Wie so vieles musste auch das Schleswig-Holstein Musik Festival im vergangenen Jahr ausfallen. Umso wichtiger, dass man in diesem Jahr groß auftrumpft.
Janine Jansen ist die direkte Vorgängerin von Hélène Grimaud als Porträtkünstlerin des Schleswig-Holstein Musik Festivals und gehört nicht nur deshalb zu den ganz großen Namen der Konzertreihe zwischen den Meeren. Schon seit den frühen 2000er-Jahren gehört die 1978 in den Niederlanden geborene Violinistin zu den ganz großen ihrer Zunft. Als Tochter eines Musiker-Ehepaars begann sie schon früh mit dem Geige spielen.
Mit einer Kombination aus Perfektion und ihrem ganz eigenen Stil des Spiels schaffte Jansen es in die erste Liga und ist ständig in den größten und renommiertesten Häusern der Welt zu Gast. Eine Liste, auf von Spielorten, auf die es das Kieler Schloss auf keinen Fall mehr vor der im Herbst dieses Jahres beginnenden Sanierung schaffen wird. Aber genau das trägt letztlich auch maßgeblich zum Erfolg des SHMF bei: Das Publikum erlebt Künstler:innen von Weltformat in oft noch weit weniger prunkvollen Umgebungen als dem Konzertsaal des Kieler Schlosses. 2019 etwa konnte man Janine Jansen auf einem (ehemaligen) Heuboden in der Nähe von Eckernförde oder den nicht weniger populären Geiger Daniel Hope in einem Pferdestall lauschen.
Dass ihre Auftritte für Jansen weit mehr sind als bloßer Lohnerwerb, merkt man, sowie die Ausnahmekünstlerin die Bühne mit ihrer „Rivas, Baron Gutmann“, einer Stradivari von 1707, betritt und auf ihre Position schreitet. An diesem Abend lässt sie sich von Boris Brovtsyn (Geige), Amihai Grosz (Bratsche), Jens Peter Maintz und ihrem Ehemann Daniel Blendluf (beide Cello) begleiten.
Neben Dimitri Schostakowitschs Streichquartett Nr. 8 in c-Moll steht auch Franz Schuberts Streichquintett in C-Dur D956 auf dem Programm. Letzteres gehört für Jansen zu den schönsten Kammermusikwerken überhaupt. Ein Urteil, das viele Kenner teilen – umso dramatischer ist es, dass Schubert selbst die Aufführung dieses Stücks nicht mehr erlebte. Zwar hatte er es immerhin noch sieben Wochen vor seinem Tod im Jahr 1828 vollendet, wohl aus Desinteresse an dem Stück seitens seines Verlegers wurde das Streichquintett in C-Dur erst 23 Jahre nach seinem Ableben erstmals auf die Bühne gebracht.
Außergewöhnliches Konzert in Kiel
Bei so viel historischer Dramatik und junger Liebe für das Stück ist es fast schon kein Wunder mehr, dass Jansens Aufnahme von 2012 zu den meistgefeierten Platten der Niederländerin zählen. Warum das so ist, merkt man auch an gestrigen Abend in Kiel. Wer sich im Vorfeld dieses Konzerts nicht mit Schuberts Stück auseinandergesetzt hat, fällt dabei schnell einem nur allzu leicht gemachten Fehler anheim. Jansens Spiel – wie auch das ihrer Mitstreiter – wirkt so natürlich, dass einem gar nicht in den Sinn kommt, wie man diesen Schubert denn anders spielen könnte, sodass man schnell den Blick für das Ausmaß von Jansens Virtuosität verliert. Jansen beherrscht die Musik und lässt sich doch auch von ihr leiten und mitziehen.
Was Janine Jansen auf der Bühne präsentiert, ist nicht nur die hohe Kunst der Musik, sondern auch schon fast der Schauspielkunst, so sehr lebt und fühlt sie die Stücke, die sie eben nicht nur mit der Geige, sondern auch mit dem ganzen Körper erzählt.
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Neues Album im Herbst
Wer das Konzert von Janine Jansen verpasst hat, schlicht keine Karten ergattern konnte oder (nun) nicht mehr genug von der Violinistin bekommen kann, muss sich lediglich bis in den Herbst vertrösten. Am 10. September nämlich erscheint ihr neues Album „12 Stradivari“, das auf einem fast schon irren Projekt fußt. Für diese Aufnahme war es Jansen vergönnt auf zwölf verschiedenen Violinen des legendären Geigenbauers Antonio Stradivari (1644-1737) zu spielen. Instrumente, die bei Auktionen oft für mehrere Millionen Dollar die Besitzer:innen wechseln und von denen viele Museen gehören und seit Jahren, manchmal Jahrzehnten nicht mehr gespielt wurden.