Mit ihrem Berufsfindungsprojekt bieten die Wirtschaftsjunioren Kiel jedes Jahr über 1.000 Schülern eine wertvolle Entscheidungshilfe bei der Suche nach dem richtigen Ausbildungsplatz.
Dienstag, 8.20 Uhr, Regionalschule Altenholz. Es klingelt zur zweiten Stunde. Pünktlich betreten neun Schüler das schmale Klassenzimmer. Leises Flüstern, Stühlerücken und Jackengeraschel erfüllen den Raum, bis plötzlich ein bärtiger Mann in Polizeiuniform zur Tür hereinkommt. „Hallo allerseits!“, ruft er fröhlich und marschiert mit großen Schritten zur Tafel. Aufmerksam und ohne einen Mucks von sich zu geben, blicken die Jungen und Mädchen nach vorn.
Es ist kein gewöhnlicher Schultag. Die Wirtschaftsjunioren Kiel der IHK, ein Zusammenschluss aus jungen Unternehmern und Führungskräften aus der Fördestadt, sind heute mit einem ganz besonderen Berufsfindungsprojekt zu Gast. „Bereits seit über zehn Jahren besuchen wir von Januar bis März Schulen in Kiel und Umgebung, um den achten bis zehnten Klassen verschiedene Berufe vorzustellen“, erklärt Projektleiter und Wirtschaftsjunior Sven Möllemann. „So wollen wir den Schülern eine Entscheidungshilfe bieten und dem Azubi-Mangel in der Region entgegenwirken.“ Die Schüler dürfen vorab aus einer Liste auswählen, welchen von etwa 30 Berufen sie näher kennenlernen möchten. Darunter befinden sich bewusst Berufe mit zu dem Zeitpunkt noch offenen Lehrstellen im Norden.
Aufgeteilt in kleine Gruppen, erfahren die Schüler im Rahmen einer Unterrichtsstunde allerlei Wissenswertes über ihren Wunschjob. „Präsentiert werden die Berufe entweder von Firmeninhabern, Ausbildungsleitern oder Azubis“, sagt Möllemann. „Das macht das Ganze sehr authentisch und persönlich. Anders als ein Besuch im Berufsinformationszentrum.“ So auch in der Regionalschule Altenholz, wo heute fast 100 Schüler den Vorträgen lauschen. Unter anderem erzählt Thomas Varwig, Direktor des Hotel Kieler Yacht Club, was die Aufgaben von Hotel- und Restaurantfachleuten sind. Die beiden Lehrlinge bei der Förde Sparkasse, Jesper Mohr und Jorrit Schütt, erklären, wie ihre Ausbildung zum Bankkaufmann abläuft. Und Rainer Wetzel, Einstellungsberater der Polizeidirektion Neumünster, berichtet spannende Erlebnisse aus seinem Berufsalltag.
Inzwischen hat der bärtige Beamte seine Jacke abgelegt, sodass die Schüler seine Dienstwaffe am Gürtel entdecken. „Darf man als Polizist auch Angst haben?“, fragt die 17-jährige Kim Henningsen neugierig. „Natürlich“, antwortet der gestandene Polizist und fügt mit einem Augenzwinkern hinzu: „Man sollte in einer Gefahrensituation nur nicht als Erster wegrennen.“ Im Laufe der 45-minütigen Unterrichtsstunde gibt der 58-Jährige nicht nur hilfreiche Tipps für den Einstellungstest, er hat auch eine Broschüre mit interessanten Informationen rund um den Polizeiberuf in Schleswig-Holstein dabei. Außerdem lässt er seinen Dienstausweis in der Klasse herumgehen und verrät sogar, wie viel er verdient.
Zehn Regional- und Gemeinschaftsschulen haben Organisator Sven Möllemann und sein Team dieses Jahr besucht und rund 200 Vorträge vor über 1.000 Schülern gehalten. Das Ziel des Projekts: „Wir möchten die jungen Leute motivieren, zielgerichteter auf Ausbildungssuche zu gehen, und ihnen klar machen, wie wichtig eine gute, individuelle Bewerbung ist“, sagt er. Der schönste Lohn sei, wenn sich die Schüler im Nachhinein bei den vorgestellten Firmen bewerben.
Kurz bevor die Schulglocke das Ende der Stunde einläutet, fragt Rainer Wetzel: „Und, wer von euch wird sich jetzt bei der Polizei bewerben?“ Es schnellen ein paar Hände nach oben. Auch Kim Henningsen ist nicht abgeneigt. „Es war sehr interessant und informativ. Ich habe Sachen erfahren, die ich im Internet nicht gefunden habe“, sagt sie, nimmt die Visitenkarte des Polizeibeamten entgegen und lässt sie in ihrer Schultasche verschwinden.