In ihrer monatlichen Kolumne äußert sich Hanne Pries – Sängerin der Kultband Tiffany und Grundschullehrerin – zu aktuellen Themen. Mal witzig, mal nachdenklich, aber immer mit ihrer persönlichen Note.
Ich weiß auch nicht, warum. Aber im Frühling habe ich immer und immer wieder das starke Bedürfnis, ein Frühlingsgedicht auswendig zu können. Das Gefühl ist fast noch stärker als zu Weihnachten. Mein großes Problem: Ich kann so furchtbar schlecht auswendig lernen.
„Frühling lässt sein blaues Band wieder flattern durch die Lüfte …“ Der olle Mörike aus der vierten Klasse, der sitzt. Von Goethes Osterspaziergang kann ich nur „Vom Eise befreit bin ich Mensch, hier darf ich’s sein.“ Toll.
Aber wie denn auch. Man muss ja nichts mehr. Zitieren ist nicht mehr modern, Telefonnummern sind im Handy und Obst wird mehrheitlich an der Kasse gewogen (Ich konnte mir noch nicht mal die drei Zahlen für kernlose Trauben bis zur Waage merken).
Bei „I will survive“ singe ich seit gefühlt 100 Jahren drei mal die erste Strophe, weil ich die anderen beiden nie in den Kopf bekam …
Ok. Es gibt komische Dinge, die sich mir einprägen. Deutsche Schlager laufen ganz gut. Ist jetzt mal so mittelintellektuell.
Laut „Vergessenskurve“ wird in den ersten fünf Minuten nach dem Lernen am meisten vergessen.
Na toll. Und danach geht es mit meinem Vergessen erst richtig los. Ach, ich bin ein Opfer des „bulimischen Lernens“. Wie die meisten Schüler von heute habe ich Wissen nur schnell in mich aufgenommen, um es bei Prüfungen genau so schnell wieder von mir zu geben.
Ich bewundere ältere Leute, die offensichtlich noch nachhaltiger lernten und irgendwie mehr Platz im Hirn hatten. Da sind die Stufen, die Glocke und der Osterspaziergang aber so was von da!
Ich gebe nicht auf. Goethe, ich komme … In mir regt sich Bildung und Streben, ich will mein Hirn mit Farbe beleben – das ist doch mal ein Anfang. In diesem Sinne: Frohe Ostern!