Vor mehr als fünf Jahren kehrte Johan Petersson vorzeitig und freiwillig dem THW Kiel den Rücken. Doch noch heute ist der Rechtsaußen ein Liebling der Fans in Kiel und Schweden. KIELerLEBEN berichtet aus dem erfolgreichen Leben eines Sportlers und Unternehmers.
Die Tränen flossen in Strömen, als Johan Petersson sich im Juni 2005 von den Kieler Fans verabschiedete. In den vier Jahren als Zebra hatte sich der 1,81 Meter große Schwede in die Herzen der Kieler Zuschauer gespielt. Noch heute schwärmen sie von Peterssons stakkatoartigem Laufstil, der den heute 37-Jährigen damals zu einem der schnellsten Rechtsaußen in Handball-Europa gemacht hatte. Die Fans liebten Petersson auch für seine Wurfvarianten und seine Sicherheit vom Siebenmeterstrich – mit durchschnittlich 5,5 Toren pro Spiel in insgesamt 199 Einsätzen im schwarz-weißen Dress hatte der Schwede großen Anteil an den THW-Erfolgen Anfang des Jahrtausends.
Doch dann kam plötzlich der vorzeitige Abschied. Obwohl sein Vertrag beim THW noch ein Jahr gültig war, bat Johan Petersson um die Auflösung. „Kopf und Körper wollten damals in verschiedene Richtungen: Meine Frau Sofia und ich erwarteten das zweite Kind, und unser Filip stand kurz vor der Einschulung. Ich hatte immer gesagt, dass wir wieder nach Schweden gehen, wenn er in die Schule kommt – und das haben wir dann auch gemacht “, sagt Johan Petersson heute.
Dann war da auch noch das Angebot, als Handballlehrer an einer Schule in Jönköping zu arbeiten. Kurzum: Peterssons Kopf entschied – und in Kiel wurde geweint. Einfach sei die Entscheidung damals auch für ihn nicht gewesen, räumt der inzwischen glatt rasierte Blondschopf ein. „Ich habe in Kiel meine besten Jahre als Handballer erlebt, die Stadt ist mein zweites Zuhause.“
Beliebt und jede Menge Termine
Sein erstes Zuhause hat Petersson seit 2005 in Huskvarna, einer kleinen Stadt vor den Toren Jönköpings. Am Petersson-Berg – der allerdings nicht nach ihm benannt wurde, wie er lachend klarstellt – hat die vierköpfige Familie sich niedergelassen. Von seinem stattlichen Anwesen blickt Johan Petersson direkt auf den zweitgrößten See Schwedens, den Vättern-See. Er fühlt sich wohl in seiner neuen „alten“ Heimat.
Hier, wo alles begann, ist der Handballspieler Petersson ein gefragter Mann. Beinahe alle der 130.000 Einwohner kennen ihn. Wenn er die Straßen zu seinem Büro durchquert, muss der Schwede viele Hände schütteln. Beruflich ist er momentan eingespannter denn je. „Ich kümmere mich um alle Marketing-Fragen des WM-Standortes Jönköping“, erzählt Petersson. Dafür habe er eine Menge Termine zu absolvieren.
Dann ist er noch Miteigentümer und Chefredakteur des schwedischen Handball-Magazins, zwei weitere Zeitungen gehören ihm. Jetzt hat Petersson, der schon in Kiel durch seinen extravaganten Modestil aufgefallen war, auch sein eigenes „Klamotten-Label“, wie er es nennt, auf den Markt gebracht. „Das sind schon eine Menge Aufgaben.“ Ach ja – direkt am Ufer des Vättern-Sees hat er jetzt auch noch einen Imbiss gekauft.
„Wir hatten nur Spaß, da war kein Druck“
„Das war purer Zufall: Der Imbiss liegt in der Nähe meiner Wohnung, er war nicht teuer, und der Betrieb macht Spaß.“ Wieder lächelt der Schwede, der bei allen Tätigkeiten abseits des Handballfeldes auch wieder selbst auf der Platte aktiv ist. Eigentlich hatte er ja im Frühjahr 2010 endgültig Schluss mit dem aktiven Handball gemacht – nun folgte nicht sein erster Rücktritt vom Rücktritt: Peterssons langjähriger Freund Jesper Larsson hatte ihn gefragt, ob der Rechtsaußen nicht bei seinem schwedischen Erstligisten Kristianstad aushelfen könne – und Johan Petersson konnte. „Ich werde noch in ein, zwei Spielen helfen. Danach ist Schluss. Glaube ich.“
Und so würde es nicht verwundern, wenn Petersson noch länger seinem Sport auch als Aktiver verbunden bleiben würde. Denn Comebacks scheinen seine Stärke zu sein. So kam er 2009 sogar noch zu seinem ersten schwedischen Meistertitel mit Alingsas HK. „Wir hatten nur Spaß, da war kein Druck. Es war ein überraschender Triumph.“ Als seinen größten sportlichen Erfolg bezeichnet Petersson den Gewinn der Europameisterschaft 2002 in seinem Heimatland. Gleich darauf folgen die Deutschen Meisterschaften 2002 und 2005 mit dem THW Kiel. „Wir hatten damals keine Topstars wie Nikola Karabatic oder Filip Jicha in der Mannschaft, aber wir waren eine geile Truppe“, blickt Petersson zurück.
Und deshalb sei es auch ein ganz besonderer Moment seiner Karriere gewesen, als man sich in der Halle des Erzrivalen in Flensburg 2002 mit einem Sieg im letzten Spiel die Meisterschaft sichern konnte. „Pitti (Klaus-Dieter Petersen, Anm. d. Red.) war unglaublich zufrieden, als er mit der Schale in der Campushalle feiern durfte.“ Noch heute verfolgt er die Spiele des THW, ab und zu telefoniere er auch noch mit Ex-Manager Uwe Schwenker. „Und einmal im Jahr besuche ich Kiel.“ Dass er immer noch von den Fans erkannt werde, freue ihn. „Die haben doch längst andere Idole gefunden, ich bin doch schon beinahe sechs Jahre weg“, schüttelt er ungläubig den Kopf.
„Ich vermisse auch die tollen THW-Fans.“
Wollte er denn nie beim THW Kiel aushelfen? „Bis jetzt wurde ich nicht gefragt. Ich habe aber immer gesagt: Wenn meine alte Mannschaft kurzfristig Hilfe braucht, dann komme ich.“ Er denke sehr gern an seine Zeit in Kiel und vor allem an die damals noch Ostseehalle heißende Sparkassen-Arena zurück. „Ich vermisse auch die tollen THW-Fans.“
Jetzt gilt seine Konzentration aber erst einmal der Handball-Weltmeisterschaft vor seiner Haustür. „Ich hoffe, dass wir Schweden mit diesem Turnier in die Top-Vier der weltbesten Mannschaften zurückkehren können“, sagt Petersson. Auf dem Feld kann er dabei nicht mehr helfen. „Aber ich versuche, durch das Marketing und die WM-Zeitung, für die ich auch verantwortlich bin, viel Werbung für meine Heimat zu machen.“