„Wieso hängt hier eine Kuh?“, dachten sich viele Kielerinnen und Kieler, die am Freitag den Vorplatz des Kieler Hauptbahnhof kreuzten. Verantwortlich war die Organisation „Vier Pfoten“, die ihre Kritik im Rahmen der Agrarministerkonferenz an Cem Özdemir (BÜNDNIS 90/Die Grünen) richtete, der vor Ort Rede und Antwort stand.
„Cem Özdemir, verhindern Sie solche Tiertransporte!“, stand auf dem riesigen Banner vor dem Kieler Hauptbahnhof. Darauf zu sehen war eine Kuh, an einer ihrer Hufe festgezurrt und mit einem Kran von Bord gehievt wurde. Eine Szene, die nicht nur für ein rund 800 Kilo schweres Nutztier Stress, Aufregung und Schmerzen verursacht, sondern auch bei der Organisation Vier Pfoten, welche für das Banner verantwortlich war. Keine Fotomontage und kein von der Künstlichen Intelligenz generiertes Bild, sondern die bittere Realität vor der nordafrikanischen Küste im Jahr 2021. Damals war ein Transportschiff unterwegs von Spanien nach Nordafrika, welches jedoch wegen fehlender Genehmigungen nicht anlegen durfte und drei Monate vor ankerte – rund 2600 Tiere verendeten dabei qualvoll.
Was fordert Vier Pfoten?
Damit sich solche Ereignisse nicht wiederholen, bedarf es grundlegender Veränderungen auf politischer Ebene. Praktisch, dass sich die das Who-is-Who der deutschen Agrarpolitik gerade in Kiel traf, um agrarpolitische Themen und Gesetzesvorhaben zu diskutieren. Eines davon: das Tierschutzgesetz zum Verbot von Lebendtiertransporte in Drittländer. Das EU-Recht verhindere ein solches Verbot aktuell noch. Als Bundeslandwirtschaftsminister engagiert sich Özdemir für eine Änderung und äußerte seine Absichten gegenüber dem Vier Pfoten in Kiel. „Ich finde ihren Protest total gut und unterstütze eine solche Idee“, sagte der Grünen-Politiker. „Der Dialog ist gut, wir wollen, dass die Bundesregierung diese Transporte stoppt“, sagte Rüdiger Jürgensen, Mitglied der Geschäftsführung von Vier Pfoten. Ob sich ein generelles Verbot umsetzen lässt, bleib fraglich. Ein Generalverbot fordert selbst Tierschutzorganisation nicht – zumindest laut eigenem „048-Plan“.
Was sind die 048-Forderungen?
Diese und weitere Forderungen händigten die protestierenden Mitglieder von Vier Pfoten dem Bundesminister während eines kurzen Dialoges vor dem Kieler Hauptbahnhof aus. Sie sehen vor, dass
• 0 abgesetzte Jungtiere die noch Milch trinken von ihren Müttern getrennt werden
• 4 Stunden für alle Tiertransporte durch Deutschland für alle Fahrzeiten eingehalten werden
• 8 Stunden maximale Transportzeit in Drittländer eingehalten werden
In der Mitteilung an den Bundesrat spricht das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) dafür aus, Tiertransporte strenger zu regulieren. Es bevorzugt jedoch eine europäische Lösung, indem die EU-Tierschutz-Transportverordnung überarbeitet wird. Derzeit beginnt gemäß den bestehenden Vorschriften ein neuer Transport, wenn der laufende Transport für 48 Stunden unterbrochen wird. Dadurch kann in Deutschland die direkte Abfertigung von Tiertransporten in Drittstaaten verhindert werden. Es bleibt jedoch möglich, diese Blockade durch die Endabfertigung in einem anderen EU-Mitgliedstaat zu umgehen.
Darüber hinaus steht ein generelles Transportverbot im Widerspruch zur grundlegenden Freiheit des Warenexports innerhalb der EU. Diese Freiheit darf nicht unangemessen eingeschränkt werden, und es muss der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit eingehalten werden. Willkürliche oder ungerechtfertigte Diskriminierungen dürfen nicht auftreten. Das BMEL hat erhebliche Bedenken, dass nationale Ausfuhrverbote ausreichend sind, um den Tierschutz zu gewährleisten.
Tiertransporte aus Deutschland ins nicht-europäische Ausland sind problematisch aus mehreren Gründen:
1. Lange Transportwege und schlechte Bedingungen: Die Transporte in nicht-europäische Länder können sehr lange dauern, wodurch die Tiere extremen Belastungen ausgesetzt sind. Die Bedingungen während des Transports sind oft unzureichend, was zu Stress, Verletzungen und sogar dem Tod der Tiere führen kann.
2. Tierwohlstandards: Die Tierwohlstandards in einigen nicht-europäischen Ländern können niedriger sein als in der Europäischen Union. Die Tiere können während des Transports und in den Zielländern schlecht behandelt werden, da es möglicherweise keine oder nur unzureichende Gesetze und Kontrollen zum Schutz der Tiere gibt.
3. Gesundheitsrisiken: Lange Transportwege können Gesundheitsrisiken für die transportierten Tiere darstellen. Es besteht die Gefahr der Ausbreitung von Krankheiten während des Transports und nach Ankunft im Zielland, was sowohl für die Tiere als auch für die landwirtschaftliche Industrie des Empfangslandes problematisch sein kann.
4., Umweltauswirkungen: Lange Tiertransporte bedeuten längere Strecken und damit höheren Treibstoffverbrauch, was zu einem größeren ökologischen Fußabdruck führt. Dies steht im Widerspruch zu Bemühungen um Nachhaltigkeit und Umweltschutz.
5. Ethische Bedenken: Es gibt ethische Bedenken hinsichtlich des Transportes von lebenden Tieren über große Entfernungen, insbesondere wenn die Bedingungen während des Transports unzureichend sind und das Wohl der Tiere nicht ausreichend berücksichtigt wird.
6. Logistische Herausforderungen und Kosten: Lange Transportwege bedeuten logistische Herausforderungen, höhere Kosten für Futter, Wasser, Sicherheit und Gesundheitsvorsorge der Tiere während des Transports. Diese zusätzlichen Belastungen können zu einer schlechten Versorgung der Tiere führen.