KIELerLEBEN traf die ehemalige Ministerpräsidentin Schleswig-Holsteins und sprach mit ihr über ihr Leben nach ihrer politischen Karriere, über Hobbys, Ehe und Sammelleidenschaften.
KIELerLEBEN: Frau Simonis, was machen Sie jetzt eigentlich?
Heide Simonis: Zu viel. Nicht so viel wie früher, aber ich tendiere immer dazu, mir zu viel vorzunehmen. Wenn ich abends ins Bett gehe, denke ich oft: Du hättest auch mit der Hälfte einen schönen Tag gehabt.
Was genau nehmen Sie sich denn alles vor?
Ich halte zum Beispiel einen politischen Schirm über ein paar Gruppen, die sich allein nicht helfen können: Vereine für traumatisierte und alkoholkranke Frauen, traumatisierte Kinder, Flüchtlings- und Immigrantenkinder … Ich sorge dafür, dass sie Geld und Aufmerksamkeit bekommen. Ich unterstütze zum Beispiel den Bunten Kreis Lübeck, der sich für schwerkranke Kinder einsetzt. Außerdem habe ich gerade ein Buch fertiggestellt – Grimms Märchen mal ganz anders erzählt.
Wie genau „anders“?
Märchen wurden ja geschrieben, damit Kinder das Richtige lernen: Stiefmütter sind böse. Mädchen, die nicht ihre Pflichten erledigen, werden bestraft, nur die artigen Kinder werden am Ende belohnt. Ich halte diese Moralvorstellungen für überholt und glaube nicht, dass Kinder damit heutzutage noch etwas anfangen können. Deshalb habe ich die berühmtesten Grimm’schen Märchen umgeschrieben. In Dornröschen muss das Dornröschen normalerweise hundert Jahre schlafen, weil es und ihr Vater eine alte Frau nicht respektvoll behandelt haben. In meiner Version schläft sie nur so lange, weil kein Prinz sich traut, sie wachzuküssen. Sie hat nämlich ganz schrecklichen Mundgeruch.
Wann erscheint das Buch?
Das weiß ich noch nicht. Ich habe es jetzt erst mal dem Verlag geschickt. Kann auch sein, dass sie die Hände über dem Kopf zusammenschlagen und sagen: Nein, lieber nicht. Parallel schreibe ich noch an einem Krimi. Ob das je was wird, kann ich noch nicht sagen.
Wie sieht Ihr typischer Alltag aus?
Morgens lese ich Zeitung, gucke, was es in Kiel und der Welt Neues gibt und was die Bankenwirtschaft macht. Dazu trinke ich ein Tässchen schwarzen Tee, damit ich langsam in die Gänge komme. Dann wurschtele ich mich so durch den Tag, mal hierhin und mal dorthin, ein Vortrag hier, ein Vereinstreffen da. Ich habe jetzt angefangen, Fitness zu machen: schwimmen. Meine Schwester nötigt mich dazu. Sie steht so lange mit dem Auto unten vor der Türe, bis ich komme.
Für welche Hobbys nehmen Sie sich jetzt noch wieder Zeit?
Ich bin Präsidentin des Sängerbundes Schleswig-Holstein. Mein Singen ist in meiner aktiven Zeit als Politikerin viel zu kurz gekommen. Ich glaube, ich hätte heute eine ganz hübsche Stimme, wenn ich nicht zwischendurch ausgesetzt hätte. Jetzt marschiere ich wieder brav einmal in der Woche zu meiner Gesangslehrerin.
Treten Sie auch auf?
Ich habe 2009 beim Mitsing-Event der Oper Kiel mitgemacht: Carmina Burana. Hierbei hatten Laiensänger die Möglichkeit, mit Profisängern zu singen. Dieses Jahr mache ich wieder mit. Diesmal ist Mahler dran – das ist viel schwieriger. Das übe ich jetzt mit meiner Gesangslehrerin. Ich singe hohen Sopran, rutsche aber langsam runter. (lacht)
Was machen Sie gemeinsam mit Ihrem Mann?
Nicht so viel. Er hat mir neulich geholfen, als mein Computer abgestürzt ist …
Haben Sie keine gemeinsamen Hobbys?
Haben wir nie gehabt. Obwohl … Wir gehen gern in klassische Konzerte und reisen beide gern.
Es heißt ja, wenn beide Partner in den Ruhestand gehen, müssen sie sich erst wieder aneinander gewöhnen …
Das haben Sie nett ausgedrückt. Das kann ich nur bestätigen. Ich habe einen ganz anderen Tagesrhythmus als mein Mann. Er frühstückt, ich nicht. Und er isst sehr viel früher Mittag als ich. Man muss sich ganz neu arrangieren – auch in Sachen Haushalt. Udo ist zum Beispiel ein wunderbarer Füller und Ausräumer von Wasch- und Spülmaschinen. Das kann ich nicht so gut wie er. Ansonsten ist er als Hausmann eine Katastrophe. Er verlegt ständig Dinge. Wenn Udo etwas sucht, dann ist es garantiert da, wo er bereits gesucht hat. Das ist so sicher wie das Amen in der Kirche. Er kann nicht systematisch suchen.
Sie sind leidenschaftliche Flohmarktgängerin – begleitet Ihr Mann Sie gelegentlich?
Kaum. Nur wenn ich ihn wirklich darum bitte. Er geht eher mit auf Haushaltsauflösungen. Da gibt es in der Regel in der Nähe ein Café, wo er Zeitung lesen kann. Oder er wartet im Auto. Das findet er gut: Da ist Ruhe, und ich bin weg. Aber in diese An- und Verkaufläden, zum Beispiel „Sparfuchs“ in der Möllingstraße, kriegen ihn keine zehn Pferde rein. Da geht kein Mensch freiwillig rein außer mir. Aber meine Erfahrung hat gezeigt: Man kriegt die schönsten Sachen in den schmutzigsten Läden.
Ihre Wohnung gleicht einem Museum – was sammeln Sie alles?
Töpfe, Tiegelchen, Tellerchen und Tässchen. Ich habe jetzt angefangen, mich auf Rosenthal-Porzellan aus den 50er Jahren zu konzentrieren. Gläser, Salatschüsseln, Fächermuster-Besteck von WMF – ich glaube, ich könnte ein Restaurant aufmachen. (lacht) Kerzenhalter, Leinenhandtücher, -tischdecken und -bettwäsche, Lampen, Bilder, Vasen … Ich nehme eigentlich alles mit, was noch brauchbar ist. Und dann sitze ich zu Hause und überlege: Wem, um Himmels Willen, schenkst du das jetzt? Im Sommer hatten wir vier oder fünf elektrische Grillapparate – das war Quatsch, denn wir brauchten nicht mal einen. Aber die sahen so hübsch verpackt aus …
Finden sich denn Abnehmer?
Es ist schwieriger geworden. Früher war immer jemand unter meinen Mitarbeitern, der sagte: Das kann ich gut gebrauchen. Bei meiner Familie brauche ich damit nicht mehr anzukommen. Ich muss einfach mal aufhören, das Zeug nach Hause zu schleppen.
Was sagt Ihr Mann dazu?
Er toleriert es. Nur in sein Zimmer dürfen die Sachen nicht. Wobei ich einen Biedermeier-Tisch hineingeschummelt habe. Es lag immer alles auf seinem Fußboden – das macht mich krank. Also habe ich ihm den Tisch vor die Tür gestellt. Zuerst hat mein Mann gesagt: Ach, du liebe Scheiße! Aber dann war er mir dankbar und hat den Tisch in sein Zimmer gestellt. Nun muss er sich nicht mehr bücken, und es wächst alles nach oben.
Sammeln Sie schon Ihr ganzes Leben?
Ja. Ich komme aus einer Kriegsgeneration – da hat man das Horten im Blut. Außerdem hieß es bei meinen Eltern damals: Aussteuer oder Ausbildung. Ich habe mich für das Studium entschieden. Als ich geheiratet habe, kam ich mit nichts. Ich hatte nur die Klamotten, die ich anhatte, ein paar Bücher und Schallplatten. Meine arme Schwiegermutter war richtig erschüttert darüber. Und da habe ich gesagt: Warte es ab, ich zeig’s dir. Und so fing ich an, mir auf Flohmärkten meinen ganzen Hausstand zusammenzusammeln.
Werden Sie oft gegrüßt?
Ja, von allen. Jeder will mir auf dem Flohmarkt etwas andrehen: Messer, Kaffeekannen … (lacht)
Und dann nähen Sie noch Quilts …
Ja, ich nähe alles mit der Hand. Das ist unheimlich viel Arbeit. Das mache ich, seit ich auf einer Reise nach Amerika in den 50er Jahren die ersten Quilts bei den Amish-Leuten gesehen habe. Mittlerweile stapeln sie sich bei mir. So habe ich immer ein schönes Geschenk auf Vorrat.
Sie haben sich immer für Kinder eingesetzt – warum haben Sie keinen eigenen Nachwuchs?
Es fehlte einfach die Zeit. Mein Mann war beruflich in Berlin, Kiel und Bordesholm, ich war in Bonn. Wir haben nie gesagt, wir wollen keine Kinder, aber auf einmal waren wir 40 und dachten: Nee, jetzt können wir’s vergessen. Wir haben nie damit gehadert. Es ist, wie es ist. Na ja, und jetzt sind wir Patentante und Patenonkel von vielen kleinen Kindern, die, Gott sei Dank, nach zwei Stunden wieder gehen. (lacht)
Das Interview führte Kerstin Klostermann