Voller Vertrauen in die psychische Kraft jedes Einzelnen unterstützt Samira Schüller trauernde Kinder nach dem Verlust eines geliebten Menschen.
Jeder Mensch trägt die Lösung seines Leidens bereits in sich, eingeschlossen wie in eine Tulpenzwiebel.“ Während Samira Schüller fortfährt, greift sie mit der einen Hand fest um die andere: „Ich möchte den Grund schaffen, auf dem diese Blume wachsen und aufblühen kann.“ Sie öffnet ihre Hände wie eine Blüte.
Vor neun Jahren begann die 39-Jährige in dem Verein Trauernde Kinder Schleswig-Holstein e. V. mitzuwirken, damals noch als Ehrenamtliche. Als pädagogische Leitung fungiert sie seit 2016, was primär die Koordination sowie Betreuung der Trauergruppen bedeutet. Jedes Kind, das sich entscheidet, die Geschichte seines Verlustes zu erzählen, beginnt damit bei Samira im persönlichen Erstgespräch.
Lange vor ihrem Studium der Sozialpädagogik und Sozialen Arbeit lernte sie, worauf es in diesem Moment ankommt: den Verstorbenen nicht auf sein Schicksal zu reduzieren. Als 13-Jährige stand Samira das erste Mal einem trauernden Menschen zur Seite, der Vater einer engen Freundin hatte sich das Leben genommen. Sichtlich betroffen berichtet die empathische Frau, wie das Umfeld plötzlich nur noch den Suizid thematisierte und der Zugang zu den Erinnerungen an den liebenden Vater nahezu gänzlich verloren schien: „Die positiven Gedanken an den Toten sollten parallel zu der Wut und Trauer über den Abschied bestehen dürfen.“ Um so bedeutende Erkenntnisse weiterzutragen und an richtiger Stelle unterstützend zu wirken, entschied sich Samira nach dem Studium für die Weiterbildung zur Trauerbegleiterin. „Ich würde gerne etwas von dem Guten, das auf dieser komplizierten Welt besteht, an meine Mitmenschen weitergeben“, erklärt sie.
Ihre Wärme und Herzlichkeit könnten ihr menschennahes Engagement selbstverständlich scheinen lassen, wäre da nicht diese Spur der Zurückhaltung in ihrer Art. Im Kontrast zu der Entscheidung, unmittelbar mit den Betroffenen zu arbeiten, sehen ihre Augen plötzlich auffällig schüchtern aus. „Tatsächlich würde ich mich eher als introvertiert bezeichnen“, gibt sie zu, „doch mit meiner Neugier macht mich dies zur guten Beobachterin.“ Und Samiras Blick auf ihr Gegenüber ist nicht nur besonders analytisch, sondern auch voller Hoffnung. Egal, wie verzweifelt die trauernden Kinder ihrer Gruppen sind, sie vertraut vollkommen auf ihre Autonomie und Resilienz.
Liegt ihr dennoch eines der bewegenden Schicksale zu schwer auf der Seele, weiß die Pädagogin damit umzugehen: Sie bewegt sich an der frischen Luft und geht mit ihrem Therapiebegleithund Lotte spazieren, der schon so manchem Trost gespendet hat. Als sie von dem besonderen Tier und der Natur als ihre Kraftquellen spricht, lächelt sie voller Lebensfreude: „Ich kann mich so intensiv mit dem Tod konfrontieren, weil ich fest in meinem Leben verankert bin. Ich lebe wahnsinnig gerne!“
Details zu der bewegenden Arbeit von Samira Schüller und dem Trauernde Kinder Schleswig-Holstein e. V. unter www.trauernde-kinder-sh.de.
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