Im Kielerleben-Interview spricht Sabine Mammitzsch, DFB-Vizepräsidentin des deutschen Frauen- und
Mädchenfußballs, über die Tücken ihres ehrenamtlichen Engagements und eine ganz besondere Ehre, die ihr noch zuteil werden könnte.
"Geduldet aber nicht hofiert!"
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KIELerleben: Frau Mammitzsch, wie haben Sie zum Fußball gefunden?
Ich habe schon als kleines Mädchen draußen auf dem Pausenhof mit den Jungs Fußball gespielt und war als Lüneburgerin natürlich Fan des Lüneburger SK und von Uli Hoeneß, der bei Bayern München spielte. Als ich Anfang der 80er-Jahre für das Studium nach Kiel kam, habe ich einen Aushang der Uni-Mannschaften am Schwarzen Brett gesehen, die damals Spieler suchten. Und so habe ich mich mit weiteren interessierten Frauen erst der Uni-Mannschaft und später dem VfB Union Teutonia Kiel auf dem Professor-Peters-Platz angeschlossen, die uns Trainingszeiten ermöglichten. Weil wir noch keinen eigenen Trainer hatten, gab uns der Trainer der 1. Herrenmannschaft anfangs noch Tipps.
Das muss die Zeit gewesen sein, in der ein weiteres prominentes Gesicht in dem Verein kickte.
Richtig! Ich habe damals mit Gerhard Delling studiert, der ebenfalls aktiv bei UT Kiel war. Der Club ist bis heute sehr stolz auf sein wohl prominentestes Mitglied und widmete ihm den Namen einer Kabine, der über der Tür im Vereinsheim steht. Wir haben uns neulich bei einer Preisverleihung des Hamburger Fussball-Verbandes getroffen, allerdings ist die gemeinsame Verbindung im Laufe der Jahrzehnte etwas eingerostet.
Wie ging es dann weiter?
Weil ich das Spielen wegen einer Knieverletzung habe aufgeben müssen, habe ich die Trainer-B-Lizenz im Rahmen meines Sportstudiums erworben und mich in den Gremien des Schleswig-Holsteinischen Fußballverbands vernetzt. Als einzige Frau fiel ich da natürlich ziemlich schnell auf und wurde gefragt, ob ich etwas für den Frauen- und Mädchenfußball im Land tun könnte – das war 1990. Und seitdem bin ich dabei und dem Verein seit über 40 Jahren treu geblieben.
Haben Sie während ihrer Zeit als Trainerin auch Gegenwind erfahren?
Wir haben damals für unsere Sache kämpfen müssen. Bevor ich beim DFB zur Vizepräsidentin für Mädchen- und Frauenfußball gewählt wurde, trat der SHFV an mich heran mit der Frage, ob ich die Organisation des Spielbetriebs in Schleswig-Holstein übernehmen könnte. Da war es nicht so einfach, einem Herrenspiel als Frau vorzusitzen und den neidischen Blicken und Sprüchen zu entgegnen. Dem habe ich mich jedoch gestellt und das Vertrauen des Verbands
genossen gewonnen. Ich habe im Laufe der Jahre vieles aushalten müssen. Kommentare wie „Investitionen in Mädchenfußball? – Das lohnt sich doch gar nicht“ oder „Die können doch gar kein Fußball spielen“ vor der Jahrtausendwende habe ich standgehalten durch Argumentation und mit Vehemenz. Es bedarf allerdings auch Männer, die diesen Weg mitgehen.
„Es gab Schiedsrichter, die uns nicht pfeifen wollten und jene, die absichtlich Tore aberkannten – ohne Worte.“
Und das alles ehrenamtlich?
Um das Geld ging es mir nie. Nach der Jahrtausendwende, als wir die Frauenmannschaft abgemeldet hatten, bot mir der Vorstand einen „richtigen“ bezahlten Job als Trainerin an. Ich habe eine Aufwandsentschädigung von 50 Mark im Monat in unsere Mannschaftskasse eingezahlt und Sportbedarf oder unsere Trainingsanzüge finanziert. Mein Ziel war es nie, Geld mit dem Fußball zu verdienen, sondern mich mit Herz und Leidenschaft für den Mädchen- und Frauenfußball einzusetzen.
Mit dem Ziel, Ihren Namen eines Tages ebenfalls über der Tür einer UT-Kabine lesen zu dürfen?
Darauf bin ich nicht aus. Ich übernehme gern Verantwortung. Das ist auch der Grund für meinen Werdegang. Wenn mich Leute fragen, ob ich eine wichtige Aufgabe übernehmen kann, dann muss ich einfach JA sagen. Auch wenn dies bedeutet, dass mein Terminkalender noch voller wird als ohnehin schon. Bei so manch einer Vorstandssitzung platzte mir der Kragen, weil es nur um die Männer ging. Dann kam Frau Mammitzsch, die gesagt hat: „So geht es aber nicht!“. Ich war zwar impulsiv, aber dadurch auch überzeugend.
Impulsivität ist aber nicht ihr einziger Charakterzug.
Ich bin eine absolute Teamplayerin. Ich habe klare Vorstellungen und bin kompromissbereit, wenn ich in die Kommunikation gehen kann. Ich bin ein herzlicher Mensch und ich mag keinen Zwist, sondern Einklang. Wenn mir jemand auf die Füße tritt, kann ich auch zurückschießen. Manchmal ist meine Zunge schneller als mein Verstand und ich denke mir „Das hätte ich mir sparen können“. Vielleicht ist es aber auch genau das, was mich nach vorne bringt.
Sie sind seit einem Jahr im Amt der Vizepräsidentin des Mädchen- und Frauenfußballs in Deutschland. Ihr Ehrenamt beim SHFV ruht deshalb jedoch nicht gänzlich.
Richtig, die Organisation des Spielbetriebs in Schleswig-Holstein ist aus zeitlichen Gründen nicht mehr möglich. Ich bin allerdings nun Vizepräsidentin für Diversität und Gleichstellung. Es ging darum, mein Know-how im Präsidium des SHFV weiterhin nutzbar zu machen. Ich strebe außerdem nicht ausschließlich nach Höherem. Meine Basis und Heimat ist der Schleswig-Holsteinische Landesverband. Hier habe ich darüber hinaus großes Vertrauen erfahren.
Zu ihren Aufgaben beim DFB gehören die Organisation des Spielbetriebs der Frauen-Bundesliga sowie die der Frauen- und Juniorinnen-Nationalmannschaften sowie die Vertretung Deutschlands in internationalen Gremien wie bei der UEFA und der FIFA. Hat ihr Tag eigentlich mehr als 24 Stunden?
Ich habe gelernt, meine zeitlichen Ressourcen gut zu nutzen, bin organisiert und finde eine gute Balance. Manche Termine muss ich leider absagen, auch wenn ich sie gern wahrnehmen würde. Ich werde somit zwar nicht zum Länderspiel zwischen Deutschland und Schweden nach Duisburg fahren, gehöre allerdings zur Delegation, die Deutschland in diesem Jahr bei der Weltmeisterschaft in Australien vertreten wird. Das passt sehr gut mit den Sommerferien in Schleswig-Holstein.
"Die Frauen der Nationalmannschaft wollen keine Millionärinnen sein!"
Die Frauen-Nationalmannschaft hat bei der EM im letzten Jahr für einen Hype gesorgt. Was ist ihr Anteil an dem andauernden Zustrom von 150 Prozent Neuanmeldungen im Amateurbereich im vergangenen Jahr?
Ich denke, dass Sichtbarkeit ein großes Thema ist. Ich versuche so viele Termine wie möglich wahrzunehmen – gerade vor, während und nach Weltmeisterschaften, aber auch wenn es um den Fußball in Schleswig-Holstein geht. Da stelle ich mich gern zur Verfügung. Auf Landesebene haben wir ein Konzept auf den Weg gebracht und einen Kongress durchgeführt und im letzten Jahr ein Programm entwickelt und hauptamtlich eine Stelle besetzt, die nur für die Weiterentwicklung des Frauen- und Mädchenfußballs zur Verfügung steht. So wollen wir mehr Spielerinnen, Trainerinnen und Schiedsrichterinnen auf den Platz bekommen. Darüber hinaus haben wir in Schleswig-Holstein das Pilotprojekt DFB-Assist durchgeführt. Allein an der Westküste sind so in der letzten Saison neun zusätzliche Mädchenmannschaften angemeldet. Zum Vergleich wären das im Herrenbereich ein Plus von 90 Mannschaften.
Und dennoch gibt es das Problem, dass viele Vereine und Sportstätten die Anmeldezahlen gar nicht abdecken können. Wie kann dieses Problem gelöst werden?
Wir müssen Frauen und Männer gleichermaßen dafür gewinnen, Trainerin oder Trainer zu werden. Auch das ist unsere Strategie in Schleswig-Holstein. Dafür gibt es eigene Programme nur für Frauen, weil sie sich zum Teil nicht trauen, in einer Männerrunde bestehen zu können. In so einem geschützten Raum ist es möglich, Sonderlehrgänge zu führen. Das ist ein wichtiger Baustein sowohl beim Landesverband als auch beim DFB.
Was hat sich aus Ihrer Sicht in den vergangenen Jahren zum Positiven hin verändert und wo gibt es noch Nachholbedarf?
Für mich ist es das Allerwichtigste, die gleiche Infrastruktur zu bekommen. Genauso wie den Männern sollte es Mädchen und Frauen möglich sein, nicht auf dem letzten Acker zu trainieren. Wenn es Vereinsmannschaften für Mädchen und Frauen gibt, sollten sie auch die gleichen Voraussetzungen erhalten. Das Konzept des Kinderfußballs ist ein gutes Konzept. Hier spielen Mädchen und Jungen in einem Team und entwickeln eine erste Sensibilität für das Spiel.
Ein anderer Punkt ist die Sichtbarkeit: Wenn ich die Zeitung aufschlage, dominieren sportartübergreifend die Männer das Tagesgeschäft. Ich glaube, da ist noch viel Luft nach oben, eine Gleichberechtigung zu schaffen. Immerhin haben dies die öffentlich-rechtlichen Sender schon erkannt. Die Spielerinnen der Nationalmannschaft selbst wollen keine Millionärinnen sein, sondern von dem Geld, das sie mit dem Sport verdienen, leben können und nicht parallel arbeiten müssen.
Das ist aktuell im Gegensatz zu den USA und wenigen anderen Ländern in Deutschland noch nicht der Fall. Und dennoch gibt es ein Leben nach dem Sport. Was tut der DFB, um Frauen auf eine Karriere nach dem Fußball vorzubereiten?
Wir haben das Konzept „Duale Karriere“ auf den Weg gebracht, um ihnen ein zweites Standbein neben dem Sport zu ermöglichen. Die meisten studieren und machen eine Ausbildung und gehen nach ihrer Zeit als Fußballerin einem „normalen“ Job nach.
Bundeskanzler Olaf Scholz haben Sie bereits für sich gewinnen können. Er fordert „Equal Pay“ in den Nationalmannschaften von Frauen und Männern.
Ja das sagt sich so leicht und das stimmt auch in Teilen, ist aber nicht ganz so einfach. Es geht um den gleichen prozentualen Anteil, den Frauen und Männer von der UEFA bzw. der FIFA bekommen. Da der Gesamtbetrag bei den Männer jedoch um ein Vielfaches höher liegt als bei den Frauen, ist auch der Anteil der Auszahlungen höher. Und daran hakt es. Aktuell laufen die Verhandlungen und die Ergebnisse werden öffentlich sein. Der Anteil wird am Ende sicherlich der gleich sein. Dann wird es spannend zu erfahren, was passiert, wenn wir Weltmeisterinnen werden.
Dafür wünsche ich Ihnen stellvertretend für die KIELerleben-Redaktion viel Erfolg!
Herzlichen Dank!