Ob Denkwerkstatt, Platz für Pragmatiker oder Künstlerschmiede – in Kiel findet sich für die verschiedensten Persönlichkeiten der richtige Hörsaal. Wir möchten drei ganz unterschiedliche Studenten und somit die staatlichen Hochschulen Kiels vorstellen
„Empathie kann man eben lernen!“
Nora (26): Fachhochschule Kiel
„Für mich ging es schon immer um den gemeinschaftlichen Aspekt“, beginnt Nora mit einer Ruhe in der Stimme zu erzählen, die wie ein Kontrast zu ihren energiegeladenen Augen und ihrer farbenfrohen Erscheinung wirkt. Ihre Menschennähe prägte sich schon damals mit ihrem Engagement im Wildtierheim und auf Jugendfreizeiten aus, die ersten Babysitting-Jobs taten ihr Übriges. Als ihre Mutter sich beruflich umorientierte und eine Erzieherausbildung begann, wuchs in Nora der Gedanke, dass ihr Gemeinschaftssinn vielleicht nicht nur ihr Privatleben gestalten, sondern auch eine Grundlage für ihren beruflichen Werdegang bilden könnte. 2010 entschied sich die damals 19-Jährige daher für ein Soziales Jahr bei der Lebenshilfe Schleswig-Holstein. Der Arbeit mit behinderten Jugendlichen zugeteilt, lernte Nora schnell, Berührungsängste abzubauen und somit einen neuen, verständnisvolleren Blick auf ihre Mitmenschen kennen. Vor allem aber erkannte sie, was für eine Funktion sie in der sozialen Branche für andere Menschen haben könnte: im Alltag zu begleiten, um Selbstwirksamkeit zu lehren. Um sich bei dieser Unterstützung auf fundiertes Wissen berufen zu können, entschied sie sich für eine Erzieherausbildung. Diese ermöglichte ihr im Anschluss einen nahtlosen Übergang in das Studium an der Fachhochschule Kiel. Und nicht nur in den bisher vier Semestern Soziale Arbeit, sondern auch in parallelen Jobs in der Ferien- und Hausaufgabenbetreuung suchte sich die 26-Jährige Erfahrungsmomente, um sich selbst weiter zu schulen. „Inzwischen psychologisiere ich nahezu jede Alltagssituation, ich möchte stets hinter Verhaltensweisen die Hintergründe erkennen“, erklärt Nora, während sich unter ihrem bunten Septum ein ansteckendes Lächeln formt, „Empathie kann man eben lernen“.
„Was den wahren Innovationswert ausmacht, ist, die Dinge neu zu denken“
David (24): Muthesius Kunsthochschule
David ist kein freier Künstler. Klar, kreative Ideen hat er viele. Doch diese entstehen nicht aus der typisch chaotisch kreativen Inspiration heraus, sondern aus dem Bedürfnis, Dinge, Sachverhalte und Strukturen technisch zu begreifen und aufzubrechen. „Im Design geht es nicht darum, etwas zu verbessern. Was den wahren Innovationswert ausmacht, ist, die Dinge neu zu denken“, erklärt der gebürtige Hamburger. Schon als Schüler entdeckte er neben seiner Begeisterung für Künste wie Landschaftsfotografie oder Zeichnen auch seine Faszination für Naturwissenschaften und Technik. Selbst beim Kampfsport am Nachmittag galt Davids Aufmerksamkeit der Analyse von Abläufen, das Training begriff er als „Schach mit dem Körper“. Auf der Suche nach einem Studiengang, der seine unterschiedlichen Interessen vereinen konnte, richtete sich Davids Augenmerk auf Industriedesign. Nach einem aufwendigen Mappenkurs und dem folgenden Bewerbungsverfahren wurde er in Darmstadt sowie in Kiel angenommen. Begeisterung über die hochmoderne Ausstattung und den kreativen Austausch in der 24-Stunden-Werkstatt der Muthesius Kunsthochschule ließen die Wahl auf die Stadt im Norden fallen. Nach unzähligen Stunden an Zeichentisch und Computer, Drahtseilakten am Schleifgerät und Nachtschichten am 3D-Drucker vollendete der 24-Jährige dann in diesem Jahr seinen Bachelor. „Vor der Immatrikulation war ich wirklich kein Handwerker. Plötzlich fand ich mich in Arbeitssemestern an der Werkbank beim Basteln von Longboards oder Möbelstücken wieder“, erzählt David, wie sein Studium ihn veränderte. Und nicht nur sein handwerkliches, auch sein technisches Interesse prägte sich hier weiter aus. Die Kombination bildete die Grundlage für die nächste Zukunftsentscheidung des Pragmatikers: ein Masterstudium im Bereich Medical Design. „Diese streng technische Gestaltung von medizinischen Geräten und Medikamenten ist für mich genau das richtige. Außerdem bedeutet es noch einige Semester an der Muthesius, und ich studiere hier wahnsinnig gerne.“
„Ich solle bloß kein Lehrer werden, haben sie gesagt“
Jascha (24): Christian-Albrechts-Universität zu Kiel
„Ich solle bloß kein Lehrer werden, haben sie alle gesagt“, erzählt der Sohn eines Pädagogen grinsend, „aber ich wusste trotzdem: das ist mein Beruf.“ Einen großen Teil dieser Gewissheit las Jascha sicher aus den Werken von Shakespeare und Edgar Allan Poe heraus, die sich im Laufe des Lehramtsstudiums den Musiker-Biografien im heimischen Bücherregal anreihten. Dass die Analyse jahrhundertealter Texte noch heute einen so enormen Einfluss auf die eigene Persönlichkeitsentwicklung haben kann, fasziniert den gebürtigen Eutiner besonders. Diese selbstkritische Art zu lesen nennt er „die Kunst, sich zu wundern“ – um dann darüber zu lachen, wie offensichtlich der Englisch- und Philosophiestudent aus ihm spricht. Sein drittes Fach ist die Musik. Schon als Schüler ging Jascha in dieser Kunst besonders auf. Aus den lebendigen Erinnerungen an die Musik-AG und späteren Banderfahrungen als Sänger und Gitarrist wuchs der Wunsch, diese Leidenschaft später einmal mit seinen Schülern zu teilen. Ein Freiwilliges Soziales Jahr, das er 2012 in einer Behinderteneinrichtung absolvierte, forcierte dieses Bedürfnis noch. Denn in der Arbeit direkt am Menschen erkannte Jascha, was für ihn den Wert der Didaktik ausmacht: das eigene Wissen durch die Weitergabe an andere zu festigen. Vor zwei Jahren konnte er in dieser Funktion dann endlich aufgehen, als er neben seinem Studium eine Stelle als Vertretungslehrer annahm. „Man macht sich im Studium so viel Druck, dabei erlernt man hier nur partiell das Handwerkszeug. Die bedeutende Erfahrung ist die Praxis“, lässt der Student die vergangenen Semester an der Christian-Albrechts-Universität Revue passieren. Schließlich merke so mancher erst im Klassenzimmer, nicht in die Rolle des Pädagogen zu passen. Jascha fühlt sich nicht nur zwischen Tafel und Pult richtig wohl – mit der Gitarre in der Hand wurde dort für ihn sogar ein Traum wahr, als er im Mai dieses Jahres die Leitung der Schulband übernehmen durfte.
Fachhochschule Kiel
University of Applied Sciences
Sokratesplatz 1, Kiel
www.fh-kiel.de
Muthesius Kunsthochschule
Legienstr. 35, Kiel
www.muthesius-kunsthochschule.de
Christian-Albrechts-Universität zu Kiel
Christian-Albrechts-Platz 4, Kiel
www.uni-kiel.de