Früher stand Jan Rolfs als Fan auf der Tribüne – heute steuert er mit seiner Band, den „Denkedrans“ die Holstein-Hymne zu jedem Heimspiel bei.
In Boksee bleiben die Röhren der Gitarrenverstärker momentan kalt, keine Saiten schwingen und kein Strom versorgt die Anlage, aus der üblicherweise der „Holstein Kiel-Sound“ in die Welt hinaus dröhnt. Hier, in dem kleinen Dorf südlich von Kiel gelegen, studieren die „Denkedrans“ seit über 20 Jahren ihre Songs ein, die sie auf Fan-Treffen und offiziellen Feiern der Störche zum Besten geben. Zu besonderen Anlässen dürfen die Musiker auch schon einmal live im ausverkauften Holstein-Stadion ran, um vor der gefüllten Westtribüne zu spielen. Obwohl Konzerte aktuell nicht denkbar sind und die Spiele der KSV unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden, haben die Denkedrans bereits Ideen und arbeiten an neuem Material, welches sie hoffentlich bald präsentieren dürfen.
Musikalische Familienbande
Ihren Ursprung nahm die Geschichte von Holsteins Hausband bereits am Ende des letzten Jahrtausends. Nachdem Sänger Jan Rolfs mit 15 Jahren einen Volkshochschulkurs besuchte und so das Gitarre spielen erlernte, bedurfte es eines Schlagzeugers, um die ersten Rhythmen einzustudieren. Mit seinem damaligen Schwager in spe war dieser schnell gefunden. Weil sich die Nachbarn zu häufig über Ruhestörungen und lautes Trommeln beklagten, zog Andreas – der Bruder seiner damaligen Freundin (heute Frau) – samt Schlagzeug in die Scheune von Jan ein. Simon vervollständigte das musikalische Trio am Bass, welcher mit der Schwester von Jans Frau liiert ist. Wenig später stießen Matze und Martin als Freunde von Andreas zur Band – das Quintett war komplett. So sind die fünf Musiker nicht nur verschwägert und befreundet, sondern teilen auch ihre Leidenschaft für Punkrock, jene Stilrichtung, welche die Musik der Denkedrans prägen sollte.
Hymne für Holstein
Seit Anfang der 80er Jahre ist Jan Rolfs Feuer und Flamme für die KSV Holstein von 1900. Als kleiner Junge nahm ihn sein Vater damals mit zu einem Spiel der Störche. An die Partie erinnert sich Jan heute zwar nicht mehr so richtig, weil ihm der Stadionbesuch, die Stimmung und die Nähe zur KSV jedoch deutlich besser gefielen als jene des Rauten-Clubs von der Elbe, entschied sich der junge Jan schon früh für ein Fan-Dasein im Zeichen von von Blau-Weiß-Rot. „Damals war Holstein natürlich noch nicht so medienpräsent wie heute, für mich waren die Störche jedoch seit dem ersten Spiel meine Herzensmannschaft“, sagt der Denkedrans-Sänger.
„Nach dem ersten Holstein-Spiel ist die Stimmung dann gekippt.“
Dass der Band-Frontmann eines Tages den Song schreiben würde, welcher als Hymne vor jedem Heimspiel der Störche durch die Lautsprecher des Stadions ertönt und tausende Fans zum Mitsingen animieren sollte, hat sich Jan wohl nicht erträumen können. Nach dem Aufstieg in die 2. Bundesliga entstand gemeinsam mit dem befreundeten Fanclub „Supside“ 2017 die Idee zu einem Song, der jenseits von Schlagermelodien und altbackenen Liedern alla „Klaus & Klaus“. Ziel war es, einen modernen mitreißenden Song zu schreiben, der das Holstein-Gefühl auf die Ränge im Stadion transportiert.
Die zündende Idee für den Text entstand, als Songschreiber Jan einen abgesprühten Stromverteilerkasten sah: „KIEL EINE LIEBE“ war darauf in schwarzen Lettern zu lesen. Keine andere Stadt, keine andere Liebe, kein anderer Verein, sondern nur Holstein zählen für Jan, Andreas, Simon, Matze und Martin zu den wichtigsten Dingen im Leben. „Einen Song über Holstein zu schreiben ist ein bisschen wie ein Tagebucheintrag“, sagt Jan. „Ich beschreibe einfach, was ich sehe oder empfinde“. Eine Melodie für den Refrain hatte Jan bereits im Kopf und entstand die spätere Holstein-Hymne während nur einer Probe in der Bokseer Scheune.
Nicht der erste Holstein-Song
Dabei ist „Keine andere Stadt“ nicht der erste Song, welchen die Band der KSV Holstein seit ihrem Bestehen gewidmet hat. In der Saison 1998/99 spielten die Störche gemeinsam mit ihrem Erzrivalen, dem VfB Lübeck, in der gemeinsamen Regionalliga Nord. Besonders bitter für den VfB: am letzten Spieltag verpassten die Lübecker den Aufstieg bzw. die Relegation gegen den Vertreter der Regionalliga Nordost durch eine Niederlagen gegen Holstein Kiel. „Solange Holstein Lübeck schlägt“ ist der Song, der seinen Ursprung in der bitteren Niederlage der Lübecker hat. Als eine adäquate Hymne tauge das Lied allerdings schon deshalb nicht, weil es weniger ein Lobgesang auf die eigene Leistung sei, sondern weil es inhaltlich um das Versagen des Gegners gehe – einer Hymne also nicht würdig.
Zwischen Boney M und Annett Louisan
So richtig würdig erschien auch die Qualität der „Wohnzimmer-Aufnahme“ von „Keine andere Stadt“ nicht zu sein. Schließlich verdiene Holstein Kiel einen angemessenen Sound im Stadion. Wie gut, dass die KSV mit Radio Schleswig-Holstein (RSH) einen engen Kooperationspartner an der Seite hat und so mit einem echten Profi in Sachen Hörfunk und Audioaufnahmen eng zusammenarbeitet. Der Sender lud die Denkedrans ins Aufnahmestudio nach Hamburg ein, um den Song von dort aus professionell aufzunehmen und abzumischen. „Für uns Amateurmusiker war es natürlich etwas ganz Besonderes, neben den goldenen Schallplattem von Boney M oder Annett Louisan zu stehen und unseren Song aufnehmen zu dürfen“, sagt Jan. „Das war schon verrückt.“
Es sollte jedoch nicht das einzige Highlight der Bandgeschichte bleiben. Mit dem Jubiläumskonzert zum 20-jährigen Bandgeschehen, machten die Denkedrans nicht nur sich durch einen Konzertabend in der Kieler Räucherei 2019 ein besonderes Geschenk. Sie holten den im Rollstuhl sitzenden Cedric auf die Bühne, dessen Herzenswunsch es war, einmal am Schlagzeug der Denkedrans sitzen zu dürfen. Als er die erste Schläge auf die Snare setzte, fing das ganze Publikum im Sinne der Hymne an zu singen: „Das war ein echter Gänsehaut- und Holstein-Moment für die Ewigkeit“, sagt Jan. „Als Menschen verschieden, doch in der Sache vereint.“
Wenn ihr schon Fans der Denkedrans seid oder die Band unterstützen möchtet, schaut mal unter www.shirtee.com/de/store/denkedrans vorbei. Hier gibt es jede Menge Fan-Artikel der Band.