Wenn sie zum Einsatzort kommen, geht es nicht selten um Menschenleben: Notfallsanitäter:innen tragen eine
enorm hohe Verantwortung. Diese möchte Lotte Borchers künftig übernehmen und lässt sich bei der Rettungsdienst-Kooperation in Schleswig-Holstein (RKiSH) ausbilden.
Es ist Schichtbeginn um 6.30 Uhr in der Bordesholmer Rettungswache. Lotte zieht zunächst ihre Arbeitskleidung an, bevor sie die Materialien des Rettungswagens auf ihre Vollständigkeit kontrolliert. Sollte sie und ihr Team in den kommenden zwölf Stunden zum Einsatz kommen, muss jeder Handgriff sitzen. Denn im Zweifel geht es um das Leben eines Menschen. Es sind genau diese Gründe – die hohe Verantwortung und die Abstimmung im Team – welche die 22-Jährige faszinieren und weshalb sie für diesen Job brennt.
Das Interesse am Menschen
Schon während der Schulzeit interessierte sich Lotte für biologische Zusammenhänge des Körpers. Ihr Abitur legte sie im Regionalen Bildungszentrum in Kiel unter dem Prüfungs- und Profilschwerpunkt „Gesundheit“ ab und begeisterte sich schon immer für die Vielschichtigkeit medizinischer Themen. Nach verschiedenen Praktika riet ihr damals eine Freundin dazu, sich mit dem Beruf als Notfall- oder Rettungssanitäterin auseinander zu setzen. Diese hatte zuvor eine dreimonatige Ausbildung zur Rettungssanitäterin bei der RKiSH beendet und war sehr zufrieden mit der Ausbildung und der Arbeit danach.
Während auch andere Arbeitgeber:innen wie zum Beispiel Feuerwehren diesen, seit 2014 anerkannten Ausbildungsberuf, anbieten, entschied sich Lotte für die RKiSH. Mit ihren Standorten in den Kreisen Dithmarschen, Pinneberg, Rendsburg-Eckernförde, Bad Segeberg und Steinburg ist die Kooperation weit im ganzen Land vertreten und gehört so zu einem der fortschrittlichsten Rettungsdienste in Deutschland.
„Dadurch dass die RKiSH der größte kommunale Rettungsdienst Deutschlands ist, hat man die Möglichkeit sich nach der Ausbildung auch örtlich weit verbreitet umzuorientieren und zwischen Land- und Stadtrettung zu wählen“, sagt Lotte. „Durch die Größe der Kooperation ist es machbar, aufgabenorientierte Mitarbeiter:innen einzustellen, was sich auch als Auszubildende für mich bemerkbar macht.“
Ausbildung an drei Standorten
Ein gutes Jahr ist nun bereits vergangen und die junge Auszubildende steht im Sommer bereits vor ihrer Kompetenzüberprüfung – eine Art Zwischenprüfung während der Ausbildung. In jeweils einer schriftlichen, mündlichen und praktischen Prüfung muss Lotte zeigen, was sie in den vergangenen anderthalb Jahren gelernt hat. Dabei bildet die Arbeit auf der Rettungswache jedoch nur einen Teil der insgesamt dreijährigen Ausbildung zur Notfallsanitäterin ab. Auf der Wache in Bordesholm wird sie am Ende mit insgesamt 1.960 Stunden zwar den größten Teil verbracht haben, doch stehen diesen immerhin 1.920 Stunden in der berufsbildenden Akademie der RKiSH in Heide gegenüber. Blockweise findet der Unterricht zentral an der Schleswig-Holsteinischen Westküste statt. Wenn Lotte dann ihr Zeugnis als ausgebildete Notfallsanitäterin im Frühjahr 2024 in den Händen hält, wird sie weitere 720 Stunden auf verschiedenen Stationen des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein (UKSH) in Kiel verbracht haben. Hier durchläuft sie vom Kreißsaal über die Anästhesie bis zur Notaufnahme verschiedene Stationen des Krankenhauses.
„Es ist hilfreich zu sehen, wie es mit den Patienten weitergeht, nachdem wir sie zuerst versorgt und in die Notaufnahme gebracht haben“,
sagt Lotte über die wichtige Arbeitserfahrung im Klinikum.
Im Austausch mit dem Krankenhaus
Sie ist einerseits begeistert von dem Zusammenhalt und dem Verbund der Rettungswache. Diese gibt ihr die nötige Sicherheit, mit der sie ihren Job leistet. „Wir funktionieren super im Team, gehen strukturiert vor und wissen, was im Ernstfall zu tun ist“, sagt die Auszubildende. Anderseits ist es für sie wichtig zu erfahren, wie es Patient:innen nach der Notversorgung durch Lotte und ihr Team ergeht. Das bekommen die Sanitäter:innen auf Nachfrage von den weiterbehandelnden Krankenhäusern zurückgemeldet. Ein Mann war bei einem Autounfall verletzt worden. Als beisitzende Ersthelferin begleitete Lotte den Einsatz, reichte den verantwortlichen Kolleg:innen die entsprechenden Materialien zur Immobilisation und Fixierung des Patienten an. Später erfuhr sie, dass sich der Mann auf dem Weg der Besserung befand.
Ansprechpartner:innen für alle Menschen
Doch nicht immer sind es die spektakulären Einsätze, in denen die Not- und Rettungssanitäter:innen mit Blaulicht und Martinshorn über die Straßen zu den Hilfebedürftigen eilen. Über die rein körperliche Ersthilfe hinaus übernehmen die Sanitäter:innen zum Teil auch seelsorgerische Aufgaben. So rief in der Vergangenheit eine ältere Frau den Rettungsdienst, weil sie gestürtzt war. Lotte und ihr Team eilten zu Hilfe und waren die ersten am Einsatzort. Es stellte sich heraus, dass die Dame eine Oberschenkelhalsfraktur erlitten hatte, die erfolgreich in der Klinik behandelt werden konnte. „Die Frau war unendlich dankbar, dass wir ihr geholfen und sie ins Krankenhaus gefahren haben“, sagt Lotte. „Eine solche direkte Rückmeldung ist der schönste Lohn.“
So gehören zu ihrem Arbeitsalltag allerdings nicht nur Notfalleinsätze mit kritischen Patient:innen, im Gegenteil. Im Rettungsdienst arbeiteten bedeutet auch Hilfe leisten in weniger dramatischen Situationen, wie zum Beispiel bei Krankentransporten – also Fahrten für Menschen, denen es nicht mehr möglich ist selbständig ohne medizinische Betreuung zu einem Ort zumeist einem Arzttermin oder nach der Entlassung aus einem Krankenhaus nachhause zu fahren. Zumeist sind dies ältere Patient:innen, welche schon sehr dankbar sind, wenn man für sie da ist.
Bis sie am Ende ihrer Ausbildung selbst Einsätze als vorangehende Notfallsanitäterin leiten wird, steht sie mit dem Team stets in direktem Austausch. Das Nachbesprechen der Einsätze, die Anamnese, Verdachtsdiagnosen sowie die unmittelbare Rückmeldung und Absprache mit den erfahrenden Kolleg:innen vermitteln Lotte die nötige Sicherheit. Angst vor der großen Verantwortung hat die junge Auszubildende nicht – im Gegenteil. Nach Ausbildungsabschluss ist es Lotte wichtig, weitere Erfahrungen in den kommenden Jahren zu sammeln.
Weiterbildung im Betrieb
Zu sehr gefällt ihr der Adrenalin-Kick und das Ungewisse, mit der sie jede ihrer Tages- und Nachtschichten begeht. Wenn sie alle Abläufe und Verhaltensregeln gerade verinnerlicht hat, möchte sie diese auch in der Praxis anwenden und weitere Erfahrungen sammeln. Für sie steht das lebenslange Lernen und die Komplexität sowie die Unversehrtheit des menschlichen Organismus an erster Stelle. Darüber hinaus hält ihr Arbeitgeber jedoch weitere Fortbildungsmöglichkeiten bereit. So ist auch eine Kombination aus Lehrkraft und Sanitäterin möglich. Wer diesen Beruf ergreifen möchte, sollte jedoch die Verantwortung nicht scheuen, ein nötiges Maß Kommunikationsfähigkeit besitzen und den Fokus in extremen Situationen nicht verlieren, ist sich Lotte sicher.
Übrigen
Die dreijährige Ausbildung zum Notfallsanitäter (m/w/d) ist nicht zu verwechseln mit der dreimonatigen Ausbildung zum Rettungssanitäter (m/w/d). Während die dreijährige Ausbildung zum Notfallsanitäter 2014 den Beruf des Rettungsassistenten abgelöst hat, so dass dieser nun nach und nach in den Hintergrund treten wird, gibt es die dreimonatige Ausbildung zum Rettungssanitäter (m/w/d) in Deutschland bereits seit 1977.