Die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen spielt gemeinsam mit Seong-Jin Cho und unter Leitung von Duncan Ward unter anderem Schuberts „Unvollendete“.
Eigentlich hätte an diesem Abend das BBC Philharmonic Orchestra unter Leitung des israelischen Dirigenten Omer Meir Wellber auf der Bühne der „Philharmonie im Park“ in Emkendorf stehen und sitzen sollen. Warum es dazu nicht kam, kann man sich im zweiten Pandemiesommer nur allzu leicht ausmalen. Für die Briten übernahmen nun also die Bremer das unveränderte Programm, bestehend aus Schuberts Sinfonie Nr. 7, Mozarts Klavierkonzert Nr. 23 und schlussendlich Schuberts Sinfonie Nr. 3.
Als künstlerischer Leiter der Kammerphilharmonie zeichnet bereits seit 2004 der estnische Dirigent Paavo Järvi, der unter anderem einen Grammy zu seinen Auszeichnungen zählen kann, verantwortlich. Die Kammerphilharmonie selbst wurde 1980 als ein basisdemokratischer Zusammenschluss von Musikstudente:innen gegründet. Schnell folgten erste Aufnahmen und Tourneen, die die Musiker:innen bis nach Japan und in die USA (und dort in die berühmte New Yorker Carnegie Hall) führten. Heute bezeichnen unter anderem „Der Spiegel“ aber auch die BBC die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen als Ensemble von Weltrang und als eines der führenden Orchester der Welt. Wer sich die Karten für den gestrigen Abend also vor allem mit Blick auf das BBC Philharmonic Orchestra gekauft hatte, wurde also für dessen Ausfall mehr als entschädigt.
Ergänzt wurde die Bremer Kammerphilharmonie am Klavier vom in Südkorea geborenen und seit 2017 in Berlin lebenden Seong-Jin Cho. 2009 wurde der heute 27-jährige Cho zum jüngsten Preisträger der Hamamatsu International Piano Competition Japan und gewann 2011 den dritten Preis des Tschaikowski-Wettbewerbs in Moskau.
Als Dirigent fungierte an diesem Abend der 32-jährige Brite Duncan Ward, der eine nicht minder imposante Vita vorzuweisen hat. So wurde er auf Empfehlung von Sir Simon Rattle 2012 als erster Dirigent in die Orchester-Akademie der Berliner Philharmoniker aufgenommen, leitete das Radio-Symphonieorchester Wien, das BBC Philharmonic, das Orchestre de Paris, das Schwedische Rundfunk-Sinfonieorchester, die Bamberger Symphoniker und das Ensemble intercontemporain.
Die Werke des Abends
Fünf Jahre vor seinem Tod im Jahr 1791 vollendete der 30-jährige Wolfgang Amadeus Mozart sein 23. Klavierkonzert, an dem er parallel zur Arbeit an „Die Hochzeit des Figaro“ schrieb. Vielen ist dieses Werk der Inbegriff mozart'scher Klavierkonzerte.
Schuberts Sinfonie Nr. 7 (in alternativen Zählweisen auch Nr. 8) aus dem Jahr 1822 wurde nicht nur im bis dahin vollkommen ungebräuchlichen h-Moll komponiert, sondern bietet auch bis heute Anlass für Diskussionen unter Musikwissenschaftlern. So ist für viele strittig, ob diese Sinfonie wirklich unvollendet ist. Belegt ist, dass Schubert mindestens noch an einem dritten Satz arbeitete. Ob es aber schlicht nie zu seiner Fertigstellung kam oder ob der Komponist das Werk nach zwei Sätzen doch für komplett hielt und sich bewusst gegen eine Fortführung entschied, ist nicht überliefert. Diese Diskussion ist es dann auch, die die Popularität des Werks über seine musikalische Qualität hinaus befördert hat. Heute gilt es neben Mozarts Requiem in d-Moll aus dem Jahr 1791 als bekanntestes Musikfragment aller Zeiten.
Seine dritte Sinfonie vollendete Schubert am 19. Juli des Jahres 1815, die erste öffentliche Aufführung sollte allerdings erst im Februar 1881, 53 Jahre nach Schuberts Tod, erfolgen. In London sorgte der Musikforscher George Grove für eine Aufführung aller Schubert-Sinfonien. Schuberts Dritte spaltete die Geister. Während Antonin Dvořák sich als Bewunderer des jungen Schuberts bekannte, urteilte Johannes Brahms, Schuberts Jugendsinfonien hätten keinen hohen künstlerischen Wert und „sollten nicht veröffentlicht, sondern nur mit Pietät bewahrt und vielleicht durch Abschriften mehreren zugänglich gemacht werden“.
Das Konzert
Neu in dieser Konzertwoche auf Gut Emkendorf war, dass es nur zu Beginn und nur ganz leicht regnete und das Publikum nicht wie an den Abenden zuvor mit in Form fertiger Pfützen vom Himmel fallendem Regen gefordert wurde. Die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen ist ohnehin seit Jahren über jeden Zweifel erhaben und mit diesen drei ausgewählten Werken im Gepäck konnte nichts schiefgehen. Und so war es auch ein praktisch perfekter Konzertabend, der sicherlich viele im Publikum, die es nicht vorher schon waren, zu Fans, zumindest aber Freunden, dieser Art von Musik gemacht hat.
Gesondert hervorzuheben an diesem Abend war Pianist Seong-Jin Cho, der nicht nur mit großer Präzision, sondern auch enorm gefühlvollen Spiel zu glänzen wusste. Außerdem der Dirigent Duncan Ward, der zu den exaltierteren Vertretern seines Metiers gehört und stellenweise eine ganz eigene Performance mit vollem Einsatz von Körper und Mimik bot, ohne je komplett aus der ihm zugedachten Rolle zu fallen.
Einzelne Personen aus einem Ensemble wie der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen hervorzuheben, verbietet sich fast. Dennoch besonders positiv aufgefallen ist Cellistin Nuala McKenna, die mit ihrer emotionsgeladenen Darbietung, die stellenweise dem Feuer des Dirigenten in nichts nachstand, zu begeistern wusste.