Am 18. April 1971 holten die Handballerinnen der KSV Holstein von 1900 die Deutsche Meisterschaft nach Kiel. In einem packenden Endspiel setzten sich die Damen gegen den 1. FC Nürnberg durch und revanchierten sich für die Niederlage im Jahr zuvor.
Es war die Endrunde der 14. Deutschen Meisterschaft im Hallenhandball der Frauen, auf die sich die Damen der Kieler Sportvereinigung von 1900 akribisch vorbereiteten und später Geschichte schreiben sollten. Auf das Spiel des Jahres 1971 in der Ostseehalle bereitete Trainer Kurt Bartels, ehemaliger Kreisläufer des THW Kiel und Großvater des heutigen KSV-Fußballers Fin Bartels, seine Mannschaft zuvor in einem Kurztrainingscamp in Plön und Malente auf das Endspiel vor. Hier investierten Frauen wie Dagmar Neutze (heute Hansen-Kohlmorgen), Erika Gaedicke (heute Wohlert) und Renate Reese (heute Gabriel) viel Schweiß und noch mehr gelaufene Kilometer, um das Wunder an der Kieler Förde wahr werden zu lassen. Zurecht verdiente sich Bartels damals seinen Spitznamen als Runden-Kurt.
„Er hat uns immer ewig durch die Holstein-Halle gescheucht, sagt Erika Gaedicke. Ihre Teamkollegin Dagmar Neutze war damals jene Spielerin, die dabei besonders motiviert zu Werke gegangen sein dürfte. Im Jahr zuvor – ebenfalls gegen die Gegnerinnen aus Franken – war es ein Fehlpass von Leitwölfin „Daggi“, welcher den Kielerinnen am Ende die Meisterschaft kostete. „Wir hatten im Jahr zuvor durch meinen Fehler knapp verloren und wollten natürlich diesmal Revanche nehmen vor heimischer Kulisse“, sagt Dagmar Neutze.
Halbfinale am Elendsredder
Vor 250 Zuschauer*innen erkämpfte sich die Bartels-Truppe gegen Bayer Leverkusen den Einzug ins Finale. Neutze zeigte sich in Topform und erzielte drei Treffer zum 7:6 Endstand. Überglücklich zogen die Kielerinnen so ins Finale in der Ostseehalle ein. Fast ein Jahr lang – seit dem letzten Endspiel in Nürnberg – hatten die Holstein-Frauen nicht mehr verloren. Und dann war der große Tag da. „Die Chancen stehen 50:50. Unserem Heimvorteil können die Nürnbergerinnen ihre größere Cleverness entgegensetzen“, sagte Trainer Kurt Bartels.
„Wir konnten es gar nicht glauben, dass am Ende über 3.000 Zuschauer in die Ostseehalle kamen. Mitunter hatten wir bei normalen Punktspielen wenig bis gar keine Zuschauer“, sagt Dagmar Neutze.
Dramatik setzte dann vor allem in der Schlussphase ein, als zwei Minuten vor dem Abpfiff Bärbel Ehlert einen Siebenmeter zum erlösenden 6:4 verwandelte. Daraufhin kannte der Jubel unter den Holstein-Spielerinnen und dem Publikum keine Grenzen. Die Revanche für die 8:9-Finalniederlage ein Jahr zuvor war gelungen. Für eine Spielerin wurde der Meistertitel zum doppelten Freudentag. Bundestrainer Helmut Torka berief Holsteins Doppeltorschützin Erika Gaedicke nach ihrer ausgezeichneten Leistung in das Aufgebot der Frauen-Nationalmannschaft für die beiden WM-Qualifikationsspiele gegen Schweden.
Steaks als Siegesprämie
Eigentlich hatten wir uns ein Kaffeeservice gewünscht, aber das war dann wohl doch zu teuer. Wir fuhren nach dem Sieg gemeinsam in die Schweinsgeige hinter der Levensauer Hochbrücke und dort gab es dann ein schönes Essen für uns. Und den ein oder anderen Schnaps haben wir auch bekommen“, sagt die Schlüsselspielerin von 1971. Bis heute bleiben den Frauen lediglich die einzigartigen Erlebnisse und Erinnerungen. Nicht mal eine Trophäe, wie sie heute jede Kegelmannschaft zum Gewinn der Kreismeisterschaft erhält, gab es für Deutschlands beste Handballerinnen. „Es gab damals noch nicht einmal einen Pokal, sondern einen Wimpel, den wir bekommen haben“, sagt die damalige Mitspielerin Erika Gaedicke. Leider ist der vor 15 Jahren beim Umbau des Holstein-Stadions auf dem Müll gelandet.“ Mit dem historischen Sieg in der Ostseehalle feierten die Kieler Handballerinnen der KSV den bis dato einzigen Meistertitel der Frauen in Schleswig-Holstein.