Ob Feuer spucken oder Krabben fischen – Redakteur Thore Albertsen tut das, was Sie sich wünschen. Dieses Mal ist er Zombie im Grusellabyrinth.Blair Witch Project, Saw oder The Ring – als bekennender Halloweenfanatiker und Horrorfilmliebhaber stehe ich, seitdem ich denken kann, auf alles, was gruselig, mysteriös und ein bisschen creepy ist. Und so freue ich mich wie ein kleines Kind an seinem Geburtstag, als ich erfahre, dass ich für einen Tag ein Teil des Casts im Grusellabyrinth sein darf.
Passend stehe ich am Freitag, den 13. September, in der dunklen Wartehalle des alten Güterbahnhofs zwischen Skeletten, Fackeln und violetten Laternen. Ein leicht modriger Geruch, wie man ihn aus alten Kirchen oder Friedhöfen an nebligen Tagen kennt, steigt mir in die Nase, und ich merke, wie sich meine Armhaare leicht aufstellen. Das ganze Szenario untermalt von leichter Orgelmusik.
Plötzlich klopft mir jemand auf die Schulter. Ein großer blonder Mann in einem schwarzen Hoodie steht hinter mir. „Ich bin Holger und werde dich heute das Gruseln lehren“, sagt er zunächst ernst, kann sich dann das Lachen aber nicht verkneifen. „Jetzt suchen wir dir aber erst einmal etwas Passenderes zum Anziehen.“
Holger Schliemann, der Geschäftsführer, geht mit mir durch das Restaurant „Die Rostige Eiche“, in der selbst die Bedienungen gruselig geschminkt sind, in den östlichen Bereich des 3.000 Quadratmeter großen, alten Bahnhofs. Hier befinden sich im ersten Stock, der von den Mitarbeitern liebevoll die „Irrenanstalt“ genannt wird, ein kleiner Teil des Kostümfundus und die Maske des Grusellabyrinths. Ich darf mir ein Kostüm aussuchen. Die Auswahlmöglichkeiten: ein zerfetzter blauer Overall, der perfekt in Texas Chainsaw Massacre gepasst hätte, und ein blutiges Psychokrankenpflegeroutfit in Klinikgrün. Ich entscheide mich für letzteres. Immerhin habe ich mich schon während meiner Zivildienstzeit in der Lubinus Klinik als Krankenpfleger bewährt. Dann geht’s in die Garderobe direkt gegenüber, wo sich bereits einige der Darsteller in ihre unheimlichen Kostüme werfen – vom Tod über einen Gargoyle, eine Art lebender hässlicher Wasserspeier, bis hin zur Hexe ist alles dabei.
In dem hell erleuchteten Raum, in dem an zwei Wänden Spiegelreihen mit Lampen befestigt sind, riecht es süßlich nach einer Mischung aus Make-up und Kleber. Zwischen den Darstellern herrscht eine ausgelassene Stimmung, und alle wirken viel mehr wie eine Familie als wie Arbeitskollegen. Auch ich werde sofort freundlich aufgenommen und sogar mit Umarmung begrüßt. Hier vereint alle die Lust an der Schauspielerei – und das verbindet.
Zwar schminken sich die Darsteller normalerweise alle selbst, für mich übernimmt dies jedoch ausnahmsweise Holger. Dafür klebt er mir zunächst mit einer weißen Flüssigkeit, die leicht nach Katzenurin riecht, eine aus Latex nachgeformte rot-braune Wunde an die Stirn und wickelt mir eine weiße Mullbinde um den Kopf. Dann geht’s ans Eingemachte: Die Augen werden dunkel, das Gesicht blass und fahl geschminkt, danach wird alles mit Kunstblut verschmiert.
Ich sehe wirklich aus, als wäre ich gerade aus einem klassischen Zombiefilm wie Resident Evil ausgebrochen. Nebenbei versuche ich schon einmal, in meine Rolle zu schlüpfen und mir die langsamen Bewegungen und die aufgerissenen Augen eines Zombies anzugewöhnen. Holger nickt und ist zufrieden mit seiner Arbeit: „Jetzt möchte ich dir im Dunkeln auch nicht mehr begegnen“, ruft mir ein Darsteller lächelnd herüber.
Dann folgt Station drei meines Zombiecamps: das Erschrecken. Wir gehen zurück zum Eingang des Grusellabyrinths. Zwischen einer roten Backsteinwand und dem Parkplatz üben wir, wie man Menschen wirklich das Fürchten lehren kann. Holger, der das Grusellabyrinth 2002 mit gegründet hat, zeigt mir alle seine Geheimtricks – von gruseligen Grimassen bis hin zu den richtigen Schreien ist alles dabei. Dann folgt noch eine kleine Abschlussübung beim Sensenmann, und ich darf ins Labyrinth und meine ersten Gäste erschrecken.
Die Aufregung in mir steigt immer höher. Ich gehe mit Holger in den hinteren Teil des langgezogenen alten Güterbahnhofs in mein zukünftiges Jagdrevier. Im Schummerlicht einer kleinen blauen Taschenlampe erkunden wir zunächst die unzähligen Gänge, in denen ich zusammen mit dem Gargoyle herumspuken darf. Ich versuche, mir alles einzuprägen, um mich nicht zu verlaufen, verliere jedoch bereits nach der zweiten Biegung den Überblick. Irgendwie muss es auch ohne Orientierung gehen. Denn die erste Gruppe wird schon ins Labyrinth gelassen.
Schnell suche ich mir ein Versteck – und kann mein Herz so laut klopfen hören, als wenn ich gleich selbst das Opfer wäre. Dann kommen die ersten Stimmen. Eine Gruppe, ausschließlich Frauen, versucht, den Weg durch das Labyrinth zu finden. Ich starte meine erste Attacke und schleiche auf die sich bewegende Meute im Dunkeln zu. Direkt vor mir steht jemand, ich halte mir die Taschenlampe unters Gesicht und leuchte kurz. Doch Fehlschlag, zwar schauen mich die Augen an, doch irgendwie verzieht sie keine Miene. Schnell mache ich die Taschenlampe wieder aus und mache mich in die andere Richtung davon, renne dabei sogar noch gegen eine Wand. Doch ich gebe nicht auf und beginne mit dem zweiten Versuch. Die Gruppe geht an mir vorbei, ich leuchte wieder mein Gesicht an, nehme all meinen Mut zusammen und schreie so laut, wie ich nur kann. Dieses Mal verfehlt meine Attacke nicht ihr Ziel, schreiend flüchten die Mädchen vor mir. Der tierische Instinkt in mir ist geweckt. Ich beginne, wie eine Katze zu lauern, versuche, jede Bewegung im Dunkeln wahrzunehmen, bewege mich blitzartig auf die Besucher zu und erschrecke sie. Ein richtig gutes Gefühl, so die Oberhand zu haben.
Nach fünf Minuten ist es vorbei. Die Mädchen werden erlöst und in den nächsten Raum geführt. 21 dieser Stationen machen die einzelnen Gruppen durch, die im 15 Minuten-Takt durch das Labyrinth geführt werden. Ich für meinen Teil bin geschafft und gehe selbstzufrieden mit Holger nach draußen. „Du hast so laut geschrien, ich hatte ein bisschen Angst“, sagt er schmunzelnd zu mir. „Wenn du einen Nebenjob suchst, sag Bescheid.“