Die 50er Jahre haben es Peter-Michael Krohn angetan. In seinem Handpuppentheater entführt er die Zuschauer in die gute alte Zeit von Kasper und Co.Zu einer grauen Bundfaltenhose trägt der 24-jährige Peter-Michael Krohn einen klassischen schwarzen Baumwollpullover mit Rautenmuster. Darunter ein ordentliches Hemd. Sein braunes Haar ist mit reichlich glänzender Pomade zu einer kunstvollen Tolle drapiert. Sein Alltagslook – und das schon seit er 14 ist.
Seine Begeisterung für die 50er Jahre entstand im Wohnzimmer seiner Großmutter. „Als Junge habe ich es geliebt, in Omas Polstersessel zu sitzen und mir alte Filme mit Heinz Rühmann oder Heinz Erhardt anzusehen.“ Heute schwärmt der junge Mann für alles aus der Wirtschaftswunderzeit. Auf Flohmärkten stöbert er nach 50er-Jahre-Möbeln und nach Originalkleidung. „Früher hatte alles noch einen Wert“, erklärt Krohn. „Heute werden Dinge einfach weggeworfen und neu gekauft.“
Die Ideale von früher haben ihn auch dazu veranlasst, Ende letzten Jahres sein Handpuppentheater im Stil der 50er Jahre zu gründen. „Mein Ziel ist es, die Kinder vom Computer wegzubekommen“, sagt er. „Sie sollen etwas live erleben, auf den Kasper reagieren und mit ihm interagieren.“ Der Kasper ist eine der ältesten Bühnenfiguren. Schon im Mittelalter sorgte er für Faszination beim Publikum. In den 50ern entwickelte sich das Lehrtheater. Der Kasper wurde unter anderem für die Verkehrs- oder Brandschutzerziehung eingesetzt. Krohn berichtet: „Ich bin mit dem Puppenspiel groß geworden. Mein Vater ist bei der Kieler Feuerwehr und spielt seit fast 20 Jahren den Feuerwehrkasper.“
Schon in der Grundschule begann er, sich selbst eigene Stücke auszudenken und sie zusammen mit seinem Freund aufzuführen. Nach den Hausaufgaben wurde geprobt. Als Berufswunsch schrieb er „Puppenspieler oder Clown“ ins Poesiealbum. Wenn es zu Weihnachten keine neue Handpuppe gab, war er enttäuscht. „Mich hat von klein auf fasziniert, dass man als Zuschauer in eine andere Welt entführt wird. Die Puppen agieren wie Lebewesen.“ Auch die Technik und das Bühnenbild interessierten den jungen Mann. So unterstützte er ab 2004 seinen Vater bei seinen Auftritten mit dem Feuerwehrkasper.
Die mindestens ebenso große Faszination für Clowns bescherte Krohn 2006, nach seinem Realschulabschluss, einen Ausflug in die Zirkuswelt. Bei einem Tag der offenen Tür von Circus Roncalli lernte er den Direktor Bernhard Paul kennen, der in dem großen, schlaksigen Kieler mit der Elvis-Tolle und dem Talent zum Stimmenimitieren den perfekten Aushilfsclown sah. Schon ging es für ein Jahr auf große Tournee. „Danach wurde ich gefragt, ob ich bei Roncalli bleiben will“, erzählt Krohn, „aber mein Bauchgefühl hat mir gesagt, dass es besser ist, erst mal eine Ausbildung zu machen.“
Und die machte er als Bühnenplastiker im Kieler Opernhaus. „Es war mir wichtig, künstlerisch zu arbeiten.“ Beim Malen, Entwerfen und Modellieren vergaß er jedoch nie seine Liebe zum Puppenspiel – im Gegenteil. Zu Beginn der Ausbildung entstand die Idee des 50er-Jahre-Handpuppentheaters. Der gebürtige Kieler befasste sich intensiv mit dem Puppentheater der Wirtschaftswunderzeit. Besonders die Hohnsteiner Handspielgruppe aus der Sächsischen Schweiz begeisterte ihn wegen des pädagogischen Ansatzpunktes. Der Hohnsteiner Kasper löste seine Probleme nicht mit der Bratpfanne oder dem Prügel, sondern mit Humor und Einfallsreichtum.
Ein Puppenspieler muss auf die Zurufe der Kinder eingehen.
Heute dient der Kasper ausschließlich der Unterhaltung, und viele Menschen empfinden ihn als Kitsch. Krohn sagt: „Ich wollte wieder einen Kasper zum Leben erwecken, der den Kindern auf positive Art etwas beibringt.“ Also baute er, angelehnt an das Hohnsteiner Vorbild, seine eigene Puppentheaterbühne. 3.500 Euro seines Ausbildungsgehaltes, drei Jahre Arbeit und jede Menge Leidenschaft flossen in den großen Traum. „Ich habe von A bis Z alles selbst gemacht“, berichtet Krohn stolz. Doch nicht nur die Bühne, auch die Puppen sind reine Handarbeit. Bei der Anfertigung dienen ihm unter anderem Fotos von den 50er-Jahre-Figuren als Orientierung.
Zu Hause im Petersburger Weg beherbergt der kreative 24-Jährige inzwischen über 30 selbstgefertigte Puppen – mehrere Kasper-Figuren, Polizist, Räuber, Großmutter, Zauberer, Zirkusdirektor, König, Prinzessin und viele mehr. Sämtliches Zubehör, von der Bühnenbeleuchtung bis hin zu den Stoffen für die Puppengewänder, stammt original aus den 50er Jahren. „Als Scheinwerfer wurde damals eine bestimmte Schreibtischlampe benutzt“, erzählt Krohn. „Mit viel Glück konnte ich sie auf einem Flohmarkt in Berlin finden.“ Auch bei eBay und in Antiquitätenläden sucht er regelmäßig nach passenden Requisiten, die er liebevoll restauriert.
Kurz vor Weihnachten 2011 dann die Premiere seines ersten Stückes „Kasper und die Schlafmütze“ im Gemeindehaus der Michaelis-Kirche am Wulfsbrook. „Es war toll, wie die Kinder den Kasper angenommen haben. Das hat mir gezeigt, dass er zeitlos ist.“ Ein guter Puppenspieler versteht es laut Krohn, zu improvisieren. „Er muss auf die Zurufe der Kinder eingehen, sie ernst nehmen und an der Handlung beteiligen.“ Ein ausformuliertes Drehbuch gibt es bei Krohn nicht, nur einen roten Faden. Der Rest entsteht beim Spielen.
Hauptberuflich als Puppenspieler zu arbeiten, kommt aber momentan nicht in Frage. „Das Opernhaus hat mich nach der Ausbildung übernommen.“ Doch der 50er-Jahre-Fan investiert jede freie Minute in sein Puppentheater. Zurzeit schreibt er an einem neuen Stück für Kinder und sogar an einem Puppenkabarett für Erwachsene. Denn auch Erwachsene dürfen beim Puppentheater wieder Kinder sein und in eine faszinierende Welt eintauchen.
Kerstin Klostermann
Tom Kyle Puppentheater
Peter-Michael Krohn
Tel.: 01520/279 27 46
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