Mit der Pandemie scheint ein regelrechter Keramik-Boom ausgebrochen zu sein. Wir haben uns in dem Kieler Atelier „Kunstgetimmer“ von Susann Lewin auf die Suche nach den Gründen begeben.
Die Stimmung ist gelöst. An einem Donnerstagabend freut sich Susann Lewin ganz besonders, drei Teilnehmerinnen an einem ihrer Keramik-Workshops begrüßen zu dürfen. Schließlich feiert die Kunsttherapeutin das einjährige Bestehen von „Kunstgetimmer“ in der Jungmannstraße – einer Seitenstraße der Holtenauer. Seit einem Jahr gibt Lewin regelmäßige Workshops rund um das Thema Keramik und kann sich seitdem vor Anfragen kaum retten. „Ich habe einen Ausgleich gesucht und habe das Atelier gefunden – oder besser: Das Atelier hat mich gefunden“, sagt die Therapeutin, die eine Alternative zu ihrem „Broterwerb“ als Kunsttherapeutin im Universitätsklinikum suchte. Die Arbeit selbst, aber vor allem die Hochphase der Pandemie habe dazu beigetragen, dass sie nur schwer mit einigen persönlichen Schicksalen der Patient*innen umgehen konnte.
Die Menschen suchen Erdung und Beruhigung
Sie selbst hat die ersten Erfahrungen mit dem Werkstoff Ton in der Kulturwerft bei dem Keramikmeister Fred Bitahwa gemacht und war im Anschluss von der Idee vereinnahmt, irgendwann vielleicht selbst einen Workshop für Keramikbegeisterte zu geben.
Als sie vor dem Leerstand in der Jungmannstraße erfuhr, fackelte Lewin nicht lang und ergriff ihre Chance. Mit einem kleinen Team renovierte Sie den Laden und steht heute in ihrem eigenen Atelier. „Ich wollte Workshops anbieten und Menschen dabei helfen, mit Keramik zu arbeiten und den Boden unter den Füßen zu spüren.“ Das wollen seit dem Ausbruch der Pandemie offensichtlich viele Menschen. Kurse sind zum Teil Wochen im Voraus ausgebucht. Der Grund könnten die aufwühlenden vergangenen zwei Jahre gewesen sein, in der viele mit Unsicherheiten und Ängsten unterschiedlichen Ursprungs zu kämpfen hatten. „Ich glaube es geht um die Erdung und das Zusichkommen. Das sagt schon das Material: der Ton oder die Erde“, meint die Kunsttherapeutin.
Motive sind unterschiedlich
Auch an diesem Abend hat Lewin drei Kielerinnen bei sich, die etwas über die Arbeit mit dem Werkstoff lernen und ein individuelles Stück mit nach Hause nehmen wollen. Achtung Spoiler: Keine der Teilnehmerinnen wird selbst gemachte Keramik an diesem Abend mit nach Hause nehmen, weil der Ton zunächst aushärten und gebrannt werden muss. Die Ideen sind dabei ganz unterschiedlich. Espresso-Tassen, Müsli-Schalen und ein Fressnapf für die Katze wollen die Teilnehmerinnen anfertigen. Das Ergebnis selbst ist dabei scheinbar nur ein positiver Nebeneffekt. „Es macht Spaß mit dem Material zu arbeiten und etwas herzustellen“, sagt Lotte Borchers als Teilnehmerin des Kurses, die ihre ersten Erfahrungen mit Ton sammelt. „Es ist schön, hier gemeinsam zu sitzen, etwas mit den Händen zu erschaffen und sich zu konzentrieren.“
Anders hingegen Michaela Schmidt. Die Studentin besuchte bereits während der Pandemie einen digitalen Keramik-Workshop, bei dem der Ton nicht gebrannt wurde, sondern nur aushärtete. „Ela“ lernte Susann Lewin bereits während den offenen Ateliertagen kennen und möchte heute einmal etwas neues ausprobieren.
Nach etwas mehr als 2 Stunden neigt sich der Workshop dem Ende entgegen. Jede der drei Teilnehmerinnen hat etwas lernen und für sich mitnehmen können – wenn auch kein eigenes Kunstwerk. Während sich Teilnehmerin Anna für eine Tasse aus den Händen von Susann entscheidet, möchte Lotte lieber warten, bis ihr eigenes Werkstück in drei Wochen abholbereit liegt. Bis dahin werden sich vermutlich weitere Kunstbegeisterte Keramikfans bei Susann Lewin melden und einen Workshop buchen.
Weitere Infos und buchbare Termine findest du auf der Website von Kunstgetimmer.