Warum können wir eigentlich nicht für das alljährliche Kieler-Woche-Plakat abstimmen? Das fragten sich viele Kieler in den sozialen Medien nach Verkündung des diesjährigen Siegerplakats. Förde Fräulein Finja ist dieser und weiteren Fragen auf den Grund gegangen
Seit 69 Jahren wird mit jährlich wechselnden Plakaten und anderen Werbemitteln weit über Kiel hinaus für die Fest- und Segelwoche geworben. Die Jury besteht aus jeweils vier Fach- und Sachjuroren und die insgesamt 71 Kieler-Woche-Plakate sind ein eindrucksvolles Spiegelbild der jüngeren Grafik-Geschichte.
Der Sieger des diesjährigen Designwettbewerbs des Kieler-Woche-Plakats steht seit dem 13. September fest. Gewonnen hat das comicartige Plakat mit roten Segeln zwischen blau-weißen Wellen, Wind und Wolken der Wiener Art Direktorin Verena Panholzer. Die Jury begründet ihre Wahl wie folgt: „Das Siegerplakat skizziert mit kräftigen schwarzen Linien das Zusammenspiel von Himmel, Meer und Booten. Der dynamische Wechsel blauer und weißer Flächen von Wind und Wellen wird mit roten Segeln rhythmisiert. Das Motiv hat nahezu lautmalerische Qualitäten, man glaubt das Tanzen der Wellen und den pfeifenden Wind zu hören.“
Wie in jedem Jahr äußerten sich die Kieler binnen Sekunden in den sozialen Medien zum neuen Plakat. Wenige positive Stimmen wurden überschattet von Spott, Belustigung, Ärger und weiteren negativen Kommentaren. Die öffentliche Empörung scheint ein jährliches Ritual zu sein. Beim Überfliegen der Kommentare sprangen mir einige Fragen immer wieder ins Auge.
Warum können die Kieler nicht für ein Plakat abstimmen?
Viele Kieler fordern ein Mitspracherecht, wollen für ihren Favoriten abstimmen. Ich fragte Philipp Dornberger, neuer Leiter des Referats Kieler Woche, warum das nicht möglich ist. Philipp Dornberger: „Ich durfte in diesem Jahr das erste Mal den gesamten Prozess des Kieler-Woche-Plakats miterleben. Im Vorwege habe ich mir genau die gleichen Fragen wie viele Kielerinnen und Kieler gestellt. Was mir zum Beispiel vorher nicht klar war, ist, dass es sich um einen der weltbekanntesten Plakat-Wettbewerbe handelt. So einen Status erreichen sehr wenige Wettbewerbe. Daher müssen wir mit Veränderungen in diesem Bereich sensibel umgehen. Ich habe diese Fragestellungen auf der Kieler Woche 2017 mit den Designerinnen und Designern sowie mit den Jurymitgliedern offen diskutiert.
Zur nächsten Kieler Woche werden wir die ersten vorsichtigen Änderungen anstreben. Was ich persönlich bei meiner ersten Jurysitzung festgestellt habe: Es ist sehr wichtig, dass man alle Plakate und Umsetzungsvorschläge in Ruhe auf sich wirken lässt, diese aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet und darüber offen diskutiert. Dies hat für mich etwas mit der Wertschätzung gegenüber dem Künstler oder der Künstlerin zu tun.“
Warum darf nicht jeder einen Entwurf einreichen?
Kunststudenten, Kindergärten oder Schulen sollen auch ein Plakat entwerfen dürfen, fordern einige Kieler. Grundsätzlich ein wirklich schöner Gedanke! Hintergrund, warum dies nicht möglich ist, ist vor allem die komplexe Umsetzung des Plakatentwurfs. Aus dem Kieler-Woche-Plakat entsteht in jedem Jahr eine neue Corporate Identity, die von der Gestaltung der klassischen Souvenirs über die Beklebung von Fahrzeugen bis hin zu vielen Druckerzeugnissen in allen Größen und Formaten, also von der kleinen Briefverschlussmarke bis zur Litfaßsäulenbeklebung, reicht. Diese Arbeiten sind sehr umfangreich und hochkomplex. Darüber hinaus besteht ein hoher Abstimmungsbedarf mit den vielen verschiedenen Produzenten. Aus diesen Gründen ist die Gestaltung durch professionelle Grafikbüros unerlässlich. Es hängt also viel mehr an dem Entwurf, als der eine oder andere vielleicht dachte.
Wer darf denn ein Plakat entwerfen?
Bewerben kann man sich nicht. Alljährlich wählt ein Gutachtergremium fünf Grafikdesignerinnen und -designer aus dem In- und Ausland aus, die von der Landeshauptstadt Kiel auf Beschluss des Hauptausschusses dann zur Teilnahme am Wettbewerb eingeladen werden. „Schon das ist eine Auszeichnung. Denn der Gestaltungswettbewerb genießt weltweit ein hohes Ansehen, zumal viele Motive mit nationalen und internationalen Preisen ausgezeichnet wurden“, sagt Jörg Franzen, Organisator des Wettbewerbs. Alle Grafiker reisen sogar an die Förde, um sich während der laufenden Kieler Woche ganz individuelle Eindrücke vom größten Sommerfest im Norden und der weltgrößten Segelveranstaltung zu verschaffen, sowohl auf dem Wasser als auch auf dem Land. Anschließend haben sie drei Monate Zeit, ihre Inspirationen in ihren Entwürfen festzuhalten.
Wonach entscheidet die Jury?
Wie schon mehrfach gesagt, achtet die Jury auch auf die Stimmigkeit von Plakat und gestalterischer Umsetzung. „Es gibt Plakate, die wir auf Anhieb super finden. Aber wenn die zusätzlichen Produktdesigns nicht überzeugen, dann ist der Entwurf leider raus“, so Hauke Petersen, Vorsitzender des Kieler-Woche-Fördervereins. Bis auf den Kieler-Woche-Schriftzug, das Datum und einen weißen Rand für die Logos der Sponsoren gibt es übrigens keine Vorgaben bei der Gestaltung.
In diesem Jahr sei die Auswahl besonders vielseitig gewesen, was die Diskussionen innerhalb der Jury zusätzlich beflügelt habe. Dennoch wurde bereits im zweiten Wahlgang der Sieger eindeutig bestimmt. „Die Umsetzung stellt eine bisher noch nicht dagewesene gestalterische Herangehensweise im Kieler-Woche-Design da“, so die Jury.
Für mich als Kieler Deern und Kieler-Woche-Fan war es in jedem Fall eine spannende Erfahrung, mal so nah am Designwettbewerb zu sein. Ich wusste zum Beispiel gar nicht, dass dieser weltweit derart bekannt ist. Auch, dass gezielt renommierte Grafiker ausgewählt werden, war mir nicht bewusst. Eines weiß ich aber mit Sicherheit: Ob Juryabstimmung oder öffentliche Wahl für alle Kieler – das Ergebnis wird nie alle zufrieden stellen und jeden Geschmack treffen. Aber das sollte die Vorfreude auf unser schönes Sommer-Segel-Fest doch eigentlich nicht trüben können, oder?