Mit ,,Complex Happenings reduced to a simple design“ haben die Kieler Leoniden ihr 3. Studioalbum zwischen Konzert-Tournee und Festivalsommer veröffentlicht und landen damit auf Platz eins der deutschen Albumcharts.
Ihr habt ein richtig fettes neues Album herausgebracht! Wie seid ihr auf diesen abgefahrenen Album-Titel gekommen?
Gitarrist Lennart hatte die grobe Idee, aber der Albumtitel war vorher doppelt so lang. ,,Complex Happenings reduced to a simple design which enables the individual to make its own bad decisions”- so sollte das Album eigentlich heißen. Dann haben wir gemerkt, dass halb so viel Text genauso viele Dinge richtig beschreibt, um die es auf diesem Album geht. Dabei ist das Albumcover ein gutes Beispiel: Die brennende Welt ist definitiv ein simple design eines ziemlich komplizierten Happenings.
Ist das neue Album direkter und politischer als die bisherigen?
Kann man so sagen, weil wir ein bisschen klarer geworden sind mit diesem Album. Mit New 68 haben wir uns getraut, einen Song zu schreiben, der mehr ist als ein Zeigefinger-Song oder eine billige Parole.
„Wir waren schon immer politisch sozialisiert“,
sagt Sänger Jakob von den Kieler Leoniden
Stimmt. Mit Carla Reemtsma (Fridays For Future), Aminata Touré, Vize-Landtagspräsidentin der Grünen, und
Mattea Weihe (Sea Watch) habt ihr euch für das Musikvideo starke Frauen ins Boot geholt. Warum?
Die größte Gemeinsamkeit zwischen jetzt und den 68ern ist die populäre, breitgefächerte Aufbruchs-Demonstrations-Kultur. Es passieren gerade so viele Sachen und vor allem die Jugend wird total mobil und politisch. Deswegen auch mit New 68 die Kontaktstelle zwischen Carla Reemtsma und Amina Touré; die eine macht politischen Aktivismus auf der Straße, die andere ist politisch im Parlament. Ich habe eine Schlagzeile gelesen zu dem Song, da musste ich ein bisschen kichern: ,,Die Leoniden werden politisch.” Ich weiß genau, wie die es meinen, aber wir als Menschen waren schon immer politisch sozialisiert, waren auf Demos etc.. Während wir davon bislang nicht viel durchblicken ließen, geht es uns nun vermehrt um klare Verhältnisse.
Ihr habt in jeden Song des neuen Albums viel Herzblut gesteckt. Aber an „Blue Hour“, einem Lied über Depressionen und Ängste, hast du angeblich vier Jahre geschrieben. Was bedeutet es dir, dass er jetzt endlich raus ist?
Den Song mit der Öffentlichkeit zu teilen hat mir persönlich ganz doll geholfen. Ich hab nicht stringent und aktiv vier Jahre an diesem Song geschrieben, aber ich hab das Thema vier Jahre mit mir rumgeschleppt. Nun habe ich endlich gesagt: ,,Das muss jetzt sein”. Damals hatte ich leider kein Glück bei der Suche nach einem Platz für eine Psychotherapie und durch das Feedback dieses Songs habe ich tatsächlich eine super Adresse bekommen. Jetzt bin ich in Therapie und alles ist geil, und ohne „Blue Hour“ wäre das wahrscheinlich nie passiert.
Wie schreibt ihr die Songs eigentlich? Machst du das nur oder macht ihr das als Gruppe zusammen?
Nee, das machen wir zusammen. Aber ich glaube, ich habe so ein bisschen so ein kleines Hoheitsgebiet, weil ich am Ende der bin, der die Texte singt und auch vertritt.
Und habt ihr manchmal Phasen, in denen ihr nicht mehr wisst, worüber man noch einen Song schreiben könnte?
Absolut nicht. Ich glaube daran, dass Kreativität ein bodenloser Brunnen ist; sonst hätte ich zu doll Angst vor dem letzten kreativen Tag - wenn man uns in den Keller sperrt und sagt: ,,Schreibt Musik”, dann schreiben wir so viel Musik, solange wir in diesem Keller sind.
Habt ihr eigentlich z. B. Rituale, die ihr als Band immer zusammen macht? Vor Auftritten oder nach Auftritten?
Wenn man mit Djamin und seinem Bruder unterwegs ist, passieren immer die besten, verrücktesten Sachen. Tatsächlich segnet uns Julian immer vor Auftritten. Also natürlich nicht christlich oder so. Man muss eine Cappy tragen und es werden immer zwei Leute gleichzeitig gesegnet; Julian haut zweimal mit der flachen Handfläche doll auf die Cap und zeigt dann in den Himmel. Dann muss man nochmal zweimal mit den Handrücken aneinander klatschen und dann ist man ready to rock.
Das Interview führte Kristina Kröger