Washington D.C., FBI-Büro, 1970er Jahre. Ein alter Mann sitzt am Schreibtisch, ein jüngerer ihm gegenüber an der Schreibmaschine. Der junge schreibt, der alte erzählt. Er erzählt eine Geschichte von Karriere, Macht und Treue. Aber auch eine Geschichte von Zerrissenheit, Erpressung und Aufopferung.
Clint Eastwoods neues Drama schildert Leben und Werk des J. Edgar Hoover (Leonardo DiCaprio), der fast 50 Jahre lang an der Spitze des FBI stand. Mit Sekretärin Helen Gandy (Naomi Watts) und Stellvertreter Clyde Tolson (Armie Hammer) in seinem Rücken revolutionierte er Spurensicherung und Ermittlungsmethoden.
Eastwood portraitiert einen schwierigen und vielseitigen Charakter, der auf der einen Seite für Gesetzestreue, Moralität und den Schutz seines Landes lebt, auf der anderen Seite aber auch als kontrollsüchtiger, egozentrischer und erpresserischer Machtmensch bekannt ist. Er stellt dessen Aufstieg zum „mächtigsten Mann Amerikas“ dar und lässt auch dessen Privatleben nicht außen vor.
Der Film beginnt in den 70er Jahren und stellt zuerst den gealterten J. Edgar Hoover vor. Er selbst übernimmt die Funktion des Erzählers, indem er einem jungen Agenten seine Geschichte diktiert. Den ganzen Film hindurch wechseln sich Rückblenden, angefangen im Jahr 1919, und aktueller Fortlauf der Ereignisse ab, bis sie sich zum Ende hin zeitlich immer näherkommen. Trotz der vielen Sprünge bleibt der Aufbau aber logisch und gut zu verfolgen, wenn es auch zunächst ungewohnt ist, Leonardo DiCaprio in der Maske eines alten Mannes zu sehen.
„Information ist Macht“
Nachdem der erst 24-jährige J. Edgar Hoover die Leitung des Bureau of Investigation übernommen hat, setzt er alles daran, die Behörde auf Vordermann zu bringen und von Grund auf neu zu strukturieren. Personal wird überprüft und genau ausgewählt, Daten werden in großem Stil gesammelt und neue Ermittlungsmethoden eingeführt. Hoover entdeckt den Fingerabdruck als Beweismittel und andere wissenschaftliche Beweismethoden. So stellt er Wissenschaftler ein und eröffnet das erste kriminaltechnische Labor. Dabei muss er sich allerdings immer wieder vor Öffentlichkeit, der Polizei und der Politik behaupten, denn seine Methoden werden zunächst von kaum jemandem ernst genommen.
Seine Zuneigung zu seinem Assistenten und späteren Stellvertreter Clyde Tolson versteckt Hoover und setzt den Focus auf die Beziehungen und Affären anderer: Früh beginnt er, geheime Daten über jeden zu sammeln, der in Washington D.C. etwas zu sagen hat oder zur amerikanischen Prominenz gehört. Es entstehen Geheimakten, die jeden Fehltritt der Präsidenten, First-Ladys und Behördenchefs enthalten. Wiederholt zeigt der Film Hoover mit eben diesen Akten unter dem Arm im Oval Office und stellt so auch seine erpresserischen Methoden dar. Es gelingt ihm, seine Stellung über acht Präsidentschaften hinaus zu erhalten, denn: „Information ist Macht.“
Der mächtigste Mann Amerikas …?
Eastwood ist ein vielseitiges Portrait eines rätselhaften Mannes gelungen, der fast 50 Jahre lang in der Öffentlichkeit stand. Es wird dem pflichtbewussten J. Edgar Hoover gerecht, der sein Leben dem Aufbau des FBI gewidmet hat. Durch die beiden Erzählstränge wird das Bild eines Mannes gezeichnet, der sich skrupellos für seine Ziele einsetzt, aber es lässt auch Raum für den Edgar, der als Sohn am Krankenbett der Mutter (Judy Dench) um deren Anerkennung kämpft. Und der Zeit seines Lebens seine Homosexualität und damit die Liebe zu seinem Stellvertreter und treuen Begleiter Clyde Tolson unterdrückt.
Alles in allem: Ein wirklich sehenswertes, gut gespieltes Drama, das die vielseitige Biografie einer interessanten Persönlichkeit wiedergibt und nicht langweilig wird.
Zu sehen im Metro-Kino im Schlosshof, Holtenauer Str. 162–170, Kiel, www.metrokino-kiel.de.
Die nächsten Vorstellungen:
Sa., Sa.: 17:15, 20:15, 23:00
So.: 11:00, 17:15, 20:15
Mo.–Mi.: 17:15, 20:15
Text: Anna Jakobi