Nach Wochen der Proteste und Besetzungen nicht nur in Kiel, kommt es jetzt zu konkreten Gesprächen mit Parlament und Regierung in Schleswig-Holstein. Nächsten Mittwoch unterbreiten Vertreter des Allgemeinen Studierendenausschusses (AStA) der Uni Kiel dem Bildungsausschuss des Landtages die studentischen Forderungen. Am Donnerstag trifft sich die Landesastenkonferenz mit Vertretern des Ministeriums.
Bereits am gestrigen Donnerstag beschloss die Kultusministerkonferenz (KMK) der Länder erste kleine Veränderungen im Sinne der Studierenden.
So soll die Stofffülle auf künftig 25 bis 30 statt wie bisher durchschnittlich 30 Semesterwochenstunden eingeschränkt werden. Zur Begrenzung der Anzahl der Prüfungen soll jedes Modul mit nur noch einer Prüfung abgeschlossen werden. Letzteres wiederholt jedoch lediglich einen Beschluss der KMK aus dem Oktober. Nachdem es teilweise bundeslandintern kaum möglich war, ohne Aberkennung von Studienleistungen die Hochschule zu wechseln, soll nun auch der Hochschulwechsel erleichtert werden. Ob allerdings diese eher unkonkreten Versprechungen die Unzufriedenheit an den Universitäten beenden werden, bleibt abzuwarten. Zumal die zentrale studentische Forderung nach einem uneingeschränkten Übergang vom Bachelor- zum Masterstudium unerfüllt bleibt. Die Hoffnung der Präsidentin der Hochschulrektorenkonferenz Margret Wintermantel und des KMK-Vorsitzenden Henry Tesch (CDU), dass man nun „wieder zu einem geregelten Studienbetrieb übergehen“ möge, könnte sich daher als illusorisch erweisen.
Vage Hoffnung auf bessere Finanzierung
Von der nächsten Woche dürfen sich die Studierenden immerhin nächste Schritte zu einer Lageverbesserung an den Hochschulen erhoffen. Am kommenden Mittwoch beraten die Bundeskanzlerin und die Ministerpräsidenten über mehr Geld für die Bildung. Beim sogenannten „Bildungsgipfel“ in Berlin wird es um das sogenannte Zehn-Prozent-Ziel gehen; dies meint die Aufwendungen für Bildung und Forschung in Deutschland bis 2015 auf 10 Prozent des Bruttoinlandproduktes (BIP) zu steigern. In Schleswig-Holstein treffen sich am gleichen Tag Vertreter des AStA der CAU und darüber hinaus engagierte Studierende mit den Vertretern des Bildungsausschusses des schleswig-holsteinischen Landtags. Unter den elf Mitgliedern des Bildungsausschusses (5 CDU, 4 SPD, 1 FDP, 1 Grüne) ist auch der Bildungsminister Ekkehard Klug (FDP). Für die Hochschulen ist in Schleswig-Holstein allerdings das Wirtschaftsministerium zuständig. Mit diesem berät daher die Landesastenkonferenz, d.i. die gemeinsame Vertretung der Allgemeinen Studierendenausschüsse der schleswig-holsteinischen Hochschulen, am kommenden Donnerstag von 14 bis 16 Uhr.
Die Forderungen der Studierenden
Der für alle interessierten Studierenden offene Arbeitskreises Inhalt des AStA der CAU hat einen Parlament und Regierung vorliegenden Forderungskatalog erarbeitet. Zentrale Forderungen sind:
- Mehr Autonomie für und Demokratie an den Hochschulen: Die Entscheidungen sollen vor Ort gefällt werden statt von sogenannten Hochschulräten oder dem Ministerium. Den Studierenden muss ein hohes Maß an Mitbestimmung gewährt werden.
- Bessere Finanzierung der Hochschulen: Dem Mangel u.a. an Lehrkräften und angemessenen Räumlichkeiten muss abgeholfen werden.
- Ausweitung der BAföG-Förderung: Die Elternfreibeträge sind zu niedrig. Bei gestiegener Stundenbelastung ist für viele Studierende ein Nebenjob nicht möglich, sodass sie auf BAföG-Zahlungen angewiesen sind. (Bisher erhält nur etwa jeder vierte Student BAföG-Zahlungen.) Ehrenamtliches Engagement soll eine Verlängerung der Höchstförderungsdauer ermöglichen.
- Keine Studiengebühren in jeglicher Form: Die Studierenden fordern die wortgetreue Einhaltung des Koalitionsvertrages der Landesregierung Schleswig-Holsteins.
- Neugestaltung des Bologna-Prozesses:
- Freie Studiengestaltung statt Anwesenheitspflicht
- angemessene Prüfungskultur, z.B. durch die Möglichkeit Prüfungsleistungen zu wiederholen
- freier Zugang zum Masterstudium
- Akkreditierung neuer Studiengänge durch ein zentrales, demokratisch legitimiertes Gremium auf Bundesebene unter Beteiligung der Studierenden
- weitgehende, gegenseitige Anerkennung von Studienleistungen innerhalb Deutschlands und Europas
Angesichts dessen, dass der letzte Punkt ein zentrales Ziel des Bologna-Prozesses für Europas Hochschullandschaft war, kann es nur als Armutszeugnis für dessen Umsetzung gelten, dass die Situation nach Bologna teils schlechter ist als vorher. Der Gesamtkatalog kann hier eingesehen werden. Es bleibt abzuwarten, welche Ergebnisse die Gespräche der kommenden Woche haben werden. Manche der Forderungen lassen sich nur auf Bundesebene durchsetzen oder wurden bereits von der KMK aufgegriffen. Andere wiederum, wie etwa der Ruf nach einer besseren Finanzierung, dürften es angesichts der akuten Finanznot des Landes Schleswig-Holstein schwer haben. Hier wird es auf die Prioritätensetzung in den nächsten Landeshaushalten ankommen.
Jörg Ludolph