Sein Anbau ist anspruchsvoll, die Ernte ein Knochenjob – Spargel zählt zu den edelsten Gemüsesorten. Bis er auf unseren Tellern landet, ist es allerdings ein steiniger Weg, wie KIELerleben-Redakteur Sebastian am eigenen Leib erfahren hat.
„Zarte Blume“, „Spargelspitzen“, „Extra Dick“ und „Unser Klassiker“ steht an den Auslagekörben, in denen sich das wertvolle Gemüse präsentiert. Von kleinen und dicken Stangen bis zu der optimalen Länge von 23 Zentimetern – hinter einer dicken Plastikfolie im Hofladen von Lena und Christian Schäfer liegen die verschiedenen Sorten für den Abverkauf bereit. Im Minutentakt betreten Kunden unter Einhalten des 2-Meter-Sicherheitsabstands den Laden der Schäfers. Sie freuen sich auf den besonderen saisonalen Genuss des Edelgemüses, denn: Es ist Spargelzeit.
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„Wir ernten seit dem 1. April und sind froh, unsere rumänischen Hilfsarbeiter bekommen zu haben“, sagt Lena Schäfer. Durch die unterschiedlichen Ein- und Ausreisebedingungen innerhalb Europas während der Corona-Krise, stand die Spargelernte in Wiemersdorf bei Großenaspe auf dem Spiel. Mehr noch: Der Spargelhof sah sich einer existentiellen Bedrohung ausgesetzt. Seit Jahren arbeiten die Schäfers mit einem gleichen Stamm an Arbeitern zusammen, es herrscht ein freundschaftliches Verhältnis zwischen allen Angestellten. „Wir haben uns einfach frühzeitig um die Einreise unserer Erntehelfer gekümmert“, sagt Lena Schäfer. Damit jeder der rund 70 Arbeiter in die Bundesrepublik einreisen durfte, waren jeweils 21 Dokumente nötig. Das Ehepaar Schäfer ließ jeden Arbeiter bereits vor Wochen einfliegen, Gatte Christian holte sie persönlich von den Flughäfen aus Frankfurt und Nürnberg ab, schlief zum Teil im Auto auf einer Wolldecke.
Ohne hartgesottene Helfer geht es nicht
In der Vergangenheit hatten die Schäfers bereits einheimische Erntehelfer aus dem Umland auf ihren Spargelfeldern arbeiten lassen. Studenten und deutsche Saisonarbeiter versuchten ihr Glück, scheiterten jedoch schon nach kurzer Zeit an der harten körperlichen Arbeit. „Die meisten sind diese Arbeit bei Wind und Wetter einfach nicht gewöhnt und kommen am dritten Tag nicht mehr“, berichtet Lena Schäfer von ihren Erfahrungen. Sie selbst habe einen halben Tag auf dem Feld verbracht und selbst den Spargel geerntet. Diesen Job jedoch für knapp drei Monate, an sechs Tagen die Woche für jeweils acht bis zehn Stunden ausüben – sie zweifelt stark an ihrem Durchhaltevermögen bei der Spargelernte.
9,35 Euro zahlen die Schäfers ihren Erntehelfer zuzüglich eines Zuschlags für besonders ertragreiche Schichten.
„Für unsere Rumänen ist das viel Geld, sie leben davon in ihrer Heimat fast das ganze restliche Jahr.“
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Die meisten Deutschen seien sich ihrer Erfahrung nach zu schade für den Job und würden früh einknicken. Zuletzt hatte sogar die Landesregierung in einer Pressemitteilung bekannt gegeben, neue Anreize für Erntehelfer auf den Weg zu bringen: In Kurzarbeit stehenden Arbeitnehmern oder Hartz-4-Empfängern würde der zusätzliche Verdienst auf den Feldern nicht steuerpflichtig angerechnet werden. Aus meinen Gesprächen mit weiteren Landwirten und der Agentur für Arbeit in Kiel und Rendsburg geht jedoch hervor, dass sich wenige hilfsbereite Erntehelfer diesseits der Elbe melden, um die Ernte zu verrichten – geschweige denn länger als drei Tage zu bestehen. Was zeichnet also diese Arbeit aus, vor der wir Deutschen uns mit Bedacht heraushalten? Das möchte ich erfahren.
Auf den Versuch kommt es an
Nur etwa zehn Minuten Fahrtzeit liegen die Spargelflächen vom Hofladen der Schäfers entfernt. Frei nach dem Motto „Probieren geht über Studieren“ bewaffne ich mich mit Handschuhen und Spargelstecher. Ringsum liegen Rapsfelder, deren typisches gelbes Leuchten schon von Weitem zu sehen ist. In krassem Kontrast hingegen türmen sich die dunklen, fast öde wirkenden typischen „Dämme“ wie Wellenberge auf der Koppel nebenan auf. Unter diesen schwarzen Abdeckplanen soll sich also das weiße Gold verbergen?
Nach einer kurzen Einweisung durch Lena Schäfer bin ich zu allen Schandtaten bereit. Mit zwei Fingern lege ich den Spargel dort frei, wo ihn Lena aufgespürt hat. Das geübte Auge sieht schnell, wo sich der Spargel verstecken könnte. „Dort, wo die Erde auf der Oberfläche bricht, liegt der Spargel meist versteckt“, sagt Lena. Immer wieder lässt die Expertin ihre Finger durch den schwarzen Sand gleiten und legt den Kopf des Gemüses frei. Dann ist Gefühl gefragt: 23 Zentimeter tief muss ich das Eisen in die Erde bohren, bevor ein seitlicher Hieb den Spargel von der Wurzel trennt. Diese darf auf keinen Fall verletzt werden, damit hier auch in den kommenden Jahren das weiße Gold heranwachsen kann.
Dauerbrenner: Weißes Gold
Während meines Schaffens bin ich mir der verantwortungsvollen Aufgabe der Ernte bewusst. Allein der Beiname „weißes Gold“ und die Tatsache, dass Spargel ein Edelgemüse ist, welches ich halbwegs dilettantisch aus den Wurzeln schlage, flößen mir Respekt ein. Seinen Beinamen trägt des Deutschen wertvollstes Gemüse zu Recht: Es dauert allein drei Jahre von der Saat der Pflanze, bis das Endprodukt zum ersten Mal geerntet werden kann. Während andere Kulturen wie Kartoffeln nicht an zwei aufeinanderfolgenden Jahreszyklen am selben Ort angebaut werden können, erleben Spargelpflanzen zum Teil ihren zehnten Frühling. Sie sind als Dauerkultur auf den Feldern angelegt. Im Gegensatz zur Kartoffeln, deren Wurzel nach der Ernte abstirbt, ist diejenige der Spargelpflanze für den langfristigen Anbau bestimmt. Ihre Anbauflächen müssen erst nach zehn Jahren wieder in die Fruchtfolge integriert werden. Bis dahin treibt die Wurzel fortlaufend ihre „Triebe“ vertikal in die Höhe.
„Wir achten penibel darauf, dass unsere Mitarbeiter auf den Gelände geschützt sind“
Die frühlingshaften Temperaturen um die 15 Grad Celsius und der strahlend blaue Himmel trüben den Blick auf diese Arbeit allerdings. Während die Ernte mir nur vorübergehend einen Eindruck über die Abläufe und die Intensität vermittelt, schuften die Profis bereits seit Wochen, jeden Tag ab sechs Uhr in der Früh – ohne jeglichen Kontakt zur Außenwelt. Sie leben auf dem Gelände der Schäfers in einem eigens für sie errichteten Wohncontainer, bekommen Mittags eine warme Mahlzeit. Den Einkauf aller übrigen lebensnotwendigen Artikel übernimmt Familie Schäfer. Hygieneartikel, Frühstücks-Cerealien, Arbeitskleidung und Ersatzwäsche – die Schäfers tragen Sorge für ihre Mitarbeiter. Schließlich erwirtschaften diese nicht nur ihre eigene Lebensgrundlage, sonder auch diejenige der Spargelbauern. Ein positiver Test eines Mitarbeiters auf Covid-19 wäre eine Katastrophe. Dessen ist sich Lena Schäfer bewusst.
Nach etwa eine Stunde intensiven Stechens inklusive Rückenschmerzen komme ich am Ende des einzigen Spargeldamms für diesen Tag an. Im Gegensatz zu den Profis, die mit einer Spargelspinne über den Damm fahren, welche die schwarze Plane etwa zwei Meter über dem Erdboden anhebt, muss ich den Damm per Hand zudecken. Schließlich muss die Durchschnittstemperatur von etwa 20 Grad Celsius eingehalten werden, damit der Spargel weiterhin wachsen kann. Den Rücken krümmen, das Zustechen und der monotone Bewegungsablauf fordern schnell ihren Tribut. Eines steht fest: Diese Arbeit ist nichts für Büro-Hengste.
Nur eine Handvoll Spargel habe ich an diesem Vormittag aus dem hummushaltigen Sandboden ziehen können, welche für den besonders erdigen Geschmack des Schäfer’schen Edelgemüses charakteristisch ist. Weil das nicht ganz einer Mahlzeit für zwei Personen entspricht, entschließe ich mich dazu, weitere 760 Gramm Spargel von „Unser Klassiker“ im Hofladen zu kaufen. Mit einer selbst gemachten Sauce Hollandaise und etwas Schinken richte ich am Abend mein erstes Spargelgericht des Jahres an und lasse es mir schmecken. Schließlich weiß ich nun ganz genau, woher das Essen stammt und welch ein Kraftakt für seine Ernte nötig ist.
Wer ebenfalls den Spargel der Schäfers kosten möchte, muss nicht bis nach Großenaspe fahren. Ihr erhaltet ihn in dem neuen Verkaufsstand im Gewerbegebiet Schwentinental/Raisdorf.
Weitere Infos erhaltet ihr auf der Homepage der Schäfers.