das Licht der Welt erblickt. Dominik kannte ich übers Netz und seinen Podcast Medien-Kuh, bei dem er und Max dann irgendwann einmal eine Folge „Alte Männer nerden rum“ aufgenommen haben. Quasi den „Prototypen“ von Radio Nukular.
Dann ging das Alles recht flott: Idee entstand, Logo und Intro wurden gebaut. Webseite, Social-Media, Patreon und Co. eingerichtet – dann wurde die erste Folge, Ghostbusters, eingetütet. Seitdem wächst und gedeiht das Baby.
Mit Blick auf nun schon 45 Episoden mit einer geschätzten Spieldauer von über 150 Stunden: Hast du eine Liebingsepisode? Und falls nicht: Welche Episode sollten Neu-Einsteiger zuerst hören?
Das zu definieren ist schwer: Die Mehrheit würde an dieser Stelle sicherlich den „Großen Mädchenpodcast“, „Irrationale Ängste“ oder „Zivi-Cast“ als Lieblingscast empfehlen. Diese, so wie alle anderen Anekdoten-Podcasts, sind wahrscheinlich die Casts, die ich zum Reinhören empfehlen würde.
Mein liebster Podcast ist allerdings der zu den Turtles, einfach weil ich alles daran liebe. Das Team war mittlerweile gut eingespielt, die Infos stimmen, der Redeanteil ist recht gleichmäßig verteilt, das Cover ist geil und – oh Gott – wir hatten Frank Zander als Gast, die Stimme des Turtles-Intros. Zudem haben wir im Nachhinein ein Interview mit Kevin Eastman, einem der beiden Turtles-Erfinder, geführt.
Wie entscheidet ihr, worüber ihr Episoden aufnehmt? Herrscht Basis-Demokratie, gibt es eine Veto-Regelung?
Da wir drei Leute sind, ist eigentlich jede Entscheidung recht gut zu fällen. Stimmen zwei Jungs dafür, dann wird es gemacht – es sei denn, der Dritte zieht seine „Definitiv-Nicht-Karte“, was so bisher nicht vorgekommen ist. Die Themen ergeben sich ja oftmals aus dem Tagesgeschäft: Der SNES wird 100 Jahre alt? Podcast dazu! Bud Spencer stirbt? Podcast! Allgemeinere Ideen wie eben der Zivicast oder das Thema Urlaub werden dann auch im Kollektiv entschieden.
Und bei welchem Thema würdest du auf jeden Fall ein Veto einlegen?
Ich glaube, es gibt kein Thema wo ich ein Veto einlegen würde. Das ist ja das Tolle an unserer im Podcast vorgelebten Transparenz. Max und Dominik wollen unbedingt über Drogen sprechen – fernab davon, dass beide keine Erfahrungen damit haben, aber stellen wir uns die Situation einfach vor. Ist doch cool für mich! Dann erzähle ich im Podcast, wie scheiße ich Drogen finde. Kann ich machen, also brauche ich kein Veto. Das ist auch die Grundidee des Ganzen: Wenn man mal keine Ahnung hat oder keine Zeit, etwas vorzubereiten, dann ist das nunmal so. Niemand kann Alles wissen, aber jeder kann sich irgendwie einbringen. Dominik hat nie ein Resident Evil gespielt oder beendet, so musste er in der Vorbereitung eben alle Filme gucken.
Im letzten Jahr wart ihr das erste Mal auf Tour. Was hast du vorher erwartet und wie hat sich deine Erwartung von dem unterschieden, was wirklich passiert ist?
Die Tour 2015 war eigentlich eine Schnapsidee: Wir haben Irgendwann im Cast erwähnt, dass man ja auch durch Deutschland reisen und live spielen könnte. Die Idee mochten die Leute, was uns unter Zugzwang stellte. Also haben wir uns mit den Jungs und Mädels von Landstreicher Booking zusammengetan, die normalerweise Bands wir KIZ oder Casper unter ihren Fettfingern haben, und eine kleine Tour zusammengestellt. Es sollten fünf Auftritte in fünf Städten sein, zu je ungefähr 100 Leuten. Am Tag des Verkaufsstarts war dann innerhalb von Minuten das gesamte Kontingent an Tickets weg. In München, Berlin und Hamburg wurden wir mehrfach in größere Hallen gelegt – in Köln und Frankfurt war das leider nicht möglich – , was dazu führte, dass wir am Ende eine ausverkaufte Tour mit sechs Auftritten in fünf Städten gespielt haben und insgesamt über 2000 Leute die Tour besuchten. Damit hat natürlich niemand von uns gerechnet. Wenn du dann vor 700 Leuten in Hamburg stehst und quasi „Impro-Comedy“ machst, geht das auch sehr an die körperliche und geistige Substanz. Aber scheinbar hat es ja so viel Spaß gemacht, dass wir es nun 2016 wiederholen. Und erneut haben wir unsere Freunde im Gepäck - als „Mercher“, für das Bühnenbild oder als Tourmanagement. Radio Nukular live ist quasi eine Familientour.
Mehr zu der Tour und dumme Geschichten, beispielsweise wie Max und ich die Tour 2015 einen Tag vorher gerne abgesagt hätten, gibt es im Tourpodcast, wo wir – Überraschung! – über die Tour reden.
Was erwartet die Besucher der Show? Oder anders gefragt: Warum sollte ich mir ein Ticket kaufen?
2015 dachten wir, wir gehen auf die Bühne und reden über Dinge, wie eben im Podcast. Das war auch noch 10 Sekunden nachdem wir die Bühne betreten haben der Plan. Doch dann wurde uns recht flott bewusst, dass wir da nicht nur in einem Live-Podcast stecken sondern irgendwie in einer Improvisations-Comedy-Show, was absurd war, weil wir nie darüber nachgedacht haben, was passiert wenn wir eben nicht normal als Podcast unterwegs sind. Nukular ist live ungefähr zu 50 bis 80 Prozent „Impro-Comedy“, auf der Tour noch mehr als zuletzt. Das bedeutet also, dass sich keiner der Tourstopps gleichen wird, was zwar viel Arbeit aber auch viel Spaß bedeutet.
Warst du vorher schon mal in Kiel? Verbindet dich irgendetwas mit der Stadt? Und falls nicht: Habt ihr die Chance, euch Kiel etwas anzuschauen oder werdet ihr nicht viel mehr als den Parkplatz des MAX NACHTTHEATERs und den McDonald’s gegenüber sehen?
Ich war selbst noch nie in Kiel, habe aber in Hamburg gelebt und wollte Kiel unbedingt besuchen. Zählt das? Leider ist das Tourleben nicht ganz so romantisch, wie man es sich wünscht - man ist zu 90 Prozent im Auto, baut seinen Kram auf und ab und sitzt rum weil man auf Abruf Kram erledigen muss, der einem vom Tourmanager aufgedrückt wird, den man dafür bezahlt, dass er einen anschnauzt. Komisch irgendwie. Jedenfalls wird man, außerhalb der Auftritten, vor oder nach denen man den Tag frei hat, nicht viel von den Städten sehen.
Das Interview führte Sebastian Schack.
Tipp: Wir verlosen 2 x 2 Gästelistenplätze für den Auftritt in Kiel. (Das Gewinnspiel ist beendet.)