Etwas umständlich ist der Titel, das Sujet hingegen scheinbar umso leichter zugänglich: "Cocker Spaniel and Other Tools for International Understanding" heißt die aktuelle Ausstellung in der Kieler Kunsthalle, die sich mit Hund, aber auch mit Herrchen, auseinandersetzt und am vergangenen Sonntag eröffnet wurde.
Stadtpräsidentin Cathy Kietzer, der ehemalige Kunsthallen-Direktor Dirk Luckow (der die Ausstellung trotz seines Wechsels an die Hamburger Deichtorhallen noch kuratierte) und Stifterin Brigitte Gerisch-Hölk – ohne erkrankten Ehemann, dafür mit Dobermann Baron – führten am
Sonntagvormittag in die Ausstellung ein. Das Interesse war groß, kaum ein Platz im Saal war mehr frei. Kein Wunder, kommen bei der Ausstellung doch Hundefreunde und Kunstliebhaber gleichermaßen auf ihre Kosten.
"Auf der ganzen Welt finden sie ihn niedlich und bezaubernd"
"Cocker Spaniel and Other Tools for International Understanding" thematisiert die Vielschichtigkeit des Hundecharakters in der Kunstgeschichte. Ausgehend von zeitgenössischen Positionen der Gegenwartskunst spannt sich der Bogen durch insgesamt fünf Jahrhunderte. Der Titel verweist dabei auf einen der populärsten Hunde - den Cocker Spaniel. Dirk Luckow: "Auf der ganzen Welt finden sie ihn niedlich und bezaubernd, das ist das international Verbindende an ihm." Neben dem süßen Spaniel werden in der Schau jedoch auch zahlreiche weitere Hunderassen berücksichtigt: So wimmeln die Hallen vor Windhunden, Beagles, Pudeln, königlichen Schäferhunden oder moppeligen Möpsen.
Die knapp 70 Gemälde, Skulpturen, Zeichnungen, Grafiken, Fotografien und Videos beleuchten facettenreich die Spannbreite der Mensch-Hund-Beziehung, sowie die Rolle und Interpretation des Hundes im Kunstgeschehen. Dirk Luckow schreibt im Ausstellungskatalog: "Der Hund ist nicht nur ein Spiegel der menschlichen Seele. Historische Handels- und Heerstraßen, Völkerwanderungen und Religionen werden anhand der Geschichte verschiedenster Hunderassen greifbar." Auch in der Gegenwart hat der Hund diesen reflektierenden Status nicht verloren. "Am Beispiel der Hunde lassen sich soziale Wirklichkeiten protokollieren", so Luckow weiter, "etwa im Aufeinandertreffen der verschiedensten Schichten und Kulturen in Großstädten." Der Hund als Medium der Ersatzkommunikation – jeder dritte Hundehalter bekennt, dass er keinem Menschen so nahe steht wie seinem Vierbeiner – ermöglicht außerdem eine emotionale Bindung, fast wie ein Mensch.
Psychologische Tiefe und Hintergründigkeit
Viele der exponierten Werke unterwandern die scheinbare Einfachheit des Themas durch psychologische Tiefe und Hintergründigkeit. So beispielsweise das Gemälde "Des Yeux Verts – Sans Visage" von Martin Eder: Den beiden ganzfigürigen Labradoren fehlt das wichtigste Merkmal der Kontaktaufnahme – ihre Augen. Diese leuchten grün übermalt wie die Wand, vor der die Vierbeiner sitzen. Wie durch eine Maske blickt der Betrachter durch die Hunde hindurch und findet statt Liebe und Treue nur das Nichts und die Irritation. Hin und wieder wird gar der Mensch zum Hund. Elija-Liisa Ahtilas Fotoreihe "Dog Bites" zeigt eine Frau, die einen Hund imitiert. Bizarr wird es, als das nackte Modell Pfötchen gibt und so plötzlich der Mensch den Hund nachahmt, der ja mit dieser Geste den Menschen imitiert.
Während im unteren Stockwerk der Hund weitgehend als niedliches Kuscheltier, als Gefährte und treuer Freund thematisiert wird, hat sich die Kategorie „Der will doch nur spielen“ spätestens im zweiten Stock erledigt. Die „Meute“ von Jochem Hendricks, bestehend aus acht präparierten Kampfhunden wirkt ziemlich bedrohlich, Santiago Ydánez' Gemälde "Untitled (Dog)" angsteinflößend und abstoßend.
Und mindestens ein wahrhaftiger Hundehasser ist auch vertreten: Florian Henckel von Donnersmarck (bekannt als Regisseur von "Das Leben der Anderen") zeigt in seinem vierminütigen Film "Dobermann" den Morgenspaziergang eines Hundehassers, der es unerwartet mit einem Dobermann zu tun bekommt.
"Mit dem Weltverhältnis des Hundes hat es etwas Besonderes auf sich. Der Hund ist das einzige Tier, das evolutionär auf den Menschen gesetzt hat. Er hat sozusagen auf ihn gewettet", schreibt Schriftsteller Daniel Kehlmann. Das Ergebnis dieser Wette quasi dokumentiert "Cocker Spaniel and Other Tools for International Understanding". Eine sehenswerte Ausstellung, besonders bei diesem herbstlichen – Achtung, Wortspiel – Hundewetter.
Kunsthalle zu Kiel, Düsternbrooker Weg 1. Bis 10. Januar, dienstags bis sonntags 10 bis 18 Uhr, mittwochs 10 bis 20 Uhr, montags geschlossen. Weitere Informationen, auch zu den zahlreichen Begleitveranstaltungen unter www.kunsthalle-kiel.de .
Franziska Falkenberg
Fotos: Elizabeth Youngman/ Repros: Kunsthalle Kiel