Kieler Woche: Wenig Wind, spannendes Match Race
Der Wind hat die Kieler Woche am zweiten Tag weitestgehend im Stich gelassen. Lediglich die Jachten konnten die ersten Wettfahrten im Kiel-Cup in ORC international über die Bahn bringen, und im olympischen Teil waren die Match-Race-Damen mit den am Vortag ausgefallenen Wettfahrten aktiv.
Dabei schaffte als einzige Deutsche Silke Hahlbrock (Hamburg) mit fünf Siegen den direkten Einzug in das Viertelfinale. Ulrike Schümann (Berlin) und Svenja Puls (Kiel) müssen über den Hoffnungslauf am Montag ihr Glück versuchen.
Für die anderen Aktiven gab es reichlich Gelegenheit, das bisher Geschehene Revue passieren zu lassen. Vor allem Surferin Moana Delle (Kiel) und die 470er-Männer Lucas Zellmer/Heiko Seelig (Berlin) hatten nach ihren Doppelsiegen vor Vortag allen Grund zur Freude. „Nach einem Jahr Pause läuft es bei uns richtig rund. Wir haben im Winter hart gearbeitet, das zahlt sich jetzt aus. Unser Ziel ist ganz klar Olympia 2012“, sagte Zellmer, der gerade erst zum zweiten Mal in seiner Karriere Vize-Europameister geworden ist und damit vom Sportdirektor des Deutschen Seglerverbandes, Hans Sendes, ganz aktuell die Aufnahme in den A-Kader bestätigt bekam. Nun kann das Team Zellmer/Seelig ganz entspannt zur WM fahren. Mit dabei ist dann auch „Petterson“, das neue Boot der beiden. „Den Namen haben meine Kinder ausgewechselt. Für die bin ich der alte Mann“, so Zellmer, der sich mit seinen 31 Jahren auch in seiner Klasse einem jugendlichen Ansturm gegenübersieht: „Ausgestiegen sind wenige, dafür kommen viele junge Leute nach.“
Die Unbekümmertheit der Jugend bringt Moana Delle mit. Die 20-Jährige drückt mit Vehemenz in die deutsche Spitze, führt das Kieler-Woche-Feld klar an, gibt allerdings zu, dass die Qualität in diesem Jahr nicht so hoch ist. „Viele starke Surferinnen haben sich für die bis Sonnabend laufenden Europameisterschaften entschieden. Aber meine Planung ist auf die WM im September ausgerichtet, da machte die EM jetzt keinen Sinn.“
Wieder in Richtung Weltspitze unterwegs ist Surferkollege Toni Wilhelm. Nachdem er sich im Winter dem Studium der Sportwissenschaften gewidmet und nur noch den Magisterabschluss vor sich hat, will er sich nun wieder auf das Surfen konzentrieren. Aus der Erfahrung der verpassten Olympiaqualifikation hat er allerdings seine Erfahrungen gezogen: „Ich gehe mit viel Spaß an die Sache ran und werde die Reiseplanung entspannter handhaben.“
Ebenfalls Studium und Sport unter einen Hut muss Simon Grotelüschen bringen. Der Medizinstudent aus Kiel hat sich aber trotz aller Regatta-Aktivitäten nicht davon abhalten lassen, kurz vor dem Physikum zu stehen. „Wenn das geschafft ist, setze ich in den kommenden drei Jahren voll auf das Segeln, schreibe eventuell nebenbei meine Doktorarbeit.“ Unterstützt wird er auf seinem Sportlerweg nicht nur durch den heimischen Lübecker Yacht Club, den DSV und den Heinz-Nixdorf-Verein, sondern auch durch ein Stipendium des Schleswig-Holsteinischen Seglerverband, das er sich mit Vereinskollegen Oltmann Thyen teilt. Bei der Kieler Woche nutzt er die Gelegenheit, sich von Champion Paul Goodison (Großbritannien) etwas abzugucken. „Goodison ist wirklich in jeder Phase schnell. Für uns junge Segler ist es schon schwierig, in kniffligen Situation das Niveau zu halten“, so Grotelüschen, der als Siebter unter 177 Teilnehmern aber bestens auf Kurs liegt.
Offenbar den Anschluss an die Weltspitze hat auch die neuformierte Starboot-Crew Johannes Polgar/Tim Kröger (Hamburg) geschafft. „Als Zweite hatten wir eine Wand von goldenen Sternen, der ehemaligen Weltmeister, hinter uns“, freute sich Polgar, der in der Zusammenarbeit mit einer derzeit starken deutschen Flotte eine gute Zusammenarbeit sieht: „Offenbar wurde einige Animositäten der Vergangenheit beigelegt.“ Vorschoter Tim Kröger bremste allerdings alle hochfliegenden Träume: „Wir sollten das Ergebnis nicht überbewerten. Das war unser Wind. Aber wir machen jetzt nicht fly high in the sky, umso härter würde man fallen.“
Auf der Seebahn rangiert angesichts der lauen Brise die „Beluga“ von Christian Plump (KYC/Bremen) etwas überraschend auf Rang eins der Kaiserpokal-Wertung der großen Jachten (ORC I). „Wir haben einen neuen Kiel unter das Schiff gesetzt, da wir unsere Performance für Starkwind verbessern wollten. Damit haben wir bei schwächeren Winden eigentlich weniger Speed“, berichtete Plump. Es reichte aber auf der Mittelstrecke (Senatspreis) zu Platz zwei sowie auf den beiden kurzen Strecken von Sonntag zu einem Tagessieg und einem dritten Rang.
Erste Anwärterin auf den Gesamtsieg bleibt allerdings die „König&Xie“, die nach dem Senatspreissieg im Chaosrennen am Sonntagmittag patzte, dann aber mit einem weiteren Tagessieg wieder in die Erfolgsspur fand. „Die Bedingungen waren im ersten Up-and-Down sehr schwierig. Der Wind stand erst auf 245 Grad, drehte dann auf 310 und schließlich auf 210 zurück“, berichtete Benjamin Storm von der Wettfahrtleitung.
Die böigen und drehenden Winden bereiteten auch der reinen Damen-Crew von der „Tutima“ einige Probleme. Eigens zur Kieler Woche auf die 14-Meter-Jacht umgestiegen, hatten sie noch Mühe, die riesigen Segel zu bändigen. „Wir hatten in einer Schauerböe ein Spi-Malheur, das uns viel Zeit gekostet hat“, erklärte Skipperin Kirsten Harmstorf (Hamburg). Zudem ist der Vermessungswert ungünstig für die derzeit auf Rang sechs in der Klasse ORC I positionierten 46-Fuß-Jacht.
Eindeutig auf Kurs Titelverteidigung liegt in der ORC II die „Patent 3“ von Jürgen Klinghardt aus Lübeck, der mit zwei Siegen und einem dritten Platz vor der dänischen „Hansen“ führt. Ein ungewohntes Bild gibt es dagegen bei den kleinen Jachten (ORC III+IV), bei denen sich die erfolgsverwöhnte „Froschkönig“ von Detlef Amlong (Schwedeneck) hinter der „Cala Ventinove“ von Uwe Wenzel (Bremen) einreihen muss.
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