Wenn der Grandseigneur des deutschsprachigen Musiksektors zum Konzert lädt, dann folgen seine treuen Fans dieser Einladung gern. Am Dienstagabend verzauberte er mehr als 5000 – überwiegend weibliche – Kieler Fans in der ausverkauften Sparkassenarena.Zugegeben, mit 78 Jahren gehört man in der öffentlichen Wahrnehmung wohl schon eher zum „alten Eisen“, doch geht man davon aus, dass das Leben mit 66 Jahren ja erst anfängt, dann müsste man mit 78 noch voll im Saft stehen. Und so ist es auch, jedenfalls, wenn man Udo Jürgens heißt!
Zwar hatte eine Grippe ihn vor wenigen Wochen noch außer Gefecht gesetzt und den planmäßigen Start seiner Tour verhindert, davon spürte man jedoch nichts mehr. Jürgens bot seinem Publikum zweieinhalb Stunden lang eine tolle und sehr gefühlvolle Show und gewährte immer wieder sehr persönliche Einblicke.
Udo Jürgens live zu erleben, das ist ein ganz besonderes Erlebnis! Irgendwie schafft es dieser „ältere Herr“ - der zudem auch noch unfassbar gut aussieht - eine große Arena bis in den letzten Winkel mit seiner ganz besonderen, faszinierenden Aura zu füllen. Selbst die bodenständigsten Damen mittleren Alters werden wieder zu Teenagern, die ihrem Idol zu Füßen liegen.
Kein Wunder, denn dieser Mann scheint einfach nicht älter zu werden und kann es sich ohne Weiteres leisten, während der gesamten Show auf einer überdimensionalen Videoleinwand im Bühnenhintergrund zu erscheinen.
Der ganz normale Wahnsinn
Den Auftakt machte Jürgens mit dem Song „Noch drei Minuten“, in dem er sich mit seinem Publikum schon auf eine sehr persönliche Ebene begibt und davon singt, dass auf der Bühne die Welt um ihn herum versinkt.
Erst danach fällt der blaue Samtvorhang und somit die letzte Barriere zwischen Fans und Künstler.. Jürgens gibt viele Songs seines vergangenen Jahres erschienenen Albums zum Besten und verzaubert mit Balladen, die durchaus eine große Tiefe besitzen. Sie handeln nicht nur von Liebe, sondern auch von Auf- und Ausbruch und dem Traum von einer besseren Welt. Kleine, zauberhafte Geschichten, die trotz aller Sentimentalität nie schwülstig wirken. Udo Jürgens nimmt man eben einfach ab, was er singt. Man hört ihm zu und hat das Gefühl, von seiner Lebenserfahrung lernen zu können.
Allerdings betrachten Udo Jürgens' Songs das Leben nicht nur durch die rosarote Brille, er beweist in seinem groovigen "Du bist durchschaut", dass er die Welt durchaus mit offenen Augen betrachtet und auch Sozialkritisches gegenüber Facebook und co. zu sagen hat.
Grandios wird dieser Song – und eigentlich das ganze Konzert – vom Pepe Lienhard Orchester begleitet. Die Band ist neben Udo Jürgens selbst eine Koryphäe und tourt mit ihm seit mehr als 30 Jahren durch die Hallen dieser Welt.
Klassiker knackig kurz
Mehr als zwei Dutzend Songs hatte Udo Jürgens mit nach Kiel gebracht. Selbstverständlich erwartete sein Publikum auch einige Klassiker und diese Erwartung erfüllte er, ohne aus dem Konzert ein „Best-of“ zu machen. In einfallsreichen Medleys brachte er Hits wie „Aber bitte mit Sahne“, „17 Jahr, blondes Haar“ und „Ich war noch niemals in New York“ und gab so auch dem Schlagerparty-Völkchen im Publikum Gelegenheiten, sich auszuleben und ordentlich zu feiern.
Mit 78...
Der ganze Abend war stimmig, perfekt und doch voller Wärme.
Udo und sein Publikum - das muss einfach eine ganz große Liebe sein! Wie sonst ist es zu erklären, dass ein Herr kurz vor der 80 noch einmal die Bretter sucht, die die Welt bedeuten, statt sich im Ohrensessel vor dem Kamin gemütlich eine Zigarre anzuzünden? Udo Jürgens lebt für die große Bühne und gibt sich seiner Musik voller Leidenschaft hin.
Selbst dem letzten Song, der natürlich stilecht im weißen Bademantel abgehalten wurde. Frei nach Udo Jürgens selbst ist mit 78 ja noch lange nicht Schluss, von daher darf man hoffen, ihn noch viele Jahre auf der Bühne zu sehen. Und wer kann den ganz normalen Wahnsinn noch toppen, wenn nicht Udo Jürgens selbst?