Nur wenige Tage vor Beginn der Kieler Woche wurde bekanntgegeben, dass mit Charlie Winston ein weiteres musikalisches Schwergewicht auf der Bühne an der Hörn auftreten wird. Vor seinem Auftritt nahm sich der britische Sänger noch Zeit für ein ausführliches Interview und sprach über sein neues Album, seinen Erfolg in Frankreich - und sein großes Faible für Musikvideos
KIELerleben: Du hast schon in vielen Ländern Konzerte gespielt. Wie sind die Deutschen als Publikum im Vergleich zu anderen Nationen?
Charlie Winston: Es hängt eher von der Stadt als vom Land ab. Natürlich gibt es Unterschiede, weil jedes Land auch verschiedene Dialekte hat. Aber es geht nicht um Grenzen, denn die sind künstlich entstanden. Die Menschen bleiben dieselben. Ich kann nichts speziell zu Kiel sagen, weil ich hier noch nie war, aber ich hatte schon sehr, sehr gute Konzerte in Deutschland.
Du bist speziell in Frankreich sehr erfolgreich. Kannst du sagen, warum das so ist?
Nein (lacht). Jeder fragt mich das – meine Freunde, Journalisten, Leute, die ich kennen lerne. Ich kann nicht genau sagen, wie das zustande kommt. Ich denke, dass es vielleicht daran liegt, dass ich eine Persönlichkeit bin als Charlie Winston, der Sänger. Ich trage nicht Jeans und T-Shirt, sondern Anzug, und ich glaube, dass die Franzosen dieses Image und diesen Charakter gern mögen. Als ich dort erfolgreich wurde, habe ich mit den Menschen nicht nur über Musik, sondern auch über meinen Klamottenstil, meinen Lebensstil und meine Philosophie gesprochen. Während die Deutschen zum Beispiel mehr an meinen Texten interessiert sind, geht es den Franzosen mehr um Herz, Leidenschaft und Schicksal.
Du hast sowieso eine spezielle Verbindung zu Frankreich, oder? Immerhin hast du lange in Paris gewohnt...
Ja, das stimmt. Meine Frau ist übrigens auch Französin. Ich habe mir Frankreich allerdings nicht wirklich ausgesucht. Vielmehr bin ich damals nach Los Angeles gereist, um raus aus Frankreich zu kommen. Und dann war da dieses unglaublich hübsche Mädchen im Restaurant. Nach einer halben Stunde sagte mein Bass-Gitarrist: „Jetzt sprich sie endlich an!“ Also bin ich zu ihr, durfte mich setzen und es hat sich herausgestellt, dass sie Französin ist. Und sie kannte mich nicht, sodass wir einen guten Start hatten – und letztlich auch zusammengekommen sind.
Für viele Menschen ist es schwierig, deine Musik einzuordnen, weil es so viele verschiedene Einflüsse aus unterschiedlichen Genres gibt. Wie würdest du selbst deine Musik schreiben?
Ich weiß nicht. Sag du es mir! (lacht) Im Endeffekt geht es auch nicht darum. Ich bin ein Künstler und versuche mich durch zu Musik auszudrücken. Das kann rockig, funky, als Ballade, klassisch oder auch Jazz sein. Ich bin zu neugierig, um an ein und derselben Stelle zu bleiben. Ich möchte auch gar nicht in Kategorien eingeordnet werden.
Aber würdest du zustimmen, dass deine neue Single „The Weekend“ mehr Funk-Elemente als deine früheren Songs beinhaltet?
Ich würde es nicht Funk nennen. Für mich ist Funk eher so etwas wie Prince oder James Brown. Es ist eher inspiriert von afrikanischer Musik und Michael Jackson. Ich wollte nicht so sehr mit Trommeln arbeiten, sondern eher die Sounds einfach so aufpoppen lassen. Der Song wurde maßgeblich von Salif Keitas Lied „Madan“ inspiriert.
In der neuen Single gibt es eine Zeile, die lautet: „On the weekend we just dance“. Gehst du manchmal noch tanzen? Oder sind die Zeiten des Losziehens und Feierngehens vorbei?
Ich war tatsächlich nie der Typ, der viel losgezogen und Tanzen gegangen ist. Der Song ist also nicht vor diese Hintergrund entstanden. Es war eher so, dass ich mir ein Jahr lang eine Auszeit von der Musik genommen habe und wir in der Familie hinsichtlich der Gesundheit eine schwere Zeit hatten. Ich habe gemerkt, dass ich in dieser Phase viele emotionale Songs geschrieben habe, und wollte deshalb auch einmal wieder einen leichten, simplen Song schreiben – eine Erlaubnis zum Tanzen sozusagen.
Schaffst du es denn selbst überhaupt, mal abzuschalten, oder hörst du nie so richtig auf zu arbeiten?
Ich bin mittlerweile besser darin geworden, auch mal eine Pause einzulegen. Das war früher anders. Aber ich hatte im letzten Jahr einen doppelten Bandscheibenvorfall. Da habe ich gemerkt, dass ich auch mal Dinge etwas lockerer nehmen muss.
Dein neuestes Video zur Single „The Weekend“ ist in einem Stück ohne Schnitte gedreht. Magst du es, Musikvideos zu drehen, oder ist es eher eine lästige Pflicht?
Nein, ich liebe es! Am liebsten würde ich nur Videos drehen (lacht). Ich bin ein Geschichtenerzähler und Musikvideos geben mir die Chance, genau das zu tun. Ich hatte oft Angebote für Videos, die gut aussehen, aber nicht wirklich Sinn machten. Sowas gefällt mir nicht. Ich mag es wirklich, Geschichten zu erzählen. Das ist das, was uns Menschen zu Menschen macht – die Fähigkeit, Geschichten zu erzählen.
Was können deine Fans vom im September erscheinenden neuen Album „Square 1“ erwarten?
Viele Songs sind wie gesagt von afrikanischer Musik inspiriert. Aber es ist kein rein afrikanisches Album, also nicht mein persönliches „Graceland“ oder so etwas in der Art. Es ist ein sehr persönliches Album und unterscheidet sich durchaus von meinen vorherigen Alben. Einige Songs sind voller Energie, andere hingegen auch etwas ruhiger. Ich habe das Gefühl, dass meine Alben immer persönlicher und subjektiver werden.
Es ist zu deinem Markenzeichen geworden, dass du stets einen Hut trägst. Wie viele hast du eigentlich?
22. Das weiß ich so genau, weil ich sie vor kurzem erst gezählt habe, weil ich es selbst auch wissen wollte (lacht).
Es soll zudem eine Dokumentation über dich und deine Musik geben. Kannst du da schon etwas mehr verraten?
Noch nicht wirklich viel. Es ist weniger eine Dokumentation über mich persönlich, sondern vielmehr über den Prozess des Erschaffens von Musik. Dieser Prozess wird sozusagen anhand von mir dargestellt. Es soll keine Biographie oder Rockumentary werden. Ich hoffe, dass es eher poetisch wird.
Das Interview führte Bastian Karkossa.