Party im Schrevenpark, Verfahren gegen „Zuiderdam"-Aktivist*innen eingestellt und Badestelle Bellevue – das sind die Themen, denen sich unser Kollege und Geschäftsführer der Regionalmedien in seinen Kommentaren gewidmet hat.
Your right to party!
„You wake up late for school, man you don't want to go
You ask you mom, please? but she still says, no
You missed two classes, and no homework
But your teacher preaches class like you're some kind of jerk
You gotta fight for your right to party„
(Beasty Boys)
Unter diesem oder einem ähnlichen Motto vagabundieren seit Ende Mai am Wochenende Heerscharen Jugendlicher in die städtischen Grünanlagen Schrevenpark und Reventlouwiesen. Nach eineinhalb Jahren diszipliniert eingehaltener Corona-Regeln gibt es nur noch ein Ziel: Party! Leute treffen, Spaß haben, mal nicht alles bis zum Ende denken. Das kann man mehr als nur gut verstehen – man gönnt es den jungen Leuten, die im besonderen Maß unter den Pandemie-Regeln gelitten haben und nun auch noch als Letzte den Impfschutz erlangen. Andererseits: Anwohner*in möchte man da natürlich auch nicht gerne sein, schon gar nicht, wenn man nicht nur am Schrevenpark wohnt, sondern auch noch am Wochenende früh hoch muss, weil man in Pflege, Einzelhandel oder Gastronomie arbeitet oder kleine Kinder hat, die ab sechs in der Früh beschäftigt sein wollen. Das zehrt und bei manch einem Nachbarn/einer Nachbarin liegen die Nerven blank. Während die ersten Kräftemessen zwischen Jugendlichen und den den Anwohner*innen zu Hilfe eilenden Ordnungskräften eher zu Gunsten des Jungvolkes ausgegangen sind, beherrscht die Ordnungsmacht mittlerweile das Geschehen: mit Festnahmen, Platzverweisen und Flutlichtanlagen werden die Auflagen durchgesetzt, aber eine konstruktive Lösung für die Kids gibt es nicht, obwohl es doch so einfach wäre: Die krisengebeutelten Clubs, DJanes, Veranstaltungstechniker*innen könnten die Subventionen von Land und Kommune doch auch dafür bekommen, dass sie am Freitag und Samstag mal die Moorteichwiesen, mal das Nordmarksportfeld, mal den Werftpark oder den Flughafen Holtenau, mal das MFG5-Gelände oder die Freiflächen auf dem Marinearsenal beschallen: Kiel Rock City – auch ein touristisches Sommer-Highlight – und die Polizei sorgt für eure Sicherheit. Wie cool wäre das denn?
Legal, illegal – scheißegal
Kennt ihr die Spolertstraße in Kiel? Wenn ja, habt ihr gute Chancen euren Taxischein zu bestehen, solltet ihr einmal mit der Prüfung konfrontiert sein. Wenn nein, geht es euch vermutlich wie 90 Prozent aller Kielerinnen und Kieler. Dabei ist die Spolertstraße von herausragender strategischer Bedeutung: verbindet die Straße nicht nur die Stadtteile Grünes Herz und Vieburg, sondern überquert dabei auch in Form einer Fußgängerbrücke die Bundesstraße 404, das südliche Einfallstor in die Landeshauptstadt. Diese Brücke nachts mit einem neuen Anstrich zu versehen, ist keine große Heldentat, denn in den benachbarten Straßenzügen wohnen tendenziell eher Menschen, die durch Lohnarbeit ihren Lebensunterhalt bestreiten und die Nachtstunden mit der Reproduktion ihrer Arbeitskraft verstreichen lassen. Nichtsdestotrotz hat die Stadt Kiel keine Mühen und Kosten gescheut, um die Brücke von nicht autorisiertem Farbanstrich zu befreien. Mit dem Ergebnis, dass sie nach nur wenigen Tagen erneut in den Farben der KSV Holstein erstrahlte. Das kann man doof finden oder auch unmöglich, strafrechtlich relevant oder auch total egal, nur die Kieler CDU schafft es alle Positionen in einer Partei abzubilden: Während die CDU-Ratsfraktion am liebsten eine SEK-Abteilung zur Brückenüberwachung stationieren würde, um rechtsfreie Räume, Chaos und Anarchie zu verhindern, und sich über den Ortsbeirat echauffiert, der sich um der lieben Ruhe wegen für einen professionellen Holstein-Kiel-Anstrich ausspricht, erklärt der Kieler CDU-Kreisvorsitzende Tobias von der Heide die Reinigung der Brücke durch die Stadtverwaltung zum Schildbürgerstreich. Wir haben im Lateinunterricht ja noch gelernt: primum cogitare loqui! Oder noch schöner, aber die gleiche Aussage: Nescit vox missa reverti (das ausgesprochene Wort kann nicht zurückgenommen werden). Aber auf mich hört ja keiner …
Sternstunden mit Kreuzfahrerblockade
Was ich früher, als ich ihn noch gelesen habe, in jeder neuen Ausgabe des Stern als erstes aufblätterte, war hinten die Rubrik „Was macht eigentlich?“. Heute ist an die Stelle dieser wöchentlichen Routine der Griff nach den samstäglichen Todesanzeigen in den Kieler Nachrichten getreten, es bleibt aber das Interesse daran, wie eine Geschichte, die einen einmal interessiert oder bewegt hat, eigentlich weiter oder zu Ende gegangen ist: Klimaaktivisten blockierten im Kieler Hafen zu Pfingsten 2019 durch Paddelboote und Schwimmspielzeug das Ablegen des Kreuzfahrtschiffs „Zuiderdam“. Diese Protestaktion richtete sich gegen den Schadstoffausstoß von Kreuzfahrtschiffen. Die Kieler Staatsanwaltschaft warf den Klimaaktivist*innen Nötigung vor und ließ deren Boote beschlagnahmen und zwangsversteigern. Die Ermittlungsverfahren hat die Staatsanwaltschaft nun eingestellt. „Die Staatsanwaltschaft sah nur noch einen geringfügigen Verstoß. Der Vorwurf einer Nötigung war nicht zu halten. Eine Nötigung könnte hier nur mit ‚Gewalt‘ gegen einen Menschen begangen worden sein – und es ist schon sehr zweifelhaft, ob es überhaupt eine Art von Gewalt darstellen kann, wenn sich ein Paddelboot vor ein Kreuzfahrtschiff setzt. Eine echte Barriere für das Kreuzfahrtschiff stellt das nicht dar“, sagt Strafverteidiger Jan Kürschner, der Rechtsanwalt der Klimaaktivisten. „Man könnte sich berechtigterweise auf den Standpunkt stellen, der Protest in Form einer Kreuzfahrtschiff-Blockade wäre im Rahmen einer geschützten Versammlung zumindest nicht als Nötigung strafbar“, so der Kieler Anwalt. Oder um es mit den Worten Helmut Kohls zu sagen: „Entscheidend ist, was hinten rauskommt.“
Kiel geht baden
Mein Gott, natürlich will man sich ja nicht immer nur beschweren. Und tatsächlich ist es ja großartig, wie schnell die Stadt unseren Vorschlag im letzten „Spökenkieker-Beitrag“, aus dem Anleger Bellevue eine offizielle Badestelle zu machen, aufgegriffen hat. Aber warum zum Teufel muss man denn: erstens überhaupt Überwachungspersonal für eine Badestelle einstellen und dann zweitens, wenn das Personal keinen Dienst hat, die Badestelle verbarrikadieren, so dass am Ende der Anleger sogar weniger genutzt werden kann als zur der Zeit, als er noch keine öffentliche städtische Badestelle war. Am ersten Tag der Sommerferien haben diese Spezialisten bei 28 Grad außen und 23 Grad Wassertemperatur das Bad gleich ganz geschlossen, weil die Wetterapp ein erhöhtes Gewitterrisiko vorhersagte – dabei hat es weder geregnet, noch gab es Gewitterwolken! Nichts liegt mir ferner, als zu behaupten, früher wäre alles besser gewesen, aber früher gab es ein Schild mit „Baden auf eigene Gefahr!“ und eines mit „Eltern haften für ihre Kinder!“ und wenn dann wirklich ein Gewitter kam, hatte die Bademeisterin eine Trillerpfeife ...