Hören und kommunizieren – für viele eine Selbstverständlichkeit. Nicht so für Christel Witulski. Lange Zeit hat die 57-Jährige Augen statt Ohren benutzt, um zu verstehen. Bis sie den Mut gefasst hat, ihrer Schwerhörigkeit den Kampf anzusagen …
Das Hören übernehmen für Christel Witulski nicht ihre Ohren, sondern zwei Cochlear-Implantate (CI). Unscheinbar trägt sie diese seit ihrer ersten Operation 1997 und einer zweiten im Jahr 2008 unter ihrem kinnlangen, braunen Haar. Sie bestehen aus einem externen und einem implantierten Teil. Von außen werden Signale an die Implantate übertragen, die durch Stimulation den Hörnerv des Ohres erregen und für ein klares und deutliches Hören sorgen.
Das Gefühl von Freiheit, das die 57-Jährige ihren CIs zu verdanken hat, hatte sie nicht immer. Der Verlust an Lebensqualität seit ihrer Schwerhörigkeit, die sich bereits als junger Teenager abzeichnete, ist weitreichend. Hörgeräte, die damals noch nicht auf dem jetzigen technischen Stand waren, halfen ihr nicht. Die Folgen: In der Schule kam sie nur schwer mit, Musik klang oft grauenvoll, und als sie während ihrer Ausbildung zur Pharmazeutisch-kaufmännischen Angestellten am Telefon eine Bestellung verwechselte, fragte ihre damalige Chefin, wo sie schreiben und lesen gelernt habe. „Meistens musste ich sehen statt hören und habe von den Lippen abgelesen. Sobald die Kommunikation gestört ist, gilt man als minderwertig“, sagt Christel Witulski betroffen.
Als Gipfel kam nach einer schleichenden Verschlechterung des Gehörs im Alter von 32 Jahren der Hörsturz. Die Kielerin mit den sympathischen grünen Augen erinnert sich genau an den Moment, als sie morgens nach dem Aufwachen nur noch ein dumpfes Gefühl auf den Ohren hatte. Erst nach einer Woche fasste sie den Mut, zum Arzt zu gehen. „Die Ertaubung war ein ganz entscheidender Wendepunkt in meinem Leben. Zum ersten Mal habe ich mir meine schlechten Ohren eingestanden. Es war wie eine Erlösung. Ich hörte auf, mich überall durchmogeln zu wollen“, verrät sie mit gebrochener Stimme. Mit Hilfe ihres damaligen Hörgeräte-Akustikers bekam sie Kontakt zu einer Selbsthilfegruppe, die sie bis heute trifft. „Ich hätte mich gehen lassen können, wie ich es bei anderen Schwerhörigen erlebt habe“, sagt sie, während sie den Blick senkt. Stattdessen suchte Christel Witulski weiter Kontakt und nahm an einem Aufbau-Seminar im Reha-Zentrum in Rendsburg teil. Dort musste sie sich nicht verstellen. „Und trotzdem wollte ich so nicht leben. Ich liebe sprachliche Kommunikation, also musste ich stark sein, um dabei zu bleiben“, betont sie. „Das Schlimmste für mich war, die Stimmen meiner Kinder nicht zu hören“, beschreibt sie den Moment, als sie sich für die Implantation von Cochlear-Implantaten entschied. Danach stabilisierte sich ihr soziales Umfeld wieder. Sogar telefonieren ist wieder möglich. Heute macht ihr Beispiel den Frauen in ihrer Selbsthilfegruppe Mut. „Ich bin froh, dass ich gekämpft und mich für die Hörendenwelt entschieden habe.“
Weitere Infos:
Christel Witulski tauscht sich gerne über ihre Erfahrungen als CI-Trägerin aus oder
vermittelt Kontakte.
Tel.: (0431) 71 45 15, christel.witulski@arcor.de
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