Ralf „Humpel“ Henningsen ist im Holstein-Stadion fast so bekannt wie die Akteure auf dem Rasen selbst. Was viele nicht wissen: In der Brust des Malochers schlagen zwei Herzen.
Der Tag ist noch jung, wenn Ralf Henningsens Wecker klingelt – sehr jung. Um 5.00 Uhr steht der Maler wochentags auf, um seiner Arbeit nachzugehen. Der 56-Jährige ist beim Malerbetrieb Klaus Zitzke angestellt und pendelt aktuell von seiner Wohnung in der Kieler Innenstadt für einen Auftrag nach Schilksee. Besonders die Spachtelarbeiten beanspruchen Henningsens Rücken dabei. Ein Tennisarm ist keine Seltenheit.
Mit Holstein auf Tour
Wenn Ralf Henningsen, den Freunde, Bekannte und Gleichgesinnte des Fanclubs „Die Elite“ einfach nur Humpel nennen, nicht für seinen Job in aller Herrgottsfrühe aufsteht, dann für seine große Liebe – die KSV Holstein von 1900. Vergessen sind dann die Strapazen der Arbeitswoche. Mit dem Blick auf das Spieltagswochenende gerichtet, packt Humpel seine sieben Sachen zusammen, um seine Elf auch in der Ferne zu unterstützen. Wettbewerbsübergreifend hat der Hardcore-Fan 102 Spiele der KSV in Folge gesehen. Ob zu Zweitliga-Spielen im Holstein-Stadion, auswärts bis in den Süden der Republik oder im DFB-Pokal – keine Strecke ist zu weit, keine Mühen werden gescheut. Fast seinen gesamten Jahresurlaub verbringt Humpel so in Deutschlands Stadien.
Das funktioniert vor allem deshalb so gut, weil die beruflichen und privaten Rahmenbedingungen stimmen: Henningsen ist alleinstehend, seine beiden Söhne Finn (18) und Tim (23) sind erwachsen und sein Chef im Betrieb kommt ihm mit den Arbeitszeiten schon mal entgegen. Schließlich ist dieser ebenfalls Mitglied der Elite. Überstunden bummelt Humpel also nach Absprache über den kurzen Dienstweg meistens freitags ab, wenn ein Auswärtsspiel ansteht.
Zwei Herzen in der Brust
KSV-Urgestein, Ultra oder lebende Legende – Humpel wird synonym mit einigen Begriffen in Verbindung gebracht. Für manche ist er einfach der Holstein-Fan von nebenan. In diesem Fall sogar im wahrsten Sinne des Wortes: Tür an Tür nämlich wohnen Henningsen und unser KIELerleben-Redakteur im Herzen Kiels. Geschichten aus über 40 Jahren Holstein-Erfahrungen kennt das Kieler Original zu Genüge. Schließlich besucht Humpel seit seinem 13. Lebensjahr die Spiele seines Herzenvereins. „Siege gegen Lübeck sind immer die schönsten“, sagt Humpel. Und der Aufstieg in die 2. Bundesliga in der Saison 2017/18 wird dem Fan mit Leib und Seele wohl immer in bester Erinnerung bleiben.
„Wenn wir in die erste Liga aufsteigen, würde ein Traum in Erfüllung gehen.“
All seine übrige Energie steckt Henningsen in sein Hobby: die Unterstützung seines Herzensvereins. Und hat es sich darüber hinaus zur Aufgabe gemacht, weitere Fans zu Auswärtsfahrten zu animieren. Schließlich organisiert Humpel regelmäßig Sonderzugfahrten durch das ganze Land. Und das nicht nur für die Anhänger der KSV. Zur Hälfte drückt er der Borussia aus Mönchengladbach seine Daumen und reist der Mannschaft so oft es geht hinterher. Da kommt es schon mal vor, dass Humpel zwei Sonderzugfahrten in vier Tagen auf dem Zettel hat und mehrere tausend Kilometer auf den Schienen zurücklegt. Sollten die Fohlen einmal in einem Pflichtspiel auf die Störche treffen, fällt Ralf Henningsen die Entscheidung leicht:
„Wenn man bei Auswärtsfahrten der KSV im Gästeblock steht, ist das schon etwas Besonderes“,
sagt Humpel und beschreibt so den Zusammenhalt unter eingefleischten Fans und sein persönliches Holstein-Gefühl. Zuletzt sah es gut aus für die Kieler, die sich nach dem Spiel gegen Fortuna Düsseldorf auf dem ersten Tabellenplatz wiederfanden. „Wenn wir in die erste Liga aufsteigen, würde ein Traum in Erfüllung gehen“, sagt Humpel. Wie lange dies noch dauern wird, kann auch Humpel nicht sagen. Nur so viel sei sicher: Dann steht Kiels Lokal-Promi auch noch mit 75 Jahren auf dem StadionZaun. Hin und wieder kommt es vor, dass der Malocher doch einmal fernab von Stadiongesängen und Bratwurstduft Urlaub machen möchte. Zuletzt sollte es ein Erinnerungsfoto im Holstein-Trikot auf der Zugspitze sein. Humpel staunte nicht schlecht als ein Tourist für ihn auf den Auslöser seiner Kamera drückte: „Für Humpel mach ich das“, sagte der Passant, der den KSV-Fan erkannt hatte.