Langanhaltender Applaus war die Reaktion des Publikums auf die gelungene Premiere von Arthur Millers „Ein Blick von der Brücke“ am vergangenen Samstag im Schauspielhaus. Besonders Hauptdarsteller Zacharias Preen, der mit lauten Bravo-Rufen gefeiert wurde, beeindruckte in seiner Rolle als kaltschnäuziger Hafenarbeiter Eddie Carbone.
Dass den Zuschauern ein Abend voller Action und Dramatik bevorsteht, kündigt sich bereits in den ersten Minuten des Stückes an: Eine wilde Verfolgungsjagd inklusive Schlägerei fegt wie ein unheilvoller Sturm über die Bühne – danach Totenstille.
Der Anwalt Mr. Alfieri (Rainer Jordan), der als Erzähler fungiert, tritt auf. Er wirkt traurig und desillusioniert. Geplagt von Selbstvorwürfen, hat er es sich zur Aufgabe gemacht, seinen letzten Fall an die Öffentlichkeit zu bringen, damit die Menschen daraus lernen können.
Der Vorhang hebt sich, und der Blick fällt auf eine spartanisch eingerichtete und in sterilem Weiß gehaltene Containerwohnung. Grelle Neonleuchten verbreiten eine bedrückende Krankenhaustimmung. Hier, in einem Arbeiterviertel unter der Brooklyn Bridge, leben der aus Sizilien in die USA ausgewanderte Hafenarbeiter Eddie Carbone (Zacharias Preen), seine Frau Beatrice (Ellen Dorn) sowie ihre 17-jährige Nichte und Ziehtochter Catherine (Maria Goldmann). Ihr Leben ist hart, und Eddie verdient gerade so viel Geld, um die Familie über Wasser zu halten. Trotzdem bietet er Beatrices Cousins Marco (Marko Gebbert) und Rodolpho (Felix Zimmer), die illegal aus Italien in die USA eingereist sind, Unterschlupf. Die Situation eskaliert, als sich Catherine und Rodolpho ineinander verlieben. Eddie will die beiden um jeden Preis auseinander bringen: Er unterstellt Rodolpho, er wolle sich mit einer Scheinehe seine Aufenthaltsgenehmigung erschleichen und sei homosexuell. Dabei verdrängt Eddie, dass er selbst mehr als väterliche Gefühle für Catherine entwickelt hat. Obwohl sein Anwalt Mr. Alfieri ihm aus moralischen Gründen davon abrät, ist Eddie sogar bereit, Marco und Rodolpho bei der Einwanderungsbehörde anzuzeigen. Es kommt zum dramatischen Showdown.
Zacharias Preen glänzt in der Rolle als im inneren Konflikt gefangener Mann, der sich selbst im Weg steht. Genauso präzise wie glaubhaft nimmt er den Zuschauer mit in eine Welt aus ohnmächtiger Verzweiflung, die umschlägt in Wut und schließlich Gewalttätigkeit. Eddie kämpft im wahrsten Sinne des Wortes gegen die Tatsache an, dass er in seine eigene Nichte verliebt ist. Ein Kampf, der er nicht gewinnen kann. Maria Goldmann überzeugt als naives, ängstliches Mädchen, das sowohl ihrem Ziehvater als auch Rodolpho gerecht werden will und es am Ende schafft, den mutigen Schritt zum Erwachsenwerden zu gehen. Toll auch Felix Zimmer: Authentisch mimt er den fröhlichen Traumtänzer Rodolpho, der es – platinblond und Coca Cola schlürfend – genießt, im „Land der unbegrenzten Möglichkeiten“ zu sein. Immer einen frechen Spruch auf den Lippen, sorgt der Möchtegernsänger beim Publikum für viel Gelächter.
„Ein Blick von der Brücke“ ist gerade dadurch so unterhaltsam, dass das Stück mehrere Genres miteinander vereint. Einerseits eine klassische Tragödie, bei der das Scheitern der Hauptfigur vorprogrammiert ist, scheinen die Kampfszenen einem Sonntagabend-Krimi entsprungen zu sein. Komödiantische Einlagen fehlen ebenso wenig wie romantische Liebesszenen. Interessant, dass auch ein Element aus dem klassischen Western eingebaut wurde: Untermalt von Nancy Sinatras „Bang Bang“, stehen sich die Kontrahenten zum „Duell“ gegenüber. Dramatik, Action, Witz und große Gefühle – was will man mehr?!
Weitere Vorstellungen am 17., 18. (16 Uhr), 23., 28. und 29. April, am 5. und 7. Mai sowie am 3. Juni, jeweils um 20 Uhr. Tickets unter www.theater-kiel.de.
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