UPDATE (27.07.2021): Das Konzert, das gestern Abend wegen der schlechten Wetterbedingungen abgebrochen werden musste, wird diesen Mittwoch (28.07.2021) um 19:00 Uhr in der Philharmonie im Park in Emkendorf wiederholt. Karten für den gestrigen Abend behalten ihre Gültigkeit.
Der 27-jährige Martin Grubinger ist ein Ausnahmekönner und gilt vielen gar als Jahrhundertmusiker. Das ist umso erstaunlicher, wenn man bedenkt, dass Grubinger eben kein Pianist, Violinist oder Cellist ist – oder wie viele Perkussionisten kennst du namentlich? Den meisten Menschen dürften bei der Frage nicht einmal historische Personen einfallen. Martin Grubinger hingegen ist ein Name, den man sich garantiert merkt, wenn man seiner Show einmal beigewohnt hat.
Was macht eigentlich ein Perkussionist?
Unter dem Begriff Perkussionsinstrumente (oder englisch: Percussions) versammeln sich alle Musikinstrumente aus dem Bereich der Schlag- und Effektinstrumente. Wobei sicherlich das Schlagzeug, wie man es auf fast jeder Pop- und Rock-Konzertbühne findet, das mit Abstand populärste ist. Wobei auch dieses natürlich kein einzelnes Instrument im engeren Sinne ist, was der englische Name „drum set“ ganz gut umschreibt. Das Schlagzeug ist eine Komposition, ein Set, aus verschiedenen Trommeln, in der Regel ergänzt um verschiedene Becken.
Die Liste der Instrumente, die man als Perkussionist:in beherrschen kann, ist fast endlos lang. Auf ihr finden sich nämlich nicht nur Trommeln und Becken, sondern etwa (wie alle Xylophone) auch die Marimba, die weltweit kaum jemand so gut beherrscht wie der Österreicher Grubinger. Eigenen Angaben zufolge besitzt Grubinger allein etwa 500 Idiophone und Membranophone, von denen er 400 auch beherrscht.
Wer mehr über das Leben und die Ausbildung von Perkussionist:innen erfahren möchte, kann das übrigens unter anderem in der Episode „Paukenschläge(l) in Amerika“ des „Pitcast“, dem Podcast des Philharmonischen Orchester Kiel tun.
SHMF-Jubiläum
Die Carnegie Hall in New York, das Concertgebouw in Amsterdam, das Leipziger Gewandhaus, der Wiener Musikverein – Martin Grubinger spielt seit Jahren in den bekanntesten Häusern der Welt und findet dabei glücklicherweise auch immer wieder Zeit, für den einen oder anderen Auftritt beim Schleswig-Holstein Musik Festival. Seit 20 Jahren spielt er, der 2015 auch als Show Act (also nicht als Teilnehmer) beim Eurovision Song Contest in Wien auftrat, regelmäßig im Rahmen des größten Musikfestivals im Norden.
2015 war auch in dieser Hinsicht „sein Jahr“, wurde ihm damals doch die Ehre zuteil, als Porträtkünstler des SHMF zu fungieren. Porträtkünstler:innen leihen der Konzertreihe nicht nur ihr Gesicht, sondern absolvieren in der Regel auch eine Vielzahl von Auftritten – auf 16 brachte es Grubinger.
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Ein Erlebnis
Nach einem Grubinger-Konzert von einem „besonderen Abend“ zu sprechen, ist auf keinen Fall untertrieben. Jedes Grubinger-Konzert ist besonders, weil anders; zumindest fühlt es sich so an. Ohne Sorge kann man, wenn sich die Gelegenheit bietet, Tickets für mehrere seiner Auftritte in Reihe erstehen – langweilen wird man sich nie. Zu experimentierfreudig ist Grubinger dafür, zu viel Spaß hat er selbst an seiner Kunst, um sich ständig zu wiederholen. Dabei ist oft schwer zu sagen, welche Teile der Konzerte eigentlich „mehr Grubinger“ sind: Die Solos, in denen selbst der musikalisch desinteressiertesten Person schnell klar wird, was für ein Genie und was für ein Virtuose da vor einem steht. Oder sind es die Segmente, die er gemeinsam mit anderen Künstlern bestreitet?
An diesem Abend etwa stehen und sitzen neben Grubinger auch Slawin Stahkov, Richard Putz, Valentin Vötterl und Jürgen Leitner (alle an Perkussionsinstrumenten) sowie Per Rundberg am Klavier auf der Bühne und erweitern nicht nur das klangliche Spektakel, sondern verschaffen Grubinger auch mal die eine oder andere Pause von seiner wahrlich schweißtreibenden Arbeit.
Wirklich viel von ihrem Können zeigen konnte die Truppe an diesem Abend in Emkendorf allerdings nicht. Schon bei der Begrüßung von Publikum und Künstlern sagte Dr. Christian Kuhnt, Intendant des Schleswig-Holstein Musik Festivals, dass es möglich sei, dass man ihn noch ein weiteres Mal auf der Bühne sehen würde und dass dies dann kein gutes Zeichen wäre. Dann nämlich würde er den Abbruch des Konzerts wegen des nahenden Unwetters verkünden müssen.
Und so kam es dann auch. Schon während des dritten Werks, nach gut einer halben Stunde, stand Kuhnt wieder auf der Bühne – das tapfere Publikum war zu diesem Zeitpunkt schon hinreichend durchnässt – und überbrachte die schlechte Botschaft. Die Zuschauer:innen trugen die Entscheidung mit Fassung. Bis dahin war es einmal mehr ein großartiger Auftritt Grubingers, der mit einem Trommelfeuerwerk, dessen sportlicher Aspekt vermutlich noch höher zu bewerten ist als der musikalische, startete. Immerhin gelang es Grubinger und seinen Mitmusikern bis zum Abbruch jedes der zahlreichen auf der Bühne aufgebauten Instrumente zumindest einmal gespielt zu haben.
UPDATE (29.07.2021): Ohne Unterbrechung oder gar einen erneuten Abbruch konnte das Konzert tatsächlich am vergangenen Mittwochabend an gleicher Stelle nachgeholt werden. Das Wetter meinte es trotzdem nicht allzu gut mit dem Publikum: praktisch mit Konzertbeginn setzte erneut teilweise starker Regen ein und hielt, einer interessanten Dramaturgie folgend, ziemlich genau bis zu der Stelle im Konzert an, an der zwei Abende zuvor der Abbruch erfolgte.
Wer ausharrte, wurde danach nicht nur mit bestem Wetter, sondern auch mit einem weiter dynamisch aufspielendem Ensemble belohnt. Grubinger und seine Mitstreiter spielten neben bekannten Klassikern wie Keiko Abes „The Wave“ auch ein brandneues Stück seines Vaters sowie eine Reminiszenz an den „Drumming“-Auftritt vor einigen Jahren im Rahmen der NordArt.
Perkussions-Ensembles sind längst nicht so alltäglich, wie es Streichquartette oder gar ganze Orchester sind. Das weiß auch Grubinger und nimmt sich zwischen den verschiedenen Werken immer wieder die Zeit, ein paar Worte ans Publikum zu richten, um zu erklären, warum ein Werk gewählt wurde, was es ausmacht oder worin seine Schwierigkeit besteht.
Am Ende kamen so alle auf ihre Kosten – am meisten vielleicht der SHMF-Merchandise-Stand, der auch Regen-Ponchos im Angebot hat.