Von der beschaulichen Küstenstadt in die große weite Welt: Die Journalistin und Autorin Katja Kessler hat das geschafft, wovon viele Frauen träumen. Mit KIELerLEBEN sprach sie über ihre Zeit als Bild-Kolumnistin, den Spagat zwischen Kind und Karriere und ihre alte Heimat Kiel.
KIELerLEBEN: Frau Kessler, Sie sind in Kiel geboren – wie eng sind Sie noch mit der Fördestadt verbunden?
Katja Kessler: Wenn ich an Kiel denke, dann bekomme ich ein warmes Gefühl im Bauch. Kiel ist meine Heimat, dort bin ich aufgewachsen, im Königsweg habe ich meine Zahnspange verloren und in der „Pumpe“ das erste Mal geknutscht. Ich werde mich immer mit der Stadt verbunden fühlen. Zumal ich etwas typisch Norddeutsches an mir habe …
Was denn?
Wir Kieler Sprotten sind ja eher diese Abwarten-und-Teetrinken-gut-Ding-will-Weile-haben-Abteilung. Dieses italienische Moment – ragazzi, zackizacki, alles schnell-schnell – geht uns ein wenig ab. Aber das ist auch gut so!
Was mögen Sie besonders an Kiel?
Das Meer und den Hafen. Ich bin früher oft mit meinen Eltern zum Seehundbecken spaziert. Der Geruch dort ist Heimat!
Sie sind promovierte Zahnärztin und sollten eigentlich die Kieler Arztpraxis Ihres Vaters übernehmen. Stattdessen wurden Sie Kolumnistin der Bild-Zeitung. Wie kam es dazu?
Während ich so vor mich hinstudiert habe, habe ich festgestellt, dass es das eigentlich nicht ist für mich. Ich habe mich mehr für die Lebensgeschichte der Patienten interessiert als für ihre Behandlung. Außerdem habe ich immer schon gern gelesen und war sehr beeindruckt davon, wenn Menschen gut formulieren konnten. Also habe ich ein Praktikum bei Schöner Wohnen gemacht und bin so in den Journalismus reingerutscht.
Es brauchte ein paar mehr Oktanzahl in meinem Leben
War Ihr Vater sehr enttäuscht, dass Sie seine Praxis nicht übernommen haben?
Ja. Für ihn war das ein Lebenstraum – seinen Kindern das gemachte Nest zu bereiten. Wir sollten es mal leichter haben als er, der gleich nach dem Krieg studieren musste ohne Scheiben in den Fenstern. Er hat bis zum Schluss noch modernisiert. Wie schlimm es für ihn war, habe ich eigentlich erst begriffen, als er nach dem Verkauf immer noch abends an der Praxis vorbeigefahren ist, um nachzuschauen, ob das Licht noch an ist. Ich bin wirklich
dankbar, dass mein Vater mich von der Leine gelassen hat. Überhaupt haben mich meine Eltern alles ausprobieren lassen: ob Jobben auf Einrichtungsmessen oder Kellnern in der Kieler Klosterbrauerei. Ich hoffe, dass ich bei meinen Kindern später auch so locker bin.
Haben Ihre Kinder denn schon Berufswünsche?
Mein siebenjähriger Sohn Caspar hat neulich zu meinem Mann gesagt: „Dudu? Papa? Du bist doch Chefredakteur von der Bild? Hast du denn schon überlegt, wer das später mal machen soll – Kolja oder ich? Ich möchte nämlich lieber Tierpfleger werden.“ (lacht) Wir lassen unseren Kindern alle Freiheiten. Es ist wichtig, Talente zu fördern, und den Kindern gleichzeitig kein Korsett anzulegen.
Was hat Sie letztlich an der Promiwelt fasziniert? Schöner Wohnen und Bild liegen recht weit auseinander …
Im Wartezimmer meines Vaters habe ich immer diese ganzen Zeitschriften gelesen: Quick, Neue Post… Ich fand es super spannend, in die Welt der Schönen und Reichen einzutauchen. Ich hatte Fernweh und wollte was erleben. In der Schule hatte ich Griechisch und Latein als Leistungskurse, mein Vater kommt aus dem katholischen Rheinland, ist jeden Sonntag in die Kirche gegangen. Es war alles sehr ordentlich und sortiert bei uns zu Hause, inklusive Durchreiche und Servierwagen von Möbel-Kraft. Ich hatte das Gefühl, es braucht mal ein paar mehr Oktanzahl in meinem Leben.
Und wie war der Ausflug auf das internationale Parkett?
Schön. Aber was man dort lernt, unterscheidet sich nicht großartig von dem, was man in Kiel lernt. Es gibt überall Sein und Schein, die Klugen und die Schwätzer. Dafür muss man nicht ins Ausland fahren, die Erkenntnis gibt’s auch gratis zu Hause. Was ich meine, ist: Mein Koordinatenkreuz ist Kiel. Dieses Solide-Konservative, dieses „eins und eins ist zwei“ war und ist ein gutes Rüstzeug fürs Berufsleben. Ich wollte mich nie von dauergrinsenden Hollywoodstars einlullen oder durch irgendwelche Wort-Blubb-Blubb-Phrasen abwimmeln lassen.
Heute stehe ich zu meiner Kuchenbackallergie
Zu welchem Interviewpartner hatten Sie einen besonders guten Draht?
Zu Jack Nicholson. Der war so was von charmant und um-den-Fingerwickelnd! Da müsste man mal den einen oder anderen Ehemann zum Nachsitzen hinschicken. (lacht) Und ich hatte eine schicksalhafte Begegnung mit Carmen Electra. Zwischen Büfett und Garderobe erzählte sie mir mal eben von ihrem prügelnden Ehemann Dennis Rodman, den sie für ihre von Gott gesandte Prüfung hielt, und ihrer Mutter, die an Krebs erkrankt war. Diese Kolumne wurde später mit einem Preis geehrt.
Sie sind das beste Beispiel dafür, dass man Kinder und Karriere miteinander verbinden kann – was ist Ihr Erfolgsrezept?
Man muss ganz doll wollen, denn es gibt echt viele Hürden zu überwinden. Ich glaube, wir Frauen hatten es noch nie so schwer wie in der heutigen Zeit. Früher war klar: Er arbeitet, sie bleibt zu Hause und kümmert sich um die Kinder. Heute ist das nicht mehr klar. Die, die zu Hause bleiben, um sich um die Kinder zu kümmern, werden komisch angeguckt. Die, die arbeiten gehen, auch. Irgendwie mutiert man darüber zur Einzelkämpferin, die abends ins Bett fällt und sich aufzählt, was sie alles nicht geschafft hat. Darüber schreibe ich ja auch in in meinem neuen Buch.
Haben Sie trotzdem ein paar Tipps für arbeitende Mütter?
Oh ja, mit vier Kindern kenne ich eine ganze Menge Mütter-Überlebenstricks. Zum Beispiel: Mut zur Lücke. Wenn früher das Kita-Fest anstand, habe ich immer Blechkuchen gekauft und die Streusel runtergefummelt, damit er aussieht wie selbst gebacken. Heute stehe ich zu meiner Kuchenbackallergie. Das Problem ist: Wir Frauen haben doch ein bestimmtes Bild im Kopf, wie wir als gute Mutter sein sollten, und setzen uns einem totalen Stress aus. Ich glaube, wir Frauen müssen lernen, uns auf die wirklich wichtigen Dinge zu konzentrieren: Dazu gehört, Inseln zu schaffen und regelmäßig Zeit mit den Kindern zu verbringen. Heute habe ich zum Beispiel mit meinen beiden Töchtern Kaninchen gekauft: Krümel und Harry. (lacht)
Könnten Sie aufs Arbeiten verzichten?
Nein, ich möchte arbeiten. Ich glaube, dass das sehr wichtig ist. Ich würde jeder Frau dazu raten. Meine Tochter Lilly hat eine statistische Lebenserwartung von 100 Jahren. Ich möchte ihr jetzt ein Vorbild dafür sein, wie ihr Lebenskonzept aussehen könnte. Die Zeit mit den eigenen Kindern ist, über die gesamte Lebenszeit betrachtet, nur ein kürzerer Abschnitt. Deshalb solltest du als Frau die Dinge nicht vergessen, die dich auch erfüllen und glücklich machen, dazu zählt der Job. Und manchmal heißt das eben: Zähne zusammenbeißen und kämpfen.
Katja Kesslers aktuelles Buch: Der Tag, an dem ich beschloss, meinen Mann zu dressieren. Diana Verlag, 2011
Zur Person:
Katja Kessler wurde 1969 in Kiel geboren. Nach dem Abitur an der Kieler Gelehrtenschule studierte sie Zahnmedizin an der Christian-Albrechts-Universität. Mit 23 zog sie nach Hamburg und beendete dort ihr Studium. Nach einem Praktikum beim Axel-Springer-Verlag fasste Kessler im Journalismus Fuß und wurde vier Jahre lang Kolumnistin der Bild-Zeitung. Seit 2002 veröffentlicht sie außerdem Ratgeber und Romane. Sie ist mit dem Bild-Chefredakteur und Gesamtherausgeber der Bild-Gruppe, Kai Diekmann, verheiratet. Mit ihren vier Kindern Yella (9), Casper (7), Kolja (5) und Lilly (3) leben sie in Potsdam.