Das lange Warten auf den Wind wurde fürstlich belohnt. Mit Kaiserwetter wartete die 127jährige Kieler Woche am Dienstag auf. Ungetrübte Sonne, dazu eine stetige Brise aus östlichen Richtungen – schöner kann Segeln kaum sein.
Kaiserwetter nennt man das vor Kiel, „Champagner-Segeln“, sagte Tamsin Rand vom Weltseglerverband ISAF. Und bei Wettfahrtleitung und Aktiven war die Erleichterung gleichermaßen zu spüren. „Endlich dürfen wir segeln“, frohlockte der Berliner 470er-Steuermann Lucas Zellmer beim Auslaufen. Bis zu drei Wettfahrten wurden auf den Bahnen gesegelt, in drei Klassen bei den olympischen Disziplinen liegen deutsche Crews vorn.
Die heutigen Medal-Races in den zehn olympischen und der paralympischen Klasse 2.4 mR haben insgesamt 15 deutsche Crews geschafft. Die Entscheidungen in den Klassen Match Race Frauen, Laser, Laser radial und Finn fallen ohne deutsche Beteiligung.
Den Abschluss der ersten Kieler-Woche-Hälfte für die Jachten krönte die „König&Xie“-Crew um Sven-Erik Horsch (Kiel). Sie nahm den Kaiserpokal für das beste Schiff in der Gesamtwertung aus Senatspreis und Kiel-Cup entgegen. Erstmals wurde diese Entscheidung in einem Rennen mit Känguru-Start ausgesegelt. Nachdem sich in der Gesamtwertung aus dem Senatspreis vom Sonnabend und dem Kiel-Cup (Sonntag bis Montag) die „König&Xie“ (ORCi I), die „Patent 3“ (ORCi 2) sowie die „Cala Ventinove“ (ORCi III+IV) als jeweils Beste ihrer Klassen erwiesen hatten, mussten sie im direkten Vergleich gegeneinander antreten. Bei dem Kurzrennen über eine Seemeile in Sichtweite des Olympiazentrums wurden die zu segelnden Zeiten vorweg berechnet und in Zeitvorsprünge für die kleineren Jachten umgewandelt. So entwickelte sich ein spannender Rennverlauf, bei dem die „König&Xie“ Meter um Meter den Abstand verringerte. „Vor dem Start waren wir ein bisschen skeptisch. Aber wir hatten den Vorteil in der Jägerposition zu sein. Jede Böe, die uns näher heranbrachte, gab uns einen zusätzlichen Pusch“, berichtete Horsch. Kurz vor dem Ziel drückte er sich schließlich an der Konkurrenz vorbei, ging mit drei Bootslängen vor der „Patent 3“ von Jürgen Klinghardt (Lübeck) und schließlich der „Cala Ventinove“ von Uwe Wenzel (Bremen) ins Ziel. „Ein spannendes Format. Schön, dass man nicht auf die Berechnung warten muss, sondern sofort weiß, wer gewonnen hat. Diese Form sollte man in Zukunft beibehalten“, so Horsch.
Scheinbar sicher auf Siegkurs liegt die Kieler Surferin Moana Delle, die bisher ausschließlich Tagessiege einfuhr. Auch ihre männlichen Kollegen Toni Wilhelm (Kiel, 2.) und die Altenholzer Brüder Christian (6.) und Florian Freimüller (7.) liegen gut auf Kurs. Die beiden Brüder gestanden vor dem Finallauf ein, dass sie durchaus auf den Bruder gucken und versuchen würden, ihn zu schlagen.
Foto: segel-bilder.de/Kieler Woche
Einen überragenden Kieler-Woche-Auftritt legt auch die junge 49er-Crew Lennart Briesenick-Pudenz/Morten Massmann aus Flensburg hin. Nachdem sie sich in diesem Jahr in die Weltspitze vorgearbeitet hat, darf sie jetzt sogar von dem Sieg vor Kiel träumen. „Bisher waren wir sehr zurückhaltend, aber jetzt wollen wir natürlich unsere Position verteidigen“, sagt Briesenick-Pudenz vor dem entscheidenden Medaillen-Rennen. Druck lassen die beiden aber nicht aufkommen: „Wir werden den Abend ganz normal bei unseren Großeltern verbringen, freuen uns auf ein schönes Rennen und gehen locker an die Sache ran“, so Massmann.
Bereits dreimal durfte Heiko Kröger (Kiel) in der 2.4 mR die Erfahrung eines Erfolges auf seinem Heimatrevier machen, zuletzt 2005. Jetzt ist er auf dem besten Weg, den vierten Kiel-Titel einzufahren. Vor dem Finale hat er sich an seinen Dauerrivalen Thierry Schmitter (Niederlande) und Jens Als Andersen (Dänemark) vorbei geschoben.
Bei den 470er-Männern deutet sich am Mittwoch ein Herzschlagfinale an. Der kroatische Europameister Semi Fantela hat knapp die Führung übernommen vor den beiden deutschen Verfolgern Jan-Jasper Wagner/Lennart Scheufler (Berlin) und Lucas Zellmer/Heiko Seelig (Berlin), die im letzten Rennen eine Frühstart-Disqualifikation hinnehmen mussten. Bei den 470er-Frauen sind noch drei Frauen dabei. Wibke Wriggers/Geeske Genrich, Anina Wagner/Marlene Steinherr und Annika Bochmann/Anika Lorenz vertreten die deutschen Farben.
Ebenfalls mit drei Crews gehen die deutschen Starboote ins Finale. Alexander Schlonski/Frithjof Kleen (Rostock, 6.), Johannes Babendererde/Timo Jacobs (Lübeck, 8.) und Robert Stanjek/Markus Koy (Hamburg, 10.). „Ein Erfolg bei der Kieler Woche hat einen sehr hohen Stellenwert. Durch die anschließende Europameisterschaft und den neuen ISAF Sailing World Cup steigt der noch“, freut sich Babendererde auf das heutige Medaillenrennen. Schlonski war froh, überhaupt noch am Mittwoch dabei zu sein: „Wir hatten ein schlechtes Rennen und mussten unsere konservative Taktik über Bord werfen. Zum Glück hat sich das ausgezahlt.“ Gegen den führenden Olympiasieger Ian Percy (Großbritannien) sind die deutschen Crews allerdings chancenlos.
Der Mittwoch steht vor Schilksee nun ganz im Zeichen des Wechsels von einem Höhepunkt zum nächsten. Während die Olympiaklassen bei den Medaillenrennen direkt vor der Schilkseer Mole ihre Kieler-Woche-Sieger ermitteln, starten die 505er und die X-41-Jachten in ihre Europameisterschaften. Für die in Nordeuropa stark verbreitete X-35-Klasse geht es nach 2007 zum zweiten Mal vor Kiel um den Weltmeistertitel.