Otto Cornelius ist dort zu Hause, wo er sein Riesenrad aufstellen und die Menschen Raum und Zeit vergessen lassen kann. Wir stellen den Schausteller vor
Könnten Sie sich vorstellen, Ihr Leben lang in einem Wohnwagen zu leben, stets zur Abreise bereit, falls im nächsten Ort ein Jahrmarkt wartet? Könnten Sie sich immer wieder auf so viel Veränderung, so viele neue Gesichter einstellen, um nach ein paar Monaten erneut abzureisen? Vermutlich nicht. Und doch ist es dieses rastlose Schaustellerleben, welches es Ihnen jedes Jahr zur Kieler Woche ermöglicht, in einer bunten Gondel wieder zum Kind zu werden – zwischen Lichterspiel, Kirmesmusik und einem Ausblick, der Raum und Zeit verdreht.
Für Otto Cornelius, den sie vielleicht schon als offenherzigen Betreiber des „Around the World“ kennengelernt haben, bedeuten Kindheitserinnerungen, an den Alltag im Wohnwagen zu denken. An einen Schulwechsel nach dem anderen, zahlreiche Abschiede, aber noch viel mehr neue Freundschaften. „Es war nicht immer leicht, sich an jedem neuen Ort im Sekretariat zu melden, um erneut der Exot in einer fremden Klasse zu sein“, erzählt der 59-Jährige, „doch größtenteils hatte ich immer Freude daran, die Ortsansässigen kennenzulernen.“ Man kenne es ja schließlich auch nicht anders, seit Generationen. Das erste Riesenrad ließ der Großvater des Fahrgeschäftebetreibers, Otto Wittler, schon 1946 schmieden. Über die Jahre wurden aus zwölf Metern Höhe 50, aus zehn Gondeln 36. Was sich nicht veränderte, waren die Werte, die das Geschäftskonzept der Familie schon damals definierten und mit der Unternehmensübergabe an Cornelius' jüngsten Sohn auch noch weitere Jahrzehnte, vielleicht Jahrhunderte, bestehen werden: „Rund um unser Riesenrad herrscht ein friedliches, respektvolles Miteinander.“ Die Standfläche verwaltet der Schausteller inzwischen selbst als Veranstalter. So hat er die Möglichkeit, sich Nachbarn auszusuchen, die seine Prinzipien teilen und gemeinsam mit ihm eine besondere Atmosphäre schaffen. „Es beginnt schon bei den außergewöhnlichen Produkten, die die Schaustellerstände anbieten, das ist einfach keine Massenware“, erklärt Cornelius. So gehören die Waffeln des Café Wien nebenan ebenso zum Riesenradabenteuer wie der Räucherduft des benachbarten Schwenkgrills und die allseits bekannte Kapitänsfigur vor dessen Tresen. „Wir sind eine Solidargemeinschaft. Vor allem dem Familienpublikum möchten wir eine Ruheoase bieten, in der vom Kieler-Woche-Trubel verschnauft und in luftiger Höhe jede Sorge vergessen werden kann.“
Vielleicht liegt in diesem Talent, Wohlfühlorte zu kreieren, das Geheimnis des Schaustellerlebens? Denn wieso sollte man sesshaft werden, wenn es einem gelingt, überall – all around the world – ein Zuhause zu erschaffen?