Schweben, schaukeln, hängen: KIELerLEBEN-Chefredakteurin Kerstin Klostermann testete den neuen Fitness-Trend Aerial Yoga mit Personal Fitness Coach Nicole Quast.
Schon seit einigen Monaten praktiziere ich Hatha Yoga auf der Matte. Ich fühle mich also bestens gewappnet, als ich durch die Tür im Timmerberg 35 trete. Doch was ich dann sehe, versetzt mich erst einmal ins Staunen. Ein pinkfarbenes trapezförmiges Tuch, ähnlich einer Hängematte, baumelt an dicken Haken von der Decke. „Darin soll man Yoga machen?“, denke ich skeptisch. „Solche Tücher werden auch von Artisten im Cirque du Soleil benutzt“, erklärt mir die Kieler Yogalehrerin und Personal Trainerin Nicole Quast. „Man kann es wunderbar um die Hüfte wickeln, sich hineinlegen oder nur mit den Beinen daran festklammern und kopfüber herunterhängen.“
Sie hat mich heute in ihr Studio eingeladen, um „Aerial Yoga“ auszutesten. Übersetzt heißt dieser neuartige in Amerika entwickelte Fitness-Trend „Luft Yoga“. Ich hätte also wissen müssen, was auf mich zukommt … „Das Tuch kann bis zu 450 Kilo Gewicht tragen“, sagt Nicole und lächelt mir ermutigend zu. Ich klemme mir das Tuch, das etwa einen halben Meter über dem Boden hängt, unter den Po und schwinge mich darauf wie auf eine Schaukel. Im ersten Moment bin ich erschrocken, weil ich kräftig hin und her schwanke, doch schnell wird das Schaukeln sanfter.
Für die Anfangsentspannung wickelt mich die Trainerin einmal komplett in das Tuch ein. Ich sitze darin wie in einem Kokon, komplett abgeschottet von der Außenwelt. Eng schmiegt sich der weiche Stoff an meine Haut. „So ähnlich muss sich ein Baby fühlen, das im Tragetuch liegt“, denke ich, „fest gehalten und beschützt.“ Eine tiefe Geborgenheit und Ruhe breitet sich schlagartig ihn mir aus. Ich könnte noch stundenlang so sitzen bleiben. Doch genau wie beim klassischen Yoga ist auch Aerial Yoga ein Wechselspiel aus Anspannung und Entspannung.
Zum Aufwärmen hat Nicole verschiedene Dehnübungen für Arme und Beine ausgewählt. Mal lehne ich meinen Oberkörper dabei ins Tuch, mal dehnen sich meine Muskeln gegen den Stoff oder ich balanciere mit dem Körpergewicht. Und immer schwinge ich leicht hin und her. Schön, aber ungewohnt. Abwechslung bringen die Übungen, die nicht im Tuch hängend praktiziert werden. Beim Dritten Aerial-Krieger zum Beispiel stehe ich fest auf der Matte, die unter dem Tuch auf dem Boden liegt, und verlagere mein Gewicht auf den vorderen Fuß. Das hintere Bein steigt vom Boden auf und erstreckt sich schließlich parallel zum Boden. Dabei halte ich mich am Stoff fest. „Alle klassischen Übungen lassen sich auch mit dem Tuch machen“, sagt die Trainerin.
Das Besondere am Aerial Yoga: Viele Asanas finden in der Schwerelosigkeit als Umkehr-Übung statt. „Das hat den Vorteil, dass man sein Körpergewicht einfach abgeben und sich besser auf die Dehnungen einlassen kann“, erklärt mir Nicole. „Die Kopfüber-Positionen entlasten die Wirbelsäule, sodass der Rücken entspannt – das ist besonders gut für Menschen mit Rückenproblemen.“ Außerdem, berichtet sie weiter, werden die inneren Organe massiert und alle wichtigen Muskelgruppen gekräftigt, vor allem die tiefen Haltemuskeln. Denn um den Körper im schwankenden Tuch zu stabilisieren, brauche man viel Körperspannung. „So viel zur Theorie“, denke ich und begebe mich in den „Hip Hang“, bei dem ich das Tuch in der Leistengegend fixiere und mich wie bei einer Rolle vorwärts über das Tuch beuge. Beim „Back Straddle“ binde ich mir das Tuch um die Hüften, mache eine Art Rolle rückwärts und stütze mich mit den Unterarmen auf dem Boden ab. Das hat viel Akrobatisches an sich, und es kostet mich Überwindung, mein Körpergewicht komplett in das Tuch abzugeben und loszulassen.
„Überkopfhängen bedeutet immer auch Kontrollverlust“, sagt Nicole und lobt mich für meinen Mut. Die Übungen sind nicht nur ungewohnt, sondern auch sehr anstrengend. Ich komme ordentlich ins Schwitzen, und mein gesamtes Blut scheint in den Kopf zu fließen. Und dennoch: Es ist angenehm, so zu hängen, ganz und gar schwerelos, gehalten vom Tuch. Ein besonderes Erfolgserlebnis habe ich beim Handstand. „Das kann ich nicht“, sage ich überzeugt. „Probier es aus!“, entgegnet Nicole. Und es funktioniert tatsächlich: Ich klammere mich mit den Beinen am Tuch fest und drücke mich mit den Armen nach oben. Das ist mir beim Hatha Yoga noch nie gelungen. Die Trainerin bestätigt mir, dass viele Asanas mit dem Tuch leichter funktionieren und auf die Übungen am Boden vorbereiten.
Und dann lerne ich noch den spielerischen Aspekt von Luft Yoga kennen. Ich hebe mein rechtes Bein über das Tuch, platziere es in der Kniekehle, lehne mich nach hinten und hebe das linke Bein vom Boden. Ich schwinge nach vorn und stoße mich von der gegenüberliegenden Wand ab. Das macht großen Spaß und weckt das Kind in mir. „Das spielerische Ausprobieren bietet einen tollen Ausgleich zu unserem durchorganisierten Alltag“, erläutert Nicole. Sie hat Recht. Ich kann förmlich spüren, wie der Stress von mir abfällt.
Spätestens die Endentspannung überzeugt mich voll und ganz von dem neuen Fitness-Trend. Diesmal befinde ich mich in Rückenlage im Tuch, das von der Trainerin leicht hin und her bewegt wird. Ich fühle mich wie im Urlaub, als wenn ich mich auf der leicht welligen Meeresoberfläche treiben lasse. Dann legt Nicole sich auf den Boden unter das Tuch, streckt ihre Beine nach oben und massiert meinen Rücken mit ihren Füßen. Einfach himmlisch. Ich genieße jede Sekunde. Als ich schließlich aus dem Tuch herausklettere, will Nicole wissen, wie mir meine erste Aerial-Yoga-Stunde gefallen hat. „Es ist wie fliegen“, antworte ich, „nur schöner.“
Nicole Quast, Personal Fitness Coach
Timmerberg 35, Kiel
Mobil: 0178/884 19 88
www.nicolequast.de
www.facebook.com/aerialyogakiel
Termine:
Fr, 19.4., Aerial Fitness Yoga Workshop von 19–21 Uhr (25 Euro)
Jeden Freitag von 19–20 Uhr Aerial Yoga (Probestunde 10 Euro)
Ort: Kang Center Kiel, Grasweg 39
Anmeldung per E-Mail an
info@nicolequast.de