Ob Synchronschwimmen, Feuerspucken oder Turmspringen – Redakteur Thore Albertsen tut das, was Sie sich wünschen. Dieses Mal trainiert er mit echten Rennhuskys.
Als Kind gehörte „Balto – der Hund mit dem Herzen eines Helden“ zu meinen absoluten Idolen. Kein Wunder, rettete dieser niedliche Husky doch eine ganze Stadt vor der Diphtherie, indem er einen Schlitten mit Penizillin durch einen gefährlichen Schneesturm zog. Doch als ich die Szene im heimischen Garten mit meinem Golden Retriever Buddy, einem Skateboard und einer grünen Wäscheleine nachspielen wollte, zeigte mein Hund sich alles andere als kooperationsbereit und blieb lieber in der Sonne liegen.
So freue ich mich tierisch, dass ich es dieses Mal mit echten Schlittenhunden zu tun habe und finde mich an einem grauen Samstagmorgen in Tüttendorf ein. Temperatur fünf Grad. Außer mir keine Menschenseele. Doch schon von Weitem sehe ich zwei Huskyköpfe über den brauen Lattenzaun eines weißen Einfamilienhauses gucken. Hier bin ich richtig. An der Tür begrüßt mich Stefan Weishäupl. Der 31-jährige Wahl-Norddeutsche wirkt genauso wie ich mir den klassischen Hundeschlittenrennfahrer, in Fachkreisen auch Musher genannt, vorstelle. Bart, groß, kräftiges Erscheinungsbild, starker Händedruck. Einer, der anpacken kann. Bereits seit vier Jahren machen er und seine Frau Natascha bei Hundeschlittenrennen mit. Dabei konnten sie Preise wie den Ostseepokal ergattern und waren Teilnehmer bei den Norddeutschen und den Europameisterschaften.
Durch das hell geflieste Wohnzimmer, vorbei an einem Terrarium mit Schildkröten führt er mich in den Garten. Vier Hunde mit wedelnden Schwänzen kommen auf mich zugestürzt. Jeder will gestreichelt werden. Gerade Dancer, der Husky mit dem grauschwarzen Fell und den tiefbraunen Augen, hat einen Narren an mir gefressen. Er bleibt die ganze Zeit an meiner Seite.
Wir beginnen mit den Trainingsvorbereitungen. Die Hunde bekommen eine braune Brühe zu trinken, die mich ein wenig an Pfützen während matschiger Herbsttage denken lässt. „Das ist Kraftbrühe mit Fleisch, damit sie für den Lauf gestärkt sind“, erklärt mir Stefan. Alle vier Hunde stürzen sich auf die silbernen Wasserschüsseln, als hätten sie die letzten drei Tage in der Wüste verbracht.
Frisch gestärkt geht es zum weißen Van, mit dem die Fünf immer zu Rennen fahren. In Reih und Glied steigen die Hunde nacheinander in den Wagen. Jeder hat in dem großen Auto seine eigene Box – liebevoll mit seinem Namen verziert. Fast wie bei einem Pferd – nur kleiner und mit einem Gitter davor. Dancer, Greeny, Limit und Hurricane machen es sich auf ihren Decken gemütlich. An den hinteren Teil schnallen wir die Renngeräte. Aufgrund des nicht vorhandenen Schnees können wir leider nicht den normalen Rennschlitten mitnehmen, sondern entscheiden uns für die Sommervariante, eine Mischung aus Mountainbike und Cityroller.
Start nach Felmer Holz. Wir fahren mitten in einen großen Wald. Als wir anhalten, fangen die Hunde an zu heulen. Sie scheinen zu spüren, dass es endlich losgeht. Von Stefan bekomme ich die Rennkleidung: schwarze Regenhose und -jacke, Sturzhelm, Schutzbrille und Handschuhe. Leichtes Kribbeln steigt in mir hoch. „Gerade im Matsch wird man schnell mal aus der Kurve geschleudert“, warnt er mich vor. Als Rennbegleitung bekomme ich Dancer an die Hand. Denn der hat am meisten Erfahrung und ist sogar schon bei den Europameisterschaften dabei gewesen.
Nachdem ich ihm das blaue Renngeschirr angezogen habe, spanne ich ihn vor mein Trainingsrad. Die Leine spannt sich sofort. Ich muss die Fahrradbremse ziehen, damit wir nicht sofort losrasen. Stefan schnappt sich Greeny. Limit und Hurricane bleiben bei Frauchen Natascha, die vor wenigen Minuten dazugestoßen ist. Die beiden stehen mit ihren fünf und sechs Monaten gerade erst am Beginn ihres Trainings.
Dann der Startpfiff. Langsam löse ich die Bremse. Dancer rast los. Als wäre ein Grizzliebär hinter ihm her, steigert der Husky immer weiter die Geschwindigkeit. Auf Zuruf läuft er nach links oder rechts. Stefan und Greeny bleiben uns dicht auf den Fersen. Über Hölzer auf dem Waldboden, durch nach Moder riechende Pfützen und dicken Matsch führt uns die Rennstrecke. Der Dreck klatscht an meine Regenhose. Während ich zu Beginn versucht habe, Dancer noch ein wenig abzubremsen, lasse ich ihn jetzt komplett frei ziehen. Wir erreichen bis zu 30 km/h, wie ich auf dem schwarzen, am Lenker angebrachten Tacho ablesen kann. Zumindest wenn es bergab geht. Gerade mal sieben Minuten brauchen wir für die Drei-Kilometer-Strecke. Außer Atem kommen Dancer und ich im Ziel an, in dem Natascha schon mit den beiden Kleinen auf uns wartet. Freudig begrüßt der Husky sein blondes Frauchen. Seine lange Zunge hängt fast bis auf den Boden. „Fünf Grad sind einfach zu warm für die Huskys“, klärt mich die 31-Jährige auf. „Erst bei richtiger Kälte blühen Huskys auf. Dann steigern sie noch mal ihre Geschwindigkeit und halten viel längere Strecken durch.“
Ich hingegen bin jetzt schon auf 200 Prozent. Das Adrenalin in mir spüre ich immer noch und muss zugeben, dass die Fahrt mit meinem Golden Retriever und einer Wäscheleine wohl nie so gut gewesen wäre wie mit Dancer …