Am 11. März kommt Wissenschaftskabarettist Vince Ebert mit seinem neuen Programm „Freiheit ist alles“ in die Halle 400. Im KIELerLEBEN-Interview sprach der Wahl-Frankfurter über Doktor-Titel, Durchhaltevermögen und seine Karriere als Beachvolleyballer. Außerdem gibt es 5 x 2 Tickets zu gewinnen.
KIELerLEBEN: Vince, dein Ruf als Wissenschaftskabarettist eilt dir voraus. Wissenschaft ist seit zweieinhalb Wochen ein sehr populäres Thema mit vielerlei Fußnoten, daher meine Frage: Warum hast du keinen Doktor gemacht?
Ich wollte mir nicht der Schmach einer Plagiatsaffäre hingeben (lacht). Nein, Es ist ja in den Naturwissenschaften in der Tat so, dass man drei bis vier Jahre wirklich im Labor arbeiten muss, um einen Doktortitel zu bekommen. In der Juristerei oder in der Medizin geht das auch mal locker in sechs Wochen. Als Naturwissenschaftler ist das schon etwas mehr Arbeit.
Eine Diplomarbeit hast du aber geschrieben. Hand aufs Herz: Hast du damals nicht eventuell an ein, zwei Stellen, die du aus Büchern übernommen hast, die Fußnote vergessen?
Copy and Paste war 1994 ungefähr so populär wie Theodor zu Guttenberg damals. Außerdem war das große Problem bei meiner Diplomarbeit, dass weltweit gerade einmal 30 Leute dazu beitragen konnten. Das Thema war sehr speziell. Selbst wenn ich gewollt hätte, hätte ich nicht abschreiben können.
Wenn du den Doktor gemacht hättest, hättest du den gleichen akademischen Rang wie unsere Kanzlerin, die ist ja auch Doktor der Physik …
Genau. Ich sag ja auch immer, dass ich nach Oskar Lafontaine und Angela Merkel der dritte deutsche Physiker bin, der sein Geld im Bereich Kabarett und Comedy verdient. Also, man kann es mit einem Physik-Studium wirklich irgendwie weit schaffen.
Und: Wäre der Job des Politikers nicht auch etwas für Dich gewesen?
Nein, überhaupt nicht. Ich meine, ich spreche in meinem aktuellen Programm „Freiheit ist alles“ schon eine Menge politischer Themen an. Aber ich genieße es sehr, eine komplette Narrenfreiheit zu haben. Wenn man Mitglied einer Partei ist oder sogar dort Karriere machen will, dann muss man sich unfreiwillig Meinungen und parteilichen Ritualen beugen. Das wäre mir nicht genehm.
Die ersten Jahren als Kabarettist sind katastrophal
Nochmal zur Kanzlerin: Der Titel ihrer Doktorarbeit lautete übrigens „Untersuchung des Mechanismus von Zerfallsreaktionen mit einfachem Bindungsbruch und Berechnung ihrer Geschwindigkeitskonstanten auf der Grundlage quantenchemischer und statistischer Methoden“. Kannst Du Dir was darunter vorstellen?
Wahnsinn. Ich glaub sie hat nachgewiesen, dass die Lichtgeschwindigkeit um die Hälfte reduziert wird, wenn man sie durch eine Behörde lenkt. Ich weiß auch nicht so genau … (lacht)
… „Zerfallsreaktionen und Bindungsbruch“ hört sich ja auch schon politisch an …
Ja, auf jeden Fall. Vor allem „Zerfallsreaktionen“ (lacht) Wenn man sie manchmal so sieht, könnte man meinen, dass sie das Prozedere schon einige Male erfolglos durchgeführt hat. Aber mal Spaß beiseite, der Titel ihrer Arbeit belegt bestens Pro und Contra der Wissenschaft: Wissenschaft ist so kompliziert und vielfältig geworden, dass man sich, um wirklich forschen zu können, auf ein so extremes Spezialgebiet konzentrieren muss, dass man im Nachbarlabor schon gar nicht mehr weiß, was der andere macht. Diese wahnsinnige Fokussierung war für mich der Grund, weshalb ich Wissenschaft nicht mehr aktiv betreiben wollte.
Hast du noch Kontakt zur aktiven Forschung der Physik, zum Beispiel durch ehemalige Kommilitonen?
Durch Kommilitone weniger. Aber ich werde hin und wieder für Vorträge eingeladen, bei denen ich natürlich auch über Physik „philosophiere“. Vor drei Monaten wurde ich von meiner ehemaligen Uni in Würzburg für das Montagskolloquium eingeladen. Das findet im großen Hörsaal statt, und da werden normalerweise ausschließlich wichtige Kapazitäten bis hin zu Nobelpreisträgern eingeladen. Und dort durfte ich reden! Ich glaube, ich war der erste Physiker ohne Doktortitel, der dort vortrug. Und der Saal war so voll wie nie zuvor. Das hat mich auf der einen Seite stolz gemacht, auf der anderen Seite habe ich mir gedacht: „Naja, also irgendwie ist das bisschen Wissenschaft auch nur gut für Randtechnologie.“ (lacht)
Hört sich das jetzt nur nach einer Herausforderung für Dich an oder war es auch eine?
Naja, ich war natürlich total nervös, weil alle meine damaligen Professoren mit strengem Blick in der ersten Reihe saßen. Aber ich glaube, die verstehen sehr gut, dass ich, der die Wissenschaft und den Physiker an sich immer ein bisschen veräppelt, gleichzeitig auf eine unorthodoxe Art und Weise Werbung für dieses Fach mache und versuche Vorurteile abzubauen. Und ich glaube, die Physiker schätzen das auch.
Ich war mal richtig sportlich
Du stehst jetzt bereits seit 1998 als Kabarettist auf der Bühne. Eine sehr gute Halbwertszeit für einen Komiker in der heutigen Zeit. Was muss man alles mitbringen, um so lange im Geschäft zu bleiben?
Durchhaltevermögen. Die ersten Jahre sind katastrophal. Da kommen regelmäßig 15 bis 20 Leute, man geht auf die Bühne und ist am Anfang einfach noch nicht so gut: Ich habe mich auch immer wieder durch 90 Minuten geschleppt, weil ich noch nicht genug Material hatte. Man ist unerfahren, sucht nach Themen und hat seine Haltung noch nicht gefunden bzw. gefestigt … Das ist die Phase, in der viele aufhören. Eine Anfangsbegeisterung kann man ein paar Monate halten, aber irgendwann schlägt die knallharte Realität zu. Da trennt sich dann die Spreu vom Weizen, und es kommt raus, wer doch lieber Taxi fahren möchte.
Wie lange musstest du durchhalten?
Also bei mir lief es ab meinem Programm „Physik ist sexy“ ganz gut. Das war 2003. Da war ich also schon vier, fünf Jahre auf der Bühne. Und das war das erste Programm, in dem ich wirklich ein klares Thema hatte und klare Statements vertreten habe. Und siehe da, die Zuschauerzahlen gingen signifikant nach oben. Vorher sind auch schon Leute gekommen, aber „Physik ist sexy“ war sowohl für mich als auch fürs Publikum eine Initital-Zündung. Da wussten alle: Der hat ein spezielles Thema, der hat wirklich ganz konkret was zu sagen.
Jetzt kommst Du kommende Woche nach Kiel, warst du schon mal hier?
Ja, ich war schon öfter in Kiel! Ich glaube letztes oder vorletztes Jahr bin ich in Kiel aufgetreten. Ich war aber auch schon mal vor X-Jahren dort. Ich habe nämlich mal ganz gut Beach-Volleyball gespielt. Da war ich beim „Beach-Volleyball-Masters“. Während der Kieler Woche haben wir mitten in der Kieler Innenstadt gespielt. Das ist ewig her. Wir sind dann aber knallhart in der Qualifikation rausgeflogen. Also, für nix und wieder nix nach oben gefahren…(lacht)
Du und Volleyball, hätte ich dir gar nicht zugetraut!
Ich habe sogar mal in der 2. Volleyball-Bundesliga gespielt! Ich war mal richtig sportlich. (lacht)
Wie kamen dir die Kieler bei deinen Auftritten vor? Sie gelten im Vergleich zu temperamentvollen Südländern charakterlich als etwas unterkühlt.
Das Lustige ist ja, dass jede Bevölkerungsgruppe in Deutschland von sich sagt, sie wären ein bisschen dröge, und man muss schon etwas bieten, damit sie lachen … Ich sehe da aber keine Unterschiede in der Begeisterungsfähigkeit. Es gibt nicht den „lustigen Kölner“ oder den „bräsigen Niederbayern“. Was sich ein bisschen unterscheidet, ist Stadt- und Landpublikum. Die Zusammensetzung vom Publikum in der Stadt ist ein bisschen akademischer als auf dem Land, wo die Leute hingehen, weil es halt etwas gibt – ob Tanztheater oder Kabarett, die gehen hin. Und die Kieler sind natürlich hochintellektuell und können über die brillantesten Wortspiele lachen (lacht).
Witze über die eigene Freundin, das kann doch keiner mehr hören
Also stellst du dich eher auf „Stadt“ oder „Land“ an, nicht so sehr auf die Region?
Ja, da merke ich eher einen Unterschied. Aber das macht ja auch am meisten Spaß. Bei mir im Programm kann der Physik-Professor neben der Aldi-Verkäuferin sitzen und beide nehmen was mit und lachen. Das finde ich das Schönste daran. In meinem Programm treffen verschiedene Gruppierungen zwischen Jung und Alt aufeinander und trotzdem haben alle ihren Spaß. Das finde ich super.
Dein neues Programm heißt „Freiheit ist alles“, kannst Du bitte kurz und knapp einige wissenschaftliche Begründungen zu dieser These abgeben?
(lacht) Ja, das ist ja das große Thema! Wissenschaftlich … ? Es geht dann doch mehr Richtung Philosophie. Ich rede zwar auch über die wissenschaftliche Komponente, also zum Beispiel was die Hirnforschung zum Thema „Freier Wille“ und „Freiheit“ sagt. Aber ich philosophiere viel über die Freiheit, übrigens auch anhand praktischer Beispiele: Vor der Pause mache ich eine kleine Nummer, in der ich – als Nichtraucher – gegen das Gesetz auf der Bühne eine Zigarette rauche und darüber philosophiere, wie frei man innerhalb einer Sucht sein kann. Da geht es schon ein bisschen über hirntechnische Vorgänge, aber natürlich primär über philosophische Themen wie: Was haben die Philosophen über die Freiheit gesagt. Per Definition gibt es nämlich die „absolute Freiheit“ nicht. Wenn man sich „von etwas frei macht“, ist man oft von anderen Zwängen beherrscht. Wenn man zum Beispiel aufhört zu Rauchen, ist man zwar rauchfrei, muss aber jeden Tag darum kämpfen, nicht rückfällig zu werden. Um diese Dialektik der Freiheit geht es die ganze Zeit.
Welche Seite der Dialektik fällt dir denn bei der Zigarettennummer auf der Bühne schwerer?
Ich muss gestehen, ich nehme auf der Bühne Malboro Menthol light, die ja unter Rauchern ja gar nicht ernst genommen werden. Und dann paffe ich halt auch nur, und ziehe nicht auf Lunge. Das geht dann schon. Aber es ist sehr lustig, weil die Leute sehen natürlich sofort, dass ich eben kein Raucher bin.
Eine letzte Frage: Als Wissenschaftskabarettist wird Dir garantiert häufig auf den Zahn gefühlt, ob Du von der Materie auch wirklich Ahnung hast. Hast Du nicht schon mal gedacht: Mist, hätte ich nicht einfach dumme Witze über meine Freundin machen können wie Mario Barth?
(lacht) Naja, ich benutze die Wissenschaft ja auch, um auch durch diese Bereiche des Lebens zu gehen. Also ich sage natürlich auch was über Beziehungen, über die Politik oder wie im letzten Programm über den Klimawandel. Für mich ist einfach die Wissenschaft ein gutes Mittel, um über verschiedenen Themen zu sprechen. Jedes Thema hat schließlich eine wissenschaftliche Basis. Dadurch habe ich den großen Luxus, über alles sprechen zu können und auch ein viertes, fünftes, sechstes Programm zu machen, das hoffentlich nicht in die Schiene geht, und die Leute sagen: „Jetzt redet er wieder über sein Freundin.“ Mal ehrlich, wir können es doch nicht mehr hören…
KIELerLEBEN verlost 5 x 2 Karten für Vince Ebert am 11. März um 20 Uhr in der Halle 400. Einfach bis zum 10. März, 12 Uhr eine E-Mail an gewinnspiel@kielerleben.de schreiben und gewinnen. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.
[video:id=1]
Vince Ebert
Jahrgang 1968, studierte Physik an der Uni Würzburg. Nach dem Studium arbeitete er in einer Unternehmensberatung und in der Marktforschung, bevor er 1998 seine Karriere als Kabarettist begann. Er ist bekannt aus TV-Sendungen wie Mitternachtsspitzen, Ottis Schlachthof, dem Quatsch Comedy Club und TV Total. Sein Anliegen: die Vermittlung wissenschaftlicher Zusammenhänge mit den Gesetzen des Humors. Mit seinem Programm "Physik ist sexy" (2003) machte er sich einen Namen als Wissenschaftskabarettist, der mit Wortwitz und Komik sowohl Laien als auch naturwissenschaftliches Fachpublikum unterhält. Im Oktober 2008 erschien sein erstes Buch „Denken Sie selbst! Sonst tun es andere für Sie“, das sich bislang über 330.000 mal verkauft hat.