Anna „Olive“ Böke ging nach England, um Creative Writing zu studieren, eine Band zu gründen und die Musik zu spielen, wie sie ihre Vorbilder prägten. Kurz vor dem Lockdown kehrte sie zurück nach Kiel und verbindet nun die Liebe zur Musik mit ihrem privaten Glück.
Wer um die Jahrtausendwende das Radio einschaltete, kam um die Musik einiger Bands aus dem Vereinigten Königreich wie „Blur“, „Oasis“, „Maximo Park“, „Radiohead“ und „The Verve“ nicht herum. „Britpop“ lautet das Genre, welches diese einflussreichen Bands eint. Einige Jahre zuvor starteten hingegen „The Sundays“, „The Smiths“ oder Alvvays“ mit melancholischeren Töne durch, die gitarrenlastig und mit eingehendem Rhythmus als „Shoegaze“-Bands zu bezeichnen sind. Für Anna Böke gehören letztere Kappellen nicht nur zu ihren persönlichen Vorbildern, sondern zu einem erlesenen Kreis von Musikern, die eine ganze Generation musikalisch sozialisieren sollten.
Englischer Einfluss
„Ich wollte seit meiner Jugend eine Band gründen und genau solche Musik machen“, sagt Anna „Olive“. Mit gerade einmal 19 Jahren entschloss sie sich 2017 nach England zu gehen, um Creative Writing in Brighton zu studieren – die Heimatstadt der Band „The Kooks“, deren Platten sie in ihren Jugendjahren rauf und runter hörte. Weil es mit der Bandgründung zunächst nicht so richtig klappen wollte, entschloss sich Anna dazu, 2020 ein Solo-Projekt zu starten und schrieb die ersten Songs mit Gitarrenbegleitung. „Ich habe mich einfach dazu entschlossen, sagt sie.“
Dann erhielt im Frühjahr 2020 die Pandemie weltweit Einzug. Wären die ersten Live-Performances in dieser Zeit schon ein Thema gewesen, dann wären sie wohl abgesagt worden. Mit Blick auf den anstehenden Austritt des Vereinigten Königreiches aus der Europäischen Union und der Tatsache, dass in Kiel auch noch ein ihr Freund Dennis auf sie wartete, mit dem Anna seit fünf Jahren eine Beziehung führt, entschloss sie sich zurück in ihre Heimatstadt zu kehren. Praktischer Nebeneffekt: Dennis ist Multi-Instrumentalist und verhalf Anna als fehlendes Bindeglied bei der Emanzipation raus aus der Songerwriter*innen-Welt und rein ins romantische Bandleben.
Entstanden ist so nach kürzester Zeit die EP „Embassy Court“ – gewissermaßen als Lockdown-Projekt. Poetisch-wörtliche Texte, klirrende & fuzzige Gitarre und eine klare Stimme verschmelzen zu einem Klangbild, das sich am besten als Alternative Dreampop mit einer Prise Noise beschreiben lässt. Ihre Musik wächst aus einer unerschrockenen Ehrlichkeit heraus, die sowohl in das Schlafzimmer einlädt, wo sie kreiert wurde, als auch einen Ort von vollkommener Ungewissheit.
„Diese Genres sind in Deutschland leider wenig vertreten, erst recht nicht im Norden, aber gerade deshalb wollen wir das Genre-Spektrum der lokalen Szene etwas erweitern.“
Die deutsche Blase platzen lassen
Das scheint vor allem an dem Ort besonders gut anzukommen, dem Anna zuletzt den Rücken kehrte. Seit dem Release schaffte es ihr bedroom pop hit „Planestation“ in die „Latest“ Playlist von Hype Machine und Spotify Playlists „The Dreampop “. Außerdem erhalten die Songs regelmäßige Spielzeiten beim weltweit größten Dreampop Radio DKFM und Amazing Radio UK. Während ihrer Zeit auf der Insel knüpfte die 23-Jährige jene Kontakte zur Musikszene, von denen sie heute mit „Sloe Noon“ zehrt. Das liege aber vor allem auch an der künstlerischen Infrastruktur in Brighton selbst. „Unser Musikstil findet dort viel mehr Zulauf. Die englische Musikszene bietet gerade kleineren DIY-Bands (Do It Yourself; dt.: Mach es selbst, Anm. d. Red.) viel mehr Möglichkeiten durch Sender wie BBC Introducing, die jedem eine Chance geben. Die Leute sind nicht so sehr in ihren Blasen unterwegs wie in Deutschland. Das fehlt mir hier bis heute sehr.“
Am kommenden Samstag könnte die Blase allerdings platzen. Dann könnt ihr einen Eindruck des Dreampop-Duos „Sloe Noon“ gewinnen, wenn sie im Medusa ein digitales Konzert spielen. Hier geht es zur Veranstaltung. Wir ziehen uns am Samstag mal im Schlafanzug mit Schokolade und Kerzenschein zurück lauschen, was für ein neuer Trend da von der Insel zu uns rüberschwappt.
Wann? Samstag, 24. April – 20 Uhr
Wo? Im Stream auf YouTube.
Hier geht es zur Facebook-Veranstaltung.
Der Traum von der „richtigen“ Live-Band ist übrigens noch nicht ausgeträumt. Wer sich vorstellen kann, bei „Sloe Noon“ einzusteigen, kann sich unter sloenoon@gmail.com bei den beiden melden.