Premiere eines beeindruckenden, intensiven Solo-Stücks als Kritik an Social Media und Selbstoptimierungszwang.
Falls du noch nie eines besucht hast, lass dir gesagt sein: Solo-Stücke sind etwas anderes, sind nicht die Art von Schauspiel, an die du vielleicht denkst, wenn du „Theater“ hörst. Solo-Stücke, wie zuletzt beispielsweise auch „Lenz“, haben eine andere Nähe, eine andere Intensität und Intimität und sind irgendwie auch nicht vergleichbar mit anderen Sololeistungen, wie du sie aus Konzerten oder dem Kabarett kennen magst. Sie sind etwas sehr Eigenes.
Umso schöner, dass Nina Vieten, die nicht nur auf der Bühne steht, sondern auch für Regie, Bühne, Kostüm und Musik verantwortlich zeichnet, uns „MEIN LEBEN – (D)EIN TRAUM“ sozusagen als Abschiedsgeschenk präsentiert. Denn Vieten wird das Ensemble des Theaters Kiel zum Ende der Spielzeit leider verlassen.
In ihrem Kiel-Finale spielt Vieten die 26-jährige Ima Moser, auf ihren Social-Media-Kanälen besser bekannt als PeachyGirl. Dort zeigt sie sich, wie das so üblich ist, hauptsächlich von ihrer besten Seite: fit, erfolgreich, zielstrebig, diszipliniert und was noch so dazugehört. Selfcare ist ihr großes Thema.
Wer online so erfolgreich ist, für den gibt es allzu oft nur noch eine Steigerungsform: Es muss hinausgehen unter echte Menschen, am besten auf eine Bühne. Und so hält auch Ima einen Vortrag darüber, wie man so werden kann, wie sie, und dabei das Beste aus sich selbst herausholt. Ganz nebenbei versucht sie, das Event fast ohne Scham für die Bewerbung eigener, mehr oder minder sinnvoller Produkte zu nutzen.
Glamour, Selbstsicherheit und Selbstverständnis fallen in sich zusammen, als sie live auf der Bühne mit kritischen Fragen konfrontiert wird, die sie zurückholen auf den Boden.
Auf zunächst äußerst unterhaltsame Weise mit großem Fremdschämpotenzial, später mit mitgefühlerregender Tiefe beleuchtet Vieten kritisch den #ThatGirl-Trend und -Lifestyle, vor dem schon seit Längerem in Medien von Die Zeit bis Cosmopolitan, von ZDF bis Elle gewarnt wird.
Obwohl sich #ThatGirl, der Name verrät es bereits, vorwiegend an (junge) Frauen richtet, tut es das Stück nicht. Schließlich ist der Selbstoptimierungswahn allgegenwärtig und dass seit jeher vor allem auf Frauen in dieser Hinsicht ein hoher gesellschaftlicher Druck ausgeübt wird, heißt nicht, dass Männer davor gefeit sind.
Vietens „MEIN LEBEN – (D)EIN TRAUM“ ist eine überaus gelungene Inszenierung, in der es ihr gelingt, ohne allzu sehr erhobenen Zeigefinger zu mahnen, zum Nachdenken anzuregen und einen bleibenden Eindruck hinterlässt, der sich beim sorglosen Scrollen durch Tiktok, Instagram und Co. immer wieder mal aus dem Hinterkopf meldet.
Als Aufführung im Rahmen der „Reihe 17“ des Schauspielhauses kannst du „MEIN LEBEN – (D)EIN TRAUM“ noch an zwei Abenden, am 17. Juni und am 8. Juli, jeweils um 20 Uhr, sehen. Karten zum Preis von 13,10 Euro gibt es auf theater-kiel.de, telefonisch unter 0431 – 901 901 und an allen Vorverkaufsstellen des Theaters.