Der dänische Regisseur bleibt seiner Linie als avantgardistischer Autorenfilmer treu und liefert mit seinem neuesten Werk einen verstörenden und spannenden Psychotriller in schaurig-schönen Bildern.
Die internationale Filmkritik ist auf Lars von Trier normalerweise gut zusprechen. Man denke an die politisch und humanistisch motivierten Filme „Dogville“ und „Manderlay“, die in minimalistischer, aber genialer Manier das brechtsche Theater auf die Kinoleinwand transportierten. Zu explizit seien in Triers neuem Film allerdings Sex- und Gewaltszenen dargestellt. Besonders die amerikanische Kritik konnte mit der Inszenierung wenig anfangen und betitelte „Antichrist“ als Skandalfilm.
In der Tat ist „Antichrist“ keine leichte Kost. Inhaltlich geht es um ein Ehepaar, dass nach dem tragischen Tod ihres Sohnes in einer entlegenen Waldhütte, von ihnen selbst Eden genannt, versucht, den Schmerz des Verlustes aufzuarbeiten. Während der Mann, von Beruf Psychologe, mit dem Verlust umzugehen weiß, leidet die Frau fortan an schweren Depressionen und Angststörungen. Lediglich sexuelle Intimitäten können für sie den Schmerz lindern. Bei dem Versuch, die Angststörung zu therapieren, kommt Unheimliches ans Licht und eine Katastrophe wird nahezu heraufbeschworen.
Auch in diesem Film setzt von Trier auf eine klassische und literarische bzw. theatralische Dramaturgie. Erzählt wird die Geschichte in Akten, samt Prolog und Epilog. Das ist allerdings auch die einzige Hilfe, die dem Zuschauer bereitgestellt wird, um einen oberflächlichen Zugang zur Geschichte zu bekommen. Insgesamt sperrt sich der Film gegen vorschnelle und eindimensionale Deutungen. Beispielsweise spielt von Trier auf geschickte Weise mit der Psychologie. Wissenschaftliche Erkenntnisse und rationale Denkmuster werden dabei als lediglich theoretische Annahmen entlarvt, die in der filmischen Realität keine Anwendbarkeit finden. Zu komplex scheint die Tiefe der menschlichen Psyche. So arbeitet von Trier ebenfalls verstärkt mit Symbolen, angefangen beim Titel, um seine ohnehin schon komplexe Geschichte zu verfeinern. Unterstützt wird die Handlung durch eine beängstigend schöne Cinematographie, mal sind die Bilder in Schwarz-Weiß gezeichnet, mal in Zeitlupe. Dabei steht die ästhetische Darstellung in einem abnormen Kontrast zum inhaltlich gezeigten. Gleiches gilt für die wohlklingende und rare, aber ausgewogene musikalische Hinterlegung, die an Engelschöre erinnert.
Lars von Trier als quasi manifestierter Antichrist des Filmgeschäfts beweist ein weiteres Mal sein feines Gespür für komplexe psychologische Themen. Beim Filmfestival in Cannes wurde „Antichrist“ für die goldene Palme nominiert, ging aber leer aus. Seine Hauptdarstellerin, Charlotte Gainsbourg, erhielt allerdings den Preis als beste Darstellerin. Im Übrigen verließen einige Zuschauer bei der Vorführung aus demonstrativem Protest den Kinosaal. Man munkelt, es waren hauptsächlich Amerikaner.
Fazit
„Antichrist“ ist ein sperriger, symbollastiger Psychothriller. Künstlerisch wertvoll aber auch aufgrund der freizügigen und gewalttätigen Inszenierung nicht für jedermanns Geschmack.
Jonas Kirstein
Bild: www.filmstarts.de