Wo kann man in Kiel für unter 100 Euro eine gesamte Wohnung mieten? Die Antwort dürfte wohl jedem klar sein: Nirgendwo. Als Gerda Schöllermann hingegen ihre Wohnung in der Schauenburgerstraße 45 in Kiel bezog, betrug die erste Miete 76,50 D-Mark. Allerdings war das auch im Jahre 1957
In dem Jahr, in dem der FC Bayern München erstmals DFB-Pokalsieger wird und die DDR das ungesetzliche Verlassen ihres Territoriums als „Republikflucht“ einstuft, zieht Schöllermann gemeinsam mit ihrem Ehemann am 1. Dezember in die Hochparterre-Wohnung in der Schauenburgerstraße. Diese wird damals von der Kieler Werkswohnungen GmbH vermietet, da ihr Mann als Mechaniker bei den Howaldtswerken (HDW) arbeitet. Geboren am 29. März 1926 in Ostpreußen, flüchtet die heute 91-Jährige 1945 vor den Russen nach Nordstrand, wo sie die ersten zwei Jahre nach dem Krieg bei einer Freundin wohnt, ehe es sie 1947 als Hauswirtschafterin nach Kiel zieht. Zehn Jahre später geht es dann schließlich ins 48-Quadratmeter-Domizil in der Schauenburgerstraße – und das bis bis heute. Auch als ihr Mann 2011 stirbt, bleibt Schöllermann in ihrem geliebten eigenen Reich im Stadtteil Brunswik.
60 Jahre in einer und derselben Wohnung machen sie zu einer der ältesten Mieterinnen ganz Kiels. Und die rüstige Rentnerin denkt auch weiterhin nicht daran, ihre Wohnung zu räumen. Schließlich erledigt sie auch weiterhin Arztbesuche und Einkäufe ohne fremde Hilfe, „auch wenn es immer etwas dauert“, wie sie anfügt. In diesem langen Mietverhältnis hat sich natürlich auch einiges an der Wohnung getan. Der Wegfall des Trockenbodens zugunsten des Dachgeschossausbaus war weniger schön für sie, erklärt die 91-Jährige. Dafür habe hingegen der Balkon, der im Zuge jener Umbaumaßnahmen installiert worden sei, zu einer ganz neuen Wohnqualität geführt, zumal sie sehr gerne die Balkonkästen bepflanze, so Schöllermann. Zum 60-jährigen Miet-Jubiläum gab es dann auch von der Hausverwaltung einen Präsentkorb für die jahrzehntelange Treue. „Wir freuen uns natürlich, wenn wir unsere Mieter zufriedenstellen können und dadurch, wie in diesem Falle, ein langfristiges, gemeinsames Mietverhältnis zustande kommt", erklärt Nils Ruchotzke, Prokurist bei der zuständigen AIM AktivesImmobilienManagement. Und wer weiß, vielleicht kommt Ruchotzke in zehn Jahren ja zum nächsten Jubiläum erneut mit einem Präsentkorb vorbei.