Natürlich: Kiel ist die schönste Stadt Deutschlands – und doch lohnt sich ein Blick über den Tellerrand. Wir erkunden für Sie die (zweit)schönsten Orte der Bundesrepublik.KIELerLEBEN-Redakteurin Melanie Schippling hat für ein Wochenende Freunde in Deutschlands westlichster Großstadt besucht. Sie findet, dass Aachen mit einer schönen Altstadt, Kunst- und Kulturschätzen von Weltruf sowie einer studentisch geprägten Kneipenszene eine Menge zu bieten hat, und gibt Tipps für einen Wochenendausflug.
Derzeit gibt es überall in den Supermärkten wieder die in der Vorweihnachtszeit so beliebten Printen zu kaufen. Doch nicht unbedingt jeder weiß, woher diese Leckerei eigentlich stammt: aus Aachen, dem einstigen Machtzentrum des Frankenreiches. Im frühen Mittelalter war es Karl der Große, der Aachen als seinen wichtigsten Herrschaftssitz auserkor und ab 794 von hier aus das Frankenreich regierte. Zu dieser Zeit ließ er auch den Dom errichten, der 1978 als erstes deutsches Bauwerk in die Unesco-Liste des Weltkulturerbes aufgenommen wurde und in dem heute Karls Gebeine zu finden sind. Derzeit etabliert die Stadt die „Route Charlemagne“, die ihren Namen Karl dem Großen zu verdanken hat. Von der Infostelle (derzeit noch im Haus Löwenstein am Markt, ab 2013 am Katschhof zu finden) kann man der Route individuell folgen und die herausragenden Bauwerke Aachens entdecken. Derzeit wird an einigen Stellen noch umgebaut und teilweise fehlen noch die Infotafeln, bis zum 1.200. Todestag Karls des Großen am 28. Januar 2014 soll aber alles fertig sein. Stationen sind natürlich der Dom mit dem Karlsschrein und das Rathaus auf der ehemaligen Kaiserpfalz, die rund 600 Jahre lang Krönungsort deutscher Könige war, sowie weitere Gebäude, die unsere Zeit ebenso prägen, wie sie die Zeit Karls des Großen geprägt haben.
Immer wieder lockt die hübsche Altstadt zwischen den Stationen mit Cafés und Restaurants, und an der lokalen Spezialität, den Aachener Printen, kommt man dabei gar nicht vorbei. Diverse Geschäfte laden mit den unterschiedlichsten Variationen von Schokoladenüberzügen über Nuss- und Mandelprinten bis hin zu Zuckerglasuren (Prinzess-Printen) zum Probieren ein. Mir allerdings hat der Klassiker, die Kräuter-Printe, am besten gefallen. Als kleiner „Printenmarkt“ angefangen hat in den 70er Jahren übrigens auch der Aachener Weihnachtsmarkt, der heute zu den größten und schönsten Veranstaltungen dieser Art in Deutschland gehört. Noch bis zum 23. Dezember bilden die Plätze und Gassen rund um das Rathaus ein stimmungsvolles Ambiente aus Lichterglanz, festlichen Klängen und verführerischen Gerüchen. Der liebevoll aufgebaute Weihnachtsmarkt zieht mit kulinarischen Köstlichkeiten und handwerklichen Kostbarkeiten wie Besteckkunst, Glaskugelmalerei und Buchbinderei auch internationale Besucher an.
Foto: aachen tourist service e.v.
Kein Wunder, denn Aachen liegt unmittelbar am Dreiländereck Belgien/Deutschland/Niederlande. Mit nur drei Schritten macht man hier eine kleine Europa-Reise rund um einen Obelisken, der den Grenzpunkt markiert. Auf belgischer Seite kann man auf einem Aussichtsturm den Blick auf die Umgebung genießen, auf niederländischer Seite steht man hier sogar am höchsten Punkt des Landes und kann sich – wie ich mich – im Irrgarten verlaufen, nach eigenen Angaben das „größte und modernste Labyrinth Europas“ und mit Brücken und Wasserpforten wirklich abwechslungsreich gestaltet. Die Nähe zu französischsprachigem Gebiet verdeutlichen Aachener Geschäfte gern mit ihren Namen. Auf französischer Seite wird die Stadt „Aix-la-Chapelle“ genannt, und so gibt es die Schneiderei „Aixakt“, die Boutique „Aixtravagant“, den Buchhandel „Aixlibris“ und dergleichen mehr.
Aachen ist ähnlich wie Kiel fahrradfreundlich, trotzdem ist Vorsicht geboten: Mal landet man mit dem Radweg mitten auf der Straße zwischen den beiden Autospuren, mal auf dem Fußweg. Da die Wege im Aachener Zentrum nicht weit sind, lohnt es sich für den kurzen Städtetrip, ein Fahrrad zu mieten – zum Beispiel bei der Radstation direkt am Hauptbahnhof für nur 5 Euro pro Tag.
Dort kann man abends auch gleich die nächste Aachener Besonderheit entdecken: Auf dem städtischen Verwaltungsgebäude neben dem Bahnhof ist die elf Meter hohe, in Deutschland einmalige Aachener Wettersäule zu finden. Sie zeigt mithilfe von unterschiedlichen Beleuchtungseinstellungen – nach meinen Erfahrungen zuverlässig – das Wetter für den nächsten Tag an. Wenn die Wettersäule also blaues Licht („heiter bis wolkig und trocken“) gibt, kann man in einer der vielen Grünanlagen spazieren gehen. Bei weißem Licht („Niederschläge, Regen oder Schnee“) sollte man lieber einen Besuch in den Carolus Thermen einplanen, ein Entspannungsbad, das Aachens Anspruch als Heilbad unterstreicht. Bereits die Römer wussten ab etwa 60 n. Chr. um die heißen Quellen der Gegend. Im Laufe der Zeit entstand ein Kur- und Badebetrieb, Ende des 17. Jahrhunderts wurde Aachen zum Modebad für gekrönte Häupter. An die Prominenten, die als Kurgäste das Wasser der Quellen tranken, erinnern steinerne Tafeln am Elisenbrunnen in der Innenstadt. Darunter sind Peter der Große, Friedrich der Große, Giacomo Casanova und Georg Friedrich Händel.
Für Medieninteressierte lohnt sich ein Besuch im Internationalen Zeitungsmuseum in der Pontstraße, das sich mit der internationalen Pressegeschichte vom 17. bis zum 20. Jahrhundert befasst.
Noch ein süßer Tipp: Die Süßwarenhersteller Lambertz und Lindt haben im nordwestlichen Teil der Stadt einen Werksverkauf. Immer der Nase nach, der Schokoladengeruch ist selbst in den umliegenden Straßen nicht zu verfehlen.
Bei meiner Anreise am Freitagabend habe ich im Zug nicht wenig Kölner getroffen, die zum Feiern nach Aachen gefahren sind. Kein Wunder, denn Aachen ist in Sachen Disco hinreichend bekannt. 1959 eröffnete hier die erste Discothek Deutschlands unter dem Namen „Scotch Club“, seitdem sind viele weitere hinzugekommen. Zentrum der studentisch geprägten Kneipenszene ist die Pontstraße, in der sich Biergärten, Bistros und Restaurants aneinanderreihen. Direkt am Aachener Brauhaus befindet sich außerdem die angeblich kleinste Kneipe Europas, das „Stehgraah“. Sitzgelegenheiten gibt es in dieser urigen Bierkneipe nicht, dafür aber immer rheinisch-gut-gelaunte Aachener am Tresen.
Wer trotz allem als echter „Küstenmensch“ das Meer vermisst, kann sich an einen der insgesamt 38 Aachener Brunnen setzen und dort frische Printen genießen. Genau das werde ich auch bei meinem nächsten Besuch in dieser vielseitigen und gleichzeitig gemütlichen Stadt wieder tun. Weitere Infos: www.aachen-tourist.de.
Melanie Schippling