Richard Wagners "Die Meistersinger von Nürnberg", inszeniert von Roman Hovenbitzer, hätte man bei der Premiere am Samstagabend zeitweise am liebsten mit geschlossenen Augen genossen. Die Sänger - zweifelsohne beeindruckend - wurden leider so plump ausstaffiert und in Szene gesetzt, dass der Ausspruch "Augen zu und durch" eine ganz neue Bedeutung bekam.
Dabei hatte alles so zauberhaft begonnen. Mit einem märchenhaften Preludio entführte das Orchester unter Leitung von GMD Georg Fritzsch das Publikum ins Nürnberg der Reformationszeit.
Der wohlhabende Goldschmied Veit Pogner, einer der Meistersinger von Nürnberg, erklärt seine Tochter Eva zum Hauptgewinn im kommenden Meistersinger-Wettbewerb. Nur ein Meister soll Eva zur Frau bekommen.
Doch wie es der Zufall will, verliebt sich Eva bei einem Kirchgang in den Ritter Walther von Stolzing, der vom Singen scheinbar keine Ahnung hat. Um offiziell um seine Angebetete werben zu können, beschließt Walther trotzdem an dem Wettbewerb teilzunehmen. Damit durchkreuzt er jedoch Meistersinger Sixtus Beckmessers Plan, der sich Evas Hand schon sicher glaubte. Beim Vorsingen vor den Meistern scheitert Walther trotz aller Bemühungen gnadenlos, nur Schuchmacher und Meistersinger Hans Sachs bemerkt das neue und außergewöhnliche in Walthers Lied. Nach einigen Tumulten beschließt er, obwohl er selbst starker Gefühle für Eva hegt, Walther zu helfen.
In der Rolle des Hans Sachs brilliert Ralf Lukas mit seinem vollen, weichen Bassbariton. Nicht nur gesanglich, auch schauspielerisch zeigt Lukas bemerkenswertes Können und strotzt auch nach viereinhalb Stunden noch vor Kraft und Spielfreude. Zurecht wurde er vom Publikum am lautesten umjubelt und mit Bravo-Rufen für seine meisterhafte Darstellung des Meistersängers belohnt.
Auch Tomohiro Takada überzeugt als Sixtus Beckmesser und beweist im zweiten Akt viel Witz und Esprit. Corey Bix gibt einen schwer verliebten, sehr leidenschaftlichen Walther von Stolzing. Zu Beginn fiel sein Gesang zwar ein wenig matt aus, doch schnell steigerte sich Bix und zeigte die ganze Bandbreite seines Können. Dass er nach viereinhalb Stunden mit langen Gesangspartien im Finale schließlich ein wenig unsauber intonierte, nahm man ihm deshalb auch nicht übel.
Mit den fabelhaften männlichen Sängern konnten die zwei einzigen weiblichen Rollen nicht ganz mithalten. Susan Gouthro singt zwar sicher und exakt, trotzdem mag man ihr die verliebte Eva nicht so recht abkaufen. Und auch Merja Mäkelä kann mit ihrem plakativen Spiel und dem grellen Gesang nicht vollständig überzeugen. Chor und Extrachor begeisterten hingegen wie eh und je.
Was allerdings wirklich Schwierigkeiten beim Genuss der Opernkomödie bereitet, sind Umstände optischer Natur. Bühnenbild (Tilo Steffens) und Kostüme (Henrike Bromber) wirken konzeptlos, allenfalls gewollt modern, teilweise schlicht hässlich. Viele Regie-Einfälle arten in plumpen Kitsch aus, und man fragte sich, ob bestimmte Seltsamkeiten (ein menschlicher Hot-Dog, ein riesiger grüner Flip-Flop oder das Maskottchen einer Discounter-Kette beim Finale) in ihrer bizarren Wirkung tatsächlich so gewollt waren.
Doch zum Glück ist Theater ja demokratisch und das Publikum darf seine Meinung nach der Vorstellung lautstark äußern: So wurden Sänger und Orchester nach der sechsstündigen Aufführung (mit zwei Pausen) vom Premierenpublikum begeistert mit Jubelsstürmen gefeiert. Für Regie, Bühne und Kostüm gab es hingegen gleichermaßen Bravo- und Buhrufe. Fazit: Wagners "Meistersinger" in der Kieler Oper sind ohne Frage absolut höhrenswert, ob sie zugleich auch sehenswert sind, davon sollte sich jeder - sprichwörtlich - sein eigenes Bild machen.
Infos zu weiteren Vorstellungen unter: www.theater-kiel.de.
Foto: struck-foto