Seit über 30 Jahren ist Kiel wieder Heimathafen einer Kogge. Was das Schiff so besonders macht, erklärten uns Hans-Peter Bielefeld und Bernd Lesny. Dabei ging es nicht nur um die historische Bedeutung, sondern auch um ein besonderes Örtchen.
Es herrscht geschäftiges Treiben auf dem Steg. Bärtige Männer rollen große Fässer heran, zornige Rufe schallen über das Wasser. Der Geruch von Fisch ist schon von Weitem kaum zu ignorieren. Ein bauchiges Holzschiff lieg fest vertäut am Ende der Pier. Eines nach dem anderen verschwinden die Fässer in dessen Laderaum. Was sich darin befindet? Vermutlich sind es Felle, Salz, Honig und Heringe, die sich auf den Handelsweg über das Meer begeben. So oder so ähnlich könnte es sich vor vielen Hundert Jahren in einer der Hansestädte zugetragen haben. Vielleicht sogar in Kiel. Die Stadt an der Förde war zumindest für kurze Zeit Teil der Hanse, wenn auch weniger bedeutend als beispielsweise Lübeck oder Rostock.
Seit 1995 bringt ein Schiff jedoch wieder Hanseflair in die Stadt. Die Kieler Hansekogge ist ein originalgetreuer Nachbau eines in Bremen gefundenen Schiffes und hat beim Sartorikai ihren Liegeplatz gefunden. Doch der Weg dahin war kein leichter.
Ein seltener Fund mit besonderem Wert
Die originale Kogge befand sich vermutlich gerade im Bau, als sie 1380 durch eine Sturmflut von ihrem Platz losgerissen und in die Weser getrieben wurde. Diverse Werkzeuge, ein Teerfass und ein Schuh befanden sich an Bord. Im Schlick konserviert verbrachte das Wrack, dessen Rumpf beinahe fertiggestellt war, fast 600 Jahre, bis 1962 die Erweiterung des Bremer Stadthafens begann. Die Reste der Kogge wurden in Einzelteilen geborgen, konserviert und rekonstruiert und sind heute noch im Schifffahrtsmuseum Bremerhaven zu sehen. Der Fund war für die Schiffsarchäologie von besonders großem Wert, denn bislang wusste man wenig über den Schiffstyp, der im Mittelalter überwiegend als Handelsschiff zum Transport von Waren genutzt wurde. Die Form war nur durch Stadtsiegel bekannt. Dank dieses ersten nachweisbaren Fundes eines fast vollständig erhaltenen Schiffes konnte die Wissenschaft nun Rückschlüsse ziehen auf die Bauweise und vieles mehr.
Auf den Spuren der Hanse
Um zu verstehen, wie dieser bauchige Schiffstyp früher gebaut und gesegelt wurde, setzte der langjährige Direktor des Deutschen Schifffahrtsmuseums in Bremerhaven, Wolf-Dieter Hoheisel, alle Hebel in Bewegung. 1987 begann ein Team auf der Kieler Rathje Werft zusammen mit über 80 Jugendlichen mit dem Nachbau. Der Verein „Jugend in Arbeit“ verfolgte das Ziel, langzeitarbeitslose Jugendliche wieder dem ersten Arbeitsmarkt zuzuführen.
„Die Triebfeder für das Projekt war die Wissenschaft. Unsere Kieler Hansekogge wurde puristisch und eins zu eins nachgebaut.“ (Bernd Lesny vom Förderverein Historische Hansekogge Kiel)
Während der gesamten Bauzeit wurde das Projekt von Universitäten der Materialwissenschaften, Historikern sowie vom Schifffahrtsmuseum in Bremerhaven begleitet. „Die Triebfeder für das Projekt war die Wissenschaft. Unsere Kieler Hansekogge wurde puristisch und eins zu eins nachgebaut“, sagt Bernd Lesny vom Förderverein Historische Hansekogge Kiel. Die Werftmitarbeitenden mussten zunächst lernen, die Eichenplanken zu biegen und Originalwerkzeuge nachbauen. Nach gut vier Jahren war die Kogge bereit für die ersten Forschungsfahrten. Das Ziel: die Fahrweise, Segeleigenschaften und Navigation im Mittelalter so authentisch wie möglich nachzuvollziehen. Bis nach Danzig verfolgte die Crew die alten Hanserouten mit der Kogge. Kein leichtes Unterfangen ohne Motor und mit nur einem Rahsegel, das den Wind von hinten braucht, weil das Schiff bei Wind von vorne nicht gegen ankreuzen kann. Nachdem die Untersuchungen abgeschlossen waren, wurden zwei Motoren eingebaut und der Förderverein erhielt das Schiff 1995 für 1 Deutsche Mark.
Die älteste ihrer Art
Eine Besonderheit hat die Hansekogge noch in petto: die älteste Schiffstoilette der Welt. Dieser Bereich war auf der Originalkogge bereits fertiggestellt und wurde natürlich im Nachbau integriert. „Die Toilette war auch gar nicht so unhygienisch. Sie funktionierte ähnlich wie heutige Toiletten im asiatischen Raum, die auf Toilettenpapier verzichten und stattdessen Wasser verwenden. Mit einem aufgespleißten Tampen hat sich die Besatzung nach dem Geschäft gesäubert und ihn anschließend wieder ins Salzwasser getaucht und sauber gemacht“, erklärt Bernd Lensy und lacht. Auch heute noch wird dieses urtümliche stille Örtchen genutzt. An Bord gibt es aber auch eine moderne Schiffstoilette mit Waschbecken. Perfekt für längere Touren.
Unterwegs mit Hanseflair
Das Schiff wird ehrenamtlich betrieben. Der Förderverein zählt aktuell circa 150 Mitglieder; 20 Koggianer*innen, wie sie sich selbst nennen, segeln aktiv und genießen das Hanseflair. Ihr könnt es ihnen gleichtun. Geht an Bord, wenn die Kogge ab dem 25. April an jedem letzten Dienstag im Monat zum After-Work-Törn ausläuft. Während der zweistündigen Fahrt könnt ihr beim Segelsetzen anpacken und anschließend ein Bierchen genießen. Möchtet ihr regelmäßig mitsegeln und euch für den Erhalt des Schiffes einsetzen? Der Verein freut sich immer über neue Mitglieder, die anpacken möchten. Genauso ist auch jede Spende willkommen, die dem Schiff und zum Beispiel der nächsten Reparatur der Planken zugutekommt. Infos zu weiteren Touren, wie ihr Mitglied werdet und den Verein unterstützen könnt, erfahrt ihr unter www.hansekogge.de.
Segel setzen mit der Hansekogge
Am ersten Aprilwochenende beginnt die Crew mit dem Entfernen der Winterplane und den Gerüsten und am 15. und 16. April soll aufgetakelt werden. Die erste Trainingsfahrt für neue Crewmitglieder findet am 22. und 23. April statt. PS: Neue Koggianer*innen sind jederzeit willkommen.
Die erste öffentliche After Work Fahrt findet am 25. April statt. Um 17.30 Uhr startet die Ausfahrt mit der Kogge und führt zwei Stunden lang über die Förde. Das Schiff findest du beim Sartorikai, direkt hinter dem Schifffahrtsmuseum. Erwachsene zahlen 20 Euro, Kinder die Hälfte. Tickets sind direkt an der Kogge ab einer Stunde vor Abfahrt erhältlich. Kühle Getränke gibts an Bord.