Kurz vor Abreise eines Kreuzfahrtschiffes am Ostseekai passiert es: Eine Bombe explodiert mitten im Abfertigungsterminal. Der Ostseekai ist verwüstet, es gibt Leicht- und Schwerverletzte, parallel mit den Einsatzkräften von Polizei, Feuerwehr und Kampfmittelräumdienst treffen die ersten Reporter ein und erschweren den Rettungseinsatz. Die Situation scheint unübersichtlich und hinterlässt ein schreckliches Bild.
Schauplatz der Katastrophenübung: der Ostseekai
Gelangen solche Zeilen in die Gazetten, ist zuvor tatsächlich ein Bombenanschlag irgendwo in dieser Welt verübt worden. Glücklicherweise nicht am 2. Juni. Es liegt kein Kreuzfahrtschiff am Ostseekai, das Terminal steht unbeschadet an seinem Erbauungsort, und Einsatzkräfte von Polizei, Feuerwehr und Kampfmittelräumdienst proben einen Tag lang für den Ernstfall. Man will für den Fall der Fälle vorbereitet sein, soweit dies überhaupt möglich ist, erläutert Polizei-Pressesprecher Stefan Jung: „Wir haben versucht alles so gut wie möglich nachzustellen, einige Dinge lassen sich allerdings, oder besser gesagt glücklicherweise, nicht inszenieren, diese Gegebenheiten müssen sich die Kollegen denken.“ 460 Beamte aus ganz Schleswig-Holstein sind am Übungseinsatz beteiligt, der chronologisch wie in der Realität simuliert wird.
„Jeder weiß, seine Aufgabe zu erfüllen.“
Kurze Zeit nach der Detonation trifft eine Polizeistreife am Ort des Unglücks ein und alarmiert die Kollegen in Kiel. Innerhalb weniger Minuten werden Einsatzkräfte aus Dienststellen in ganz Schleswig-Holstein nach einem Katastropheneinsatzplan zusammengetrommelt, unter ihnen Spezialisten für die psychologische Betreuung von Angehörigen, der Spurensicherung und des Katastrophenschutzes, und zum Anschlagsort delegiert. „Ein solcher Einsatz lässt sich gut mit einem Ameisenhaufen vergleichen“, erklärt Polizei-Pressesprecher Stefan Jung. „Von außen wirkt er wie ein großes Durcheinander, unstrukturiert und konzeptlos. So wirkt auch dieses Zusammenspiel der zahlreichen Beamten von außen konfus, aber jeder hat eine konkrete Aufgabe und weiß diese zu erfüllen.“
Koordiniertes Zusammenspiel der Einsatzkräfte
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Polizeipressesprecher Stefan Jung
Diese treffen in kurzen Abständen nacheinander am Unglücksort ein. Die Polizeistreife, die zuerst am Tatort war, hat bereits das Gelände weiträumig abgesperrt, Kollegen des Kampfmittelräumdiensts dringen vorsichtig in das Gebäude ein und prüfen die Gefahrenlage. Es wird das ganze Ausmaß der Detonation erkennbar: Es gibt Verletzte, die sogleich von Kollegen der Polizei und Feuerwehr erstversorgt werden. Beamte des psychologischen Dienstes kümmern sich um Leicht- oder Unverletzte werden. Sämtliche Zivilpersonen werden in Sicherheit gebracht. „Während wir hier draußen den Anschlagsort weiter absichern, beginnt jetzt in unmittelbarer Umgebung der Einsatz der Spurensicherung. Jedes Gepäckstück, jeder Stuhl, jede noch so kleine Scherbe wird exakt untersucht“, erklärt Polizeimeister Heiko Frank außerhalb des Ostseekais vor dem Absperrband stehend. Doch auch hier nimmt der Tumult zu. Reporter- und Kamerateams sind nach der Explosion ebenfalls am Ostseekai angekommen und gehen investigativ ihrer Arbeit nach: „Es wird psychologischer Druck auf mich als Pressesprecher simuliert, dem ich Stand halten muss. Einerseits muss ich das Informationsbedürfnis der Medien befriedigen, darf aber durch Herausgabe von Details die Ermittlungen nicht gefährden“, umschreibt Stefan Jung seine Position bei der Übung, die für ihn durchaus eine Herausforderung darstellt, da er erst seit einem Jahr die Ermittlertätigkeit gegen eine Position im Polizei-Pressedienst eingetauscht hat.
460 Beamte im Einsatz
Ermittlungen: ein weiteres Stichwort. Nicht alle der 460 Beamte sind am Einsatzort. Während an der Unglücksstelle Verletzte versorgt, Spuren und Beweise gesichert werden, laufen im Polizeiführungsstab, der Abseits des Geschehens sitzt, die Ermittlungen bereits auf Hochtouren. Erste Zeugen wurden befragt, die im Terminal eine Gruppe junger Männer beobachtet haben, die einen Koffer bei sich hatten, der später alleinstehend gesichtet wurde. Die Beschreibung einer der Männer passt leider auf mich und sogleich bin ich Teil der Errmittlungen. Polizeimeisterin Janine Gärtner nimmt meine Personalien auf und prüft diese. Nach kurzer Zeit kann eine Beteiligung an der Tat ausgeschlossen und ich entlassen werden.
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Sicherten als erste Polizeistreife den Unglücksort ab: Polizeimeisterin Janine Gärtner, Polizeioberkommissarin Sabrina Gudat und Polizeimeister Heiko Frank
Landespolizeidirektor äußert sich sehr zufrieden
Im vergangenen Jahr hatte das Landeskriminalamt Schleswig-Holstein eine ähnliche Übung am Flughafen Kiel-Holtenau durchgeführt – damals hatten nur 150 Einsatzkräfte an der Simulation des Großeinsatz mitgewirkt. Landespolizeidirektor Burkhard Hamm zeigte sich in einer ersten Einschätzung mit dem Übungsablauf und dem Einsatz des dreifachen Personals sehr zufrieden: „Meine unmittelbaren Eindrücke als eingesetzter Polizeiführer waren durchweg positiv. Insbesondere die Zusammenarbeit und das Zusammenspiel der verschiedensten Spezialisten und Organisationen fanden reibungslos und koordiniert statt, sodass wir die gestellten Aufgaben lösen konnten: Weitere Gefahren wurden minimiert, der Tathergang rekonstruiert, der Attentäter ermittelt und festgenommen. In einer intensiven Nachbereitung der komplex angelegten Übung werden wir nun die Details auswerten. Mein Dank gilt allen eingesetzten Kräften und dem Hafenbetreiber, der uns die Örtlichkeit für diese Übung zur Verfügung gestellt hat."