Lebensmittelüberschuss auf der einen Seite, Bedürftigkeit auf der anderen – die Institution Tafel e.V. will diesem Missstand entgegenwirken. KIELerLEBEN-Redakteurin Dana Wengert hat die ehrenamtlichen Helfer der Kieler Tafel einen Tag lang begleitet.
7 Uhr morgens: Am Schwedendamm ist bereits reger Betrieb. Eine Gruppe aus Männern und Frauen belädt drei große Transporter mit leeren Kisten. Auf der Tür der Transporter steht: Wir helfen! – Kieler Tafel. Tagtäglich werden in Deutschland Übermengen an Lebensmitteln produziert – viel mehr als der tatsächliche Bedarf. Tonnen an einwandfreier Nahrung wandern in den Müll, für Produkte vom Vortag wollen die wenigsten Geld ausgeben. Auf der anderen Seite stehen immer mehr Menschen, denen bereits das Überlebensnotwendigste fehlt, die Hunger leiden. Durch gekonnte Organisation und beherztes Mithelfen von ehrenamtlichen Mitarbeitern versorgt die Tafel e.V. in Deutschland und in vielen Ländern Europas diese Menschen mit Nahrung.
7.15 Uhr: Ich steige zu den „Taflern“ Horst und Hannes in den Transporter. Ein vorgefertigter Plan zeigt uns die Abholstationen, wo hilfsbereite Firmen ihre überschüssigen Lebensmittel für uns bereitstellen, statt sie in den Müll zu werfen. Horst, seit fünf Jahren ehrenamtlich dabei, erklärt: „Toll, dass die Firmen uns helfen. Leider ist es insgesamt immer noch zu wenig, vielen ist der Arbeitsaufwand zu groß.“ Der 59-Jährige hat sich für die ehrenamtliche Arbeit entschieden, nachdem er arbeitslos geworden war. Insgesamt unterstützen 180 ehrenamtliche Mitarbeiter die Kieler Tafel und etwa 60 Unternehmen aus verschiedensten Bereichen beteiligen sich mit Lebensmitteln. Hannes, Horsts Mitfahrer an diesem Morgen, ist seit Januar dabei.
8.30 Uhr: Als wir ins Depot am Schwedendamm zurückkommen, hat sich die Sortierhalle schon mit Kisten von allerlei Inhalt gefüllt. Luise Jakoby, Betriebsleiterin und gute Seele der Kieler Tafel, zeigt mir die einzelnen Stationen. Hygiene und Ordnung werden hier großgeschrieben, denn auch die gemeinnützige Organisation unterliegt strengen Auflagen des Gesundheitsamtes. Die Mitarbeiter kontrollieren zunächst den Zustand der Ware und sortieren sie dann nach Gruppen ordentlich in die Körbe, die später zu den Ausgabestellen gebracht werden.
Neben den sechs Ausgabestellen in Mettenhof, Kronshagen, Friedrichsort, Elmschenhagen, Wellingdorf und Flintbek, die jeweils an einem Tag in der Woche Lebensmittel ausgeben, gibt es in Gaarden den TafelLaden, die größte Einrichtung, die an vier Wochentagen geöffnet hat. Er befindet sich in St. Matthäus, der ersten Sozialkirche Deutschlands. Aus dem ganz normalen Gotteshaus ist vor zwei Jahren durch Kooperation der Kirchengemeinde Gaarden mit der Ev. Stadtmission und der Kieler Tafel ein lebendiges soziales Zentrum entstanden. Neben dem Laden wurde eine Cafeteria eingerichtet, ein Aufenthaltsraum und eine Spielecke. Die Bedürftigen finden hier eine Begegnungsstätte. So steht für die meisten längst nicht nur die Nahrungsausgabe im Vordergrund: Hier treffen sich Freunde. Die Kieler Tafel ist konfessionsunabhängig und ein gemeinnütziger Verein.
9:15 Uhr: Der TafelLaden ist unsere nächste Station. Nachdem wir im Depot die zur Verfügung stehende Menge Lebensmittel in den Transporter geladen haben, geht es weiter in die Stoschstraße. Vor Ort werden die Kisten sogleich ausgeladen und in die Regale im Laden eingeräumt. Manfred Haß packt beherzt mit an. „Ich mache das, weil ich weiß, dass es bei den Menschen ankommt“, erklärt der 63-Jährige. „Ich möchte das weitergeben, was ich im Leben genug hatte – Glück und Erfolg.“ Vor der ehemaligen Kirche und im Aufenthaltsraum warten schon die ersten Kunden auf die Ladenöffnung um 10 Uhr, Wartenummern und Losverfahren sorgen für Gerechtigkeit.
Die Kunden des TafelLadens müssen bei ihrem ersten Besuch mit einem Einkommensnachweis ihre Bedürftigkeit nachweisen und erhalten dann einen Kundenausweis. Barbara Kotte, Vorstandsmitglied der Kieler Tafel, erklärt: „Das ist für uns wichtig zur Kontrolle. Jeder Kunde darf ein Mal pro Woche bei uns Lebensmittel holen. Pro Einkauf zahlen die Kunden 1 Euro. Wie viel sie bekommen, richtet sich nach der Haushaltsgröße und den zur Verfügung stehenden Lebensmitteln.“
9:45 Uhr: Jetzt mache ich selbst im Tafel-Team mit. Mein Aufgabenbereich ist die Ausgabe von Obst – Äpfel und Zitronen sind reichlich da, bei den anderen Sorten muss ich abwägen, je nach Größe der Familie. Wie schwer das ist, merke ich schnell. Viele reagieren verständnisvoll, wenn ich ihnen sage, dass einfach nicht genug Ware da ist, andere sind da egoistischer. Die Mitarbeiter der Kieler Tafel kennen ihre Pappenheimer schon, bei mir versuchen sie es dann aber doch noch einmal. Die meisten reagieren aber sehr dankbar. Es ist ein schönes Gefühl, ihnen ein Lächeln auf das Gesicht zu zaubern. Als der Laden um 13 Uhr schließt, sind die Lebensmittel restlos verteilt, gerne hätte man noch mehr gegeben. Rund 2.350 Kieler Haushalte besuchen die sechs Ausgabestellen und den TafelLaden – Tendenz steigend.
Die Tafel finanziert sich ausschließlich durch Spenden, öffentliche Förderungen bekommt sie nicht. Und helfen kann man so einfach: Schon die kleinsten Spenden helfen Menschen in Not – nicht zuletzt dabei, sie ein kleines bisschen glücklicher zu machen. Eine tolle Möglichkeit, sich zu beteiligen und mit den Mitarbeitern in Kontakt zu treten, bietet sich am 4. Dezember von 8 bis 20 Uhr im CITTI-PARK. Dort findet wieder die alljährliche Weihnachts-Aktion statt: „Kaufen Sie heute ein Teil mehr für die Kunden der Kieler Tafel.“ Gerade zu Weihnachten ist das eine schöne Geste, wenn wir von unserer reich gedeckten Festtafel symbolisch ein kleines bisschen abgeben können.
Dana Wengert