Obwohl Claus Oppermann und Gerald Grote mit ihrem Film „Schnee von gestern“ schon vor über einem Jahr Premiere feierten, sind Sie immer noch in Schleswig-Holstein unterwegs und stellen ihr Werk vor. KIELerLEBEN-Redakteurin Dana Wengert traf die Filmemacher und sprach mit ihnen über die Schneekatastrophe, die Filmszene in Kiel und neue Projekte.
KIELerLEBEN: Wie sind Sie denn beide zum Film gekommen?
Claus Oppermann: Ich habe mit 13 meinen ersten Film gedreht, mit der Super-8-Kamera meines Vaters. Ich war damals schon ein großer Fan des Kinos und habe davon geträumt, das auch mal zu machen. Nach dem Abi war für mich klar, dass ich zum Film will und nichts anderes. Die entscheidende Geschichte passierte dann auf einer Technik-Messe in Hannover, wo es einen Filmwettbewerb gab, bei dem ich mitgemacht habe. Der betreuende Medienpädagoge war begeistert und hat mich dem NDR-Intendanten vorgestellt, der mich schließlich einlud, ein Praktikum zu machen. Das war für mich ein Wendepunkt: Da sagt jemand von „ganz oben“, dass ich Talent habe. Also habe ich Praktika gemacht, als Kamera-Assistent gearbeitet und schließlich ein Kamera-Studium gemacht.
Gerald Grote: Ich habe zwar mit 16 meinen ersten Spielfilm gedreht, habe dann aber erstmal nichts mehr mit Film zu tun gehabt. Ich habe mein Abitur gemacht, einen Beruf gelernt und noch ein Studium angehängt. Natürlich habe ich schon immer viele Filme gesehen, hier im Kieler Metro habe ich meine ersten Filmerfahrungen gesammelt. Irgendwann hatte ich dann die Idee, selbst etwas zu machen und habe dadurch Claus kennen gelernt. Eigentlich kann ich das ja gar nicht, ich habe das ja nicht studiert. Mit Claus traf ich schließlich jemanden, der das professionell beherrscht, und konnte so Ideen austauschen, und erste Projekte konnten gestartet werden. Für mich ist das also ein Späteinstieg, ich habe da ja nie mit gerechnet (lacht). Das kann ich also nur empfehlen, es gibt ja so viele kreative Leute hier ...
Also sehen Sie die Filmszene in Kiel und den Nachwuchs als gut an?
Claus Oppermann: Es gibt in diesem Landkreis eine tolle, lebendige und auch wirklich große Filmszene. Wir hatten vor etwa zwei Monaten eine Kurzfilmnacht, da waren vierhundert Leute da! Leider wird das in den Medien fast gar nicht wahrgenommen. Das sind ja teilweise Leute, die jetzt erst anfangen. Später machen sie dann mal ihren ersten Kurzfilm, der vielleicht auch Preise gewinnt. Zum Studieren gehen sie dann in einen anderen Landkreis und bleiben schließlich dort, weil die Karrierechancen einfach größer sind.
Was würden Sie Nachwuchs-Filmemachern raten?
Gerald Grote: Durch den Offenen Kanal kann man sich sehr gut schon mal über Kurse schlau machen, auch über das Studentenwerk hat man viele Möglichkeiten. Und dann gibt es noch die Landesarbeitsgemeinschaft (LAG) Jugend und Film. Das sind schon mal drei Anlaufstellen, die weiterhelfen können.
Claus Oppermann: Ich denke, machen ist das Wichtigste. Teils fragen mich Leute, wo man sowas studieren kann, was man lernen sollte. Ich frage dann immer, was sie denn schon gemacht haben und dann kommt von ihnen: „nichts“. Wie soll man denn wissen, dass man den Beruf lernen will, wenn man noch nichts gemacht hat? Ich rate ihnen dann, erstmal ein Praktikum zu machen, um zu gucken, ob der ganze Arbeitsaufwand überhaupt zu einem passt. Und dann einfach machen - mit der heutigen Technik sollte das ja kein Problem sein. Billy Wilder hat mal gesagt: „Ein guter Film braucht drei Dinge: ein gutes Drehbuch, ein gutes Drehbuch und ein gutes Drehbuch“. Wenn man eine gute Idee hat, also erstmal in irgendeiner Form aufschreiben, und dann merkt man im Laufe der Arbeit, wo noch etwas anders gemacht werden kann. Und schließlich kann man sich bei den von Gerald genannten Institutionen nochmal von professioneller Seite beraten lassen.
Wie beurteilen Sie die Filmmöglichkeiten in Schleswig-Holstein?
Gerald Grote: Schleswig-Holstein ist ja nun mal das schönste Bundesland - weil es zwischen den Meeren liegt, weil es sehr rau ist und weil es wahrscheinlich auch die herzlichsten Menschen hat, das ist jedenfalls mein Empfinden. Und hier etwas zu machen und etwas zu bewegen, wo die Filmförderung und die Aufmerksamkeit nicht so da ist, das ist schon eine viel größere Leistung als anderswo.
Claus Oppermann: Eigentlich sind wir in der Hinsicht ja ein Entwicklungsland (lacht). Andere Länder haben schon vor zehn Jahren begriffen, wie wichtig Film ist und dass dieses Berufsfeld auch Arbeitsplätze schafft. Und das kann man ja mit Schleswig-Holstein überhaupt noch nicht vergleichen. Aber hier gibt es tolle Leute und vor allem auch tolle Landschaften – hier kann man vom Störtebeker-Film, über den Heimatfilm bis hin zum Western alles machen. Man hat tolle historische Städte, man hat diese Weite … das ist nicht nur Strand und Meer. Wir sind ja beide auch, obwohl es uns schon weit in die Welt getragen hatte, immer wieder zurück gekommen, weil wir es hier so schön finden.
Wie sind Sie auf die Idee gekommen, die Schneekatastrophe von 1978/79 zum Thema Ihres Films zu nehmen?
Claus Oppermann: Das kam durch den Film, den wir knapp zwei Jahre vorher gemacht haben – „8 Millimeter Kieler Woche“. Während wir an ihm arbeiteten, haben immer mehr Leute uns angeboten, dass sie auch noch anderes Material zur Verfügung stellen würden, unter anderem Aufnahmen der Schneekatastrophe. Und da sich das im Jahr 2008/2009 auch noch zum dreißigsten Mal jährte und generell ein spannendes Thema ist, haben wir am 28. Dezember 2007, dem Jahrestag, einen Aufruf gestartet, dass wir Material suchen. Da kamen dann über 150 Rückmeldungen - von Filmen über Fotos, Dias und Zeitungsausschnitten bis hin zu denen, die nur ihre Erinnerung mit uns teilen wollten.
Und wie wurde aus den verschiedenen Super-8-Filmen dann schließlich der Film?
Claus Oppermann: Wir sind zu jedem hingefahren, haben mit den Leuten geredet, das Filmmaterial selbst dort abgeholt und dann ins Kopierwerk nach Berlin gebracht und digitalisiert. Dann wieder abgeholt und zu den Leuten zurückgebracht. Denn diese Super-8-Filme sind Originale, wenn das verloren geht, ist der Film kaputt. Und es sind ja alles mitunter sehr private Erinnerungen, auch von Dingen außerhalb der Schneekatastrophe, die hatten natürlich auch noch einen individuellen Wert.
Wie haben Sie die Schneekatastrophe erlebt?
Claus Oppermann: Ich war in einem kleinen Ort bei Flensburg, das war einer der Orte, die komplett abgeschnitten waren – kein Strom, kein fließendes Wasser, keine Heizung … Wir sind dann noch zur Nachbarin rübergegangen, die einen alten Holzofen hatte, um uns aufzuwärmen. Nahrungsmittel wurden abgeworfen und später kamen Panzer ins Dorf, die Alte und Kranke evakuierten. Wir Kinder fanden das natürlich toll, wir hatten ja auch schulfrei (lacht). Aber nach ein paar Tagen merkte man, dass bei den Erwachsenen die Stimmung kippte, die Älteren erinnerten sich an Situationen aus dem Krieg. Da war auch uns klar, dass es neben dem Rodeln und den Schneeballschlachten doch ernster wurde.
Gerald Grote: Ich denke, irgendwann wird es sicher wieder eine vergleichbare Situation geben, vielleicht nicht durch Schnee, aber irgendetwas wird sicher kommen. Und da ist es immer interessant zu sehen, wie die Menschen damit umgehen. Bei der Schneekatastrophe merkten die Leute, dass sie sich in Gemeinschaft stark machen konnten, dass sie Wege frei räumen können, haben geguckt, wer Arzneimittel braucht und sich umeinander gekümmert. Das ist ja auch eine zentrale Aussage in unserem Film, am Ende sagt einer: „Es wäre gar nicht schlecht, wenn nochmal so eine kleine Schneekatastrophe käme, dann würden die Menschen aufgerüttelt werden“.
Haben Sie einen Traum, das „größte“ und „tollste“, was Sie gerne mal machen würden?
Claus Oppermann: Ich habe schon seit fünf, sechs Jahren den Traum, mal einen Piratenfilm zu machen, wo die Hauptdarsteller aber Kinder sind. So in die Richtung wie „Bugsy Malone“ von Alan Parker. Das ist ein Gangsterfilm um Al Capone mit Kindern, die schießen aber nicht mit Munition, sondern mit Schlagsahne. Das war die erste Rolle von Jodie Foster. Etwas in der Art wollte ich eigentlich als Abschlussfilm für mein Studium machen, aber das war finanziell nicht möglich. Das würde ich gerne mal machen, wenn ich mal groß bin (lacht).