Wie kann man auf ein Problem aufmerksam machen? Indem man es für den Betrachter greifbar macht. Doch wie bringt man das Aussterben von Tier- und Baumarten dem Besucher näher? Der Künstler Marcus Meyer hat sich dafür etwas Beeindruckendes einfallen lassen: HUMAN - NATURE - FUTURE
Wer die Pop-up-Galerie in der Schloßstraße 4 in Kiel betritt, entdeckt verschiedene Tierskulpturen aus Holz. Doch für seine Figuren hat der Künstler Marcus Meyer nicht irgendwelche Tier oder Hölzer ausgewählt. Es sind Tiere, die vom Aussterben bedroht sind und ebenso Holzarten, die nur noch ganz selten zu finden sind.
Im Eingangsbereich ist mir als erstes der große Glattrochen aus dem afrikanischen Holz Pao Rosa aufgefallen. Wie es der Name dieser Rasse schon vermuten lässt, ist auch der in der Galerie stehende Kumpane aus Holz besonders glatt und ich fühlte mich quasi gezwungen ihn zu streicheln. Doch dann verschwanden meine Finger auf der linken Flosse über eine Vertiefung in einem runden Loch in der Größe eines Tischtennisballes. "Was ist das?", fragte ich mich sofort und schaute mir den Glattrochen genauer an. Nicht nur die linke Flosse sah verletzt aus, in der rechten Flosse fehlte sogar ein erheblicher Teil. Dieser Rochen wäre nicht mehr schwimmfähig und würde sterben. Er steht repräsentativ für seine Art, die durch die Schleppnetzfischerei vom Aussterben bedroht ist. Die Wahl des Holzes soll das Bewusstsein für diese Problematik, nämlich das Aussterben vieler Tierarten, von der Fauna auch auf die Flora lenken. Denn was oftmals vergessen wird, ist die Tatsache, dass auch viele Holzarten, in diesem Fall wegen mangelnder Beschränkungen, immer seltener werden. Anfassen ist hier also erwünscht.
Mit seiner Ausstellung, die Marcus Meyer im Oktober erstmalig im Krebszentrum in der Feldstraße der Öffentlichkeit präsentierte, möchte er die Menschen zum Nachdenken anregen. Die Tiere sind dabei ein erster Kontakt, denn Tiere will man immer streicheln. Ich auch. Und deshalb streichelte ich nach anfänglichem Zögern, ausgelöst durch die in anderen Galerien geforderte Distanz zum Ausstellungsstück, einfach drauf los und entdeckte auch bei den anderen Tieren Wunden, wie Meyer die Einkerbungen und Löcher nennt. Ein kleiner Brillenpinguin aus südafrikanischem Satinholz beispielsweise hat eine große Einkerbung im Bauch und bei einem schwarzen Berggorilla aus Ebenholz fehlt nach den Vorderarmen der gesamte hintere Teil des Körpers. Mit ihrer scheinbar magischen Anziehungskraft stellen die Tiere einen ersten Kontakt her. Einen Kontakt zum Künstler und einen Kontakt zur Geschichte.
Wir müssen als Künstler unsere Stimme erheben und sagen, dass es so nicht weitergehen kann. (Marcus Meyer)
Unterstützung bekommt der Holzkünstler von seinem Freund und Kollegen Thomas Heweling, der Innenarchitekt und Bildhauer ist. Die beiden Männer lernten sich vor zwölf Jahren kennen, als Heweling auf der Walz war. Bei ihrem aktuellen Projekt profitieren Sie von den Kentnissen des jeweils anderen. Während Meyer das handwerkliche Wissen mitbringt, sorgt Heweling sowohl für die Inszenierung und Kommunikation nach Außen als auch dafür, dass das gesamte Projekt ethisch und moralisch vertretbar ist.
Wer sich an dieser Stelle fragt, wie man auf die seltsame Idee kommt, aus bedrohten Holzarten Figuren zu schnitzen, kann beruhigt sein. Marcus Meyer verwendet für seine Kunst nur kleine Mengen dieser besonderen Holzarten. Verglichen mit den riesigen Mengen, die heutzutage gerodet werden, ist das nur der sogenannte Tropfen auf dem heißen Stein. Aber auch ein kleiner Tropfen kann schon Wellen machen. Und genau das möchte Marcus Meyer mit seiner Kunst erreichen. Dass die Welle auf die Besucher überschwappt und sie zum Nachdenken anregt.
Die Ausstellung:
HUMAN - NATURE - FUTURE
Noch bis Ende Mai sind die verwundeten Tiere in der Schloßstraße 4 zu sehen.
Montags 10-12 Uhr
Freitags 10-19 Uhr
Samstags 10-14 Uhr
Meyer selbst wird Montags sowie Freitags nachmittags vor Ort sein und alle Fragen zum Thema, seiner Arbeit und zu den einzelnen Figuren beantworten.