Ob Feuer spucken oder Krabben fischen – Redakteur Thore Albertsen tut das, was Sie sich wünschen. Dieses Mal verpasst er Hunden eine Frisur.
Zum Hundefriseur gehen doch nur Leute wie Paris Hilton oder die Jacob Sisters, um ihre Pudel, Yorkshire Terrier oder Chihuahuas pink zu färben.“ Das war mein erster Gedanke bei der Idee, einen Tag lang Praktikant bei einem Hundefriseur zu sein. Und so stehe ich vorurteilsbehaftet an einem grauen, verregneten Samstagmorgen vor der weißen Tür eines Einfamilienhauses in Melsdorf. In großen, goldenen Lettern prangt ein Schild mit „Style your dog“ auf meiner Augenhöhe.
Kaum drücke ich den weißen Klingelknopf, ertönt ein vierstimmiges Bellen. Beim Öffnen der Tür begrüßen mich wedelnd der schwarze Labrador Jack, die französische Bulldoge Sheldon, Mischling Justin und Chihuahua-Dame Cleo. Hinter ihnen ihr Besitzer: der ausgebildete Hundestylist Marc Grundke. Der 35-Jährige würde mit seinen kurz geschorenen Haaren, den Tattoos am Unterarm und dem festen Händedruck perfekt den Frontmann einer Ska-Band abgeben. „Einmal waschen, schneiden, legen?“, begrüßt er mich mit einem verschmitzten Lächeln.
Zuerst weist er mich in das Waschen und Shampoonieren ein. Freundlicherweise erklärt sich die französische Bulldoge Sheldon mit einem tiefen Grunzen dazu bereit, mein Opfer zu spielen. Ich hieve ihn in die große, blaue Badewanne. Doch sitzen will Sheldon nicht, und er beginnt, zu hyperventilieren. Ich überlege, ihm eine Tüte vor die Schnauze zu halten. Marc versichert mir aber, dass der Hund nur ein wenig nervös ist. „Genau wie bei einem Menschen musst du darauf achten, dass das Wasser eine angenehme Temperatur hat“, erklärt er mir freundlich. Ich teste das Wasser an meinem Arm und beginne, Sheldon mit der großen Brause abzuduschen. Immer wieder schüttelt er sich, sodass ich nachher genauso nass bin wie er. Aber ich gebe nicht auf, greife nach der rot-gelben Hundeshampoo-Tube und seife Sheldon ein. Ein süßlicher Geruch steigt mir in die Nase, und ich werde an Meister Proper Frühlingsfrische erinnert. Sheldon lässt das Spektakel schließlich stoisch über sich ergehen. Dann noch kurz abgespült – und er sieht aus wie neu.
In der Zwischenzeit ist die erste Kundin mit ihrer Bolonka-Hündin Jule, einem springenden, schwarzen Wollknäuel, angekommen. Frauchen wünscht sich für Jule ein kürzeres Fellkleid. Dafür hebt Marc die Hundedame zunächst auf den höhenverstellbaren Tisch und kämmt ihr mit einer Zackenbürste behutsam die verfilzten Stellen aus dem Fell. Jule wehrt sich aus Leibeskräften. Mit ihrer kleinen, schwarzen Pfote stößt sie sich vom Tisch ab und versucht, sich aus Marcs Griff zu befreien. Doch der Stylist lässt sich davon nicht beeindrucken. Er hat es in seiner Ausbildung mit ganz anderen Exemplaren der Gattung Hund zu tun gehabt. „In meiner Prüfung habe ich einen Yorkshire Terrier geschoren. Dieser hat mich dreimal gebissen, bis er endlich Ruhe gegeben hat“, erzählt er.
Dann kümmere ich mich um den Haarschnitt. Mit einer Friseurschere kürze ich das ganze Fell um einen Zentimeter. Mit aufmerksamem Blick werde ich dabei von meinem Ausbilder beobachtet, der gleichzeitig noch den Smalltalk mit Frauchen übernimmt. Nach einer halben Stunde löst Marc mich kurz ab, schneidet noch mal akkurat nach und drückt mir dann den elektrischen Haarschneider in die Hand. Jule hasst dieses Geräusch, das so klingt wie ein Zahnarztbohrer. Sie will fliehen, doch ich halte sie vorsichtig fest und beginne mit der Arbeit. Dicke schwarze Wolle, aus der man eine Bob-Marley-Perücke machen könnte, fällt auf den weißen Fliesenboden. Nach zwei Stunden ist die Frisur fertig. Jule hat einen modischen Kurzhaarschnitt, Frauchen ist glücklich.
Kurze Zeit später kommt die nächste Kundin mit ihrem Hund Jesper in den Laden. Mit seiner dicken, hellbraunen Mähne erinnert mich der kleine Norfolk-Terrier an einen Rastafari. Frauchen ist das erste Mal hier und hat für Jesper einen außergewöhnlichen Wunsch: einen Irokesen-Schnitt. Ich muss innerlich schmunzeln, doch der Kunde ist König – und wir legen los. Nach dem Fellbürsten, Schneiden und Scheren bearbeiten wir den Kopf des Hundes. Mit Marcs Hilfe schneide ich das Fell an den Seiten ganz kurz, sodass nur noch in der Mitte ein schmaler Streifen längeres Fell stehen bleibt. Durch das Kürzen fühlt sich das Fell teddyweich an. Im Gegensatz zu Lucy ist Jesper dabei sehr gelassen. „Männer halt“, sagt der Hundefriseur augenzwinkernd. Zum Schluss arbeiten wir den Fellstreifen mit Gel senkrecht nach oben – der Irokesen-Schnitt ist fertig. Jetzt wäre Jesper das perfekte Maskottchen für Marcs Ska-Band. Es fehlt nur noch das Stachelhalsband. Doch Frauchen reicht das erst mal so. Nur ich habe Blut geleckt und möchte gern weitermachen. Ich würde Jesper am liebsten seinen Iro färben – in Pink …